Vom Handy verdrängt

Nur noch 48.000 Telefonzellen

24.02.2014
Wenn man mal eine braucht, ist meist keine da. Und wenn doch, dann ist sie oft kaputt. Telefonzellen sind ein Relikt der Vor-Handy-Ära – und einer Zeit, in der die Intimität von Telefongesprächen geschätzt wurde.

Der Trend ist eindeutig: Es gibt immer weniger Telefonzellen. Heute haben die Menschen Handys – und die öffentlichen Fernsprecher machen meist nur noch von sich reden, wenn mal wieder einer von Vandalen gesprengt oder vom Betreiber abgebaut wurde. Weniger als 50.000 Apparate gibt es noch in Deutschland, ein knappes Drittel des einstigen Bestandes. Doch mancher hat inzwischen sein Herz für die Geräte entdeckt – und lobt, wie identitätsstiftend sie sind.

Dass Münz- und Kartentelefone für die Bundesnetzagentur im Jahr 2014 nicht den allergrößten Stellenwert haben, verrät ein Blick in das Inhaltsverzeichnis des 380-seitigen Tätigkeitsberichts "Telekommunikation" (PDF-Link). Mobilfunk, Breitband, Kurznachrichten – das alles ist an prominenter Stelle aufgelistet, der Punkt "Öffentliche Telefone" wird unter dem Stichwort "Universaldienst" nur erwähnt.

Rund 48.000 öffentliche Telefonstellen gab es Ende 2013 noch in Deutschland, wie der Sprecher der Bundesnetzagentur, René Henn, sagt. 2011 waren es noch rund 60.000 Münz- und Kartentelefone von Telekom und privaten Anbietern gewesen. Viel höher ist die Zahl der Handys – rein rechnerisch hat jeder in Deutschland mindestens eins. "Ende 2013 registrierte die Bundesnetzagentur 113 Millionen SIM-Karten", sagt Henn. Seine Beobachtung: "Spätestens sei dem Jahr 2000 erkennt man den Rückgang der Telefonzellen und die Zunahme der Handys."

Bei manchem steht der öffentliche Fernsprecher aber weiter hoch im Kurs. Die Frankfurter Kulturhistorikerin Lioba Nägele würdigt ihn als ein "radikaldemokratisches Medium". Denn durch öffentliche Münzfernsprecher, wie sie ab 1899 aufgestellt wurden, konnten auch Menschen telefonieren, die sich keinen eigenen Festnetzanschluss leisten konnten. "Rein theoretisch hätte jeder Bürger einen Politiker wie Walther Rathenau an die Strippe bekommen können", sagt die Historikerin, die im Museum für Kommunikation arbeitet. Dort stehen rund 150 "Münzer", wie sie die Apparate liebevoll nennt.

Die Telefonzelle bot immer auch ein Stück Privatsphäre inmitten der Öffentlichkeit. "Die Zellen achteten die Intimität des Telefonierens", sagt Nägele. Lange Zeit hätten die Betreiber auf schalldichte Kabinen gesetzt - das kam privaten Telefonaten mit der Familie ebenso zu gute wie vertraulichen Geschäftsgesprächen. Mittlerweile sind schützende Telefonhäuschen aber eine Seltenheit. Meist gibt es nur sogenannte Basistelefone ohne Glas- oder Plastikhaube. Das passe zum Zeitgeist, sagt Nägele: "Handygespräche werden ja auch lautstark in der Öffentlichkeit geführt."

Der Augsburger Schüler Stefan Zaum, der im vergangenen Jahr die "Arbeitsgemeinschaft zum Erhalt der deutschen Telefonzelle" (Facebook-Link) gegründet hat, attestiert den gelben Häuschen gar "etwas Gemütliches". "Sie sind ein Fluchtpunkt mitten auf der Straße, ein kleines Wohnzimmer. Wenn es zum Beispiel anfängt zu regnen, sucht man den Schutz des Telefonhäuschens."

Einfach abbauen darf die Telekom eine öffentliche Telefonzelle nicht. "Sollte sich im Verlauf von zwölf Monaten zeigen, dass ein Standort unwirtschaftlich ist, dann setzen wir uns mit der Kommune in Verbindung, um den Abbau - im Konsens mit der Kommune - zu avisieren", erklärt der Sprecher der Telekom für die Region Nord, George-Stephen McKinney. "Viele Plätze sind einfach nicht mehr wirtschaftlich für die Betreiber", sagt Henn.

Beharren die Kommunen auf dem Standort, tauscht die Telekom ein im Unterhalt teures Gerät gegen ein sogenanntes "Basistelefon" aus, das nur mittels Telefon- oder Kreditkarte zu bedienen ist. Das bargeldlose Bezahlsystem soll das Telefon weitestgehend vor Vandalismus schützen. Komplett überflüssig sind öffentliche Telefone nach Ansicht von Henn aber nicht: "Insbesondere an Bahnhöfen oder Flughäfen machen öffentliche Telefonzellen immer noch Sinn."

Die erste deutsche Telefonzelle wurde am 12. Januar 1881 in Berlin in Betrieb genommen. Damals hießen die gelben Fernsprecher noch "Fernsprechkiosk" und wurden mittels Telefonbilletts, die einige Minuten Sprechzeit gewährleisteten, betrieben. Erst ab 1899 erfolgte die Münzannahme mechanisch. Von 1908 an wurde das "Fräulein vom Amt", das bis dahin für die Handvermittlung verantwortlich war, arbeitslos. Von einer nahezu flächendeckenden Verbreitung könne man ab dem frühen 20. Jahrhundert sprechen, sagt Nägele. "Wobei öffentliche Münzsprecher vor allem in Großstädten das Stadtbild prägten." (dpa/tc)

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