E-Commerce-Marktplatz verschiebt Systemumstellung

Rakuten-Händler warten auf den Befreiungsschlag



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".

Interview mit Rakuten.de-Chef Christian Macht: "Die Händler haben Verständnis für uns"

Die internationale Rakuten-Oberfläche RMSg wird in Deutschland später eingeführt als ursprünglich in Aussicht gestellt - eine weitere Enttäuschung für die Händler?

Christian Macht: Unser oberstes Ziel war immer: Ein gutes Produkt zu bieten, selbst wenn es länger dauert. Hätten wir den Händlern gern schneller ein Angebot gemacht? Ganz klar: ja! Bei RMSg handelt es sich aber nicht nur um ein neues Backend oder Frontend, sondern um ein komplett neues System mit neuen Funktionen und der Anbindung an andere europäische Marktplätze. Das ist komplex, und ich habe die Händler um Verständnis gebeten, dass es länger dauert. Mein Eindruck ist: Es gibt dieses Verständnis.

Welche Vorteile wird die internationale Rakuten-Plattform den deutschen Händlern bieten?

Macht: Das wichtigste ist: Händler können mit RMSg international verkaufen, indem sie in ihrem Backend ganz einfach auswählen, auf welche Marktplätze sie wollen. Eine Rakuten-Händlerumfrage hat ergeben, dass über 70 Prozent sich diese Möglichkeit wünschen - und jetzt setzen wir das um. Durch die neue Storefront hatten wir bereits 2013 begonnen, die Händler und die Rolle der Superpunkte zu stärken, wovon auch die Kunden profitieren.

Christian Macht ist nicht nur Geschäftsführer von Rakuten.de, sondern auch Chief Strategy Officer für das E-Commerce-Unternehmen in Europa
Christian Macht ist nicht nur Geschäftsführer von Rakuten.de, sondern auch Chief Strategy Officer für das E-Commerce-Unternehmen in Europa

Bereits bei der diesjährigen "Rakuten Expo" hatten Sie unter dem Motto "Beyond" den grenzüberschreitenden Handel in den Fokus genommen. Hängt das nicht mit der neuen Plattform zusammen?

Macht: Deutsche Händler können in viele europäische Länder versenden, allerdings ist auch richtig: Sie können bisher ihre Produkte neben dem deutschen nur auf dem österreichischen Marktplatz und über eine Middleware auf dem französischen listen. Das ändert sich mit RMSg: Das System macht den grenzüberschreitenden Handel weniger komplex und bietet ein einziges globales Kundenkonto, nicht nur für die verschiedenen Marktplätze, sondern auch für unsere anderen Services wie etwa Wuaki.tv oder Kobo.

Mit den zugekauften Diensten könnte Rakuten ein Ökosystem wie Amazon auf die Beine stellen. Doch leider geht die Integration der Services nur sehr schleppend voran...

Macht: Mir kann die Verknüpfung der verschiedenen Rakuten-Services in einem Ökosystem gar nicht schnell genug gehen. Speziell für Europa haben wir ein eigenes Expertenteam zusammengestellt, das sich genau darum kümmert. Bereits jetzt kann man mit einem Kundenkonto Wuaki, Kobo oder auch den deutschen Marktplatz nutzen. Es stehen aber noch andere Services in den Startlöchern, Endkunden- wie Händlerseitig, die auch Amazon nicht bietet. D.h. das Potential ist tatsächlich groß und wir möchten es natürlich schnellstmöglich nutzen.

Wie erfolgreich verlief aus Ihrer Sicht die angekündigte Trennung von "schwarzen Schafen" auf Rakuten.de?

Macht: Das betraf nur einen sehr, sehr kleinen Teil unserer 7000 Händler, aber ja: Hier waren wir konsequent und werden es auch weiterhin sein. Wir unterstützen unsere Händler, wo wir können - aber wenn jemand wiederholt und objektiv nachvollziehbare, schlechte Bewertungen bekommt, müssen wir im Sinne alle anderen Marktteilnehmer etwas unternehmen. Das zeigt Wirkung, beispielsweise bei verbesserter Liefertreue und verringerter Retourenquote.

Wie sieht es mit der Umsetzung der in Aussicht gestellten verstärkten Marketing-Anstrengungen aus?

Macht: In Spanien und Österreich haben wir in den vergangenen Jahren erfolgreiche TV-Kampagnen gefahren, und deren Ergebnisse sind eine gute Grundlage für Deutschland. Allerdings halten wir es nicht für sinnvoll, vor dem Wechsel auf die neue Plattform RMSg neue, große Initiativen in dem Bereich zu starten.

Erst die neue Plattform, dann mehr Werbung, so lautet die Prioritätensetzung bei Rakuten.de
Erst die neue Plattform, dann mehr Werbung, so lautet die Prioritätensetzung bei Rakuten.de
Foto: Rakuten

Rakuten setzt gerne auf Nischen-Händler mit individuellem Profil. Mit Butlers hatten Sie aber zuletzt einen großen Mainstream-Händler als Neuzugang. Verwischt dadurch nicht die Positionierung Ihres Marktplatzes?

Macht: Wir sind überzeugt, dass Kunden im Internet nicht nur den puren Preisvergleich suchen, sondern offen für Neues, Interessantes und Spannendes sind. Natürlich sorgt einerseits unser breites Sortiment dafür, dass Kunden zu uns kommen - denn das macht schließlich einen Marktplatz aus; andererseits sind es gerade die "besonderen" Händler, die Kunden überzeugen, zu bleiben und wiederzukehren.

Welche Rolle spielt eigentlich der Elektronikbereich auf Rakuten.de?

Macht: Elektronik ist auch bei uns wie generell im E-Commerce eine starke Kategorie, und natürlich nutzen wir sie bei Sales-Aktionen, um Kunden auf unseren Marktplatz aufmerksam zu machen. Es gibt aber Kategorien, die bei uns noch stärker sind und auf die wir viel Wert legen, etwa "Möbel, Wohnen & Lifestyle", "Haus & Garten" oder auch "Beauty & Wellness". (mh)

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