Widerstandskraft stärken

Resilient werden - und Stress einfach weglächeln

12.08.2016
Im Urlaub können Kraftreserven für den Alltag neu aufgetankt werden. Wie aber funktioniert das genau? Und können wir das lernen? Diese Fragen erforscht das Deutsche Resilienz-Zentrum in Mainz.

Dauernder Stress macht krank - es gibt aber auch Leute, denen macht das gar nichts aus. Was ist die neurobiologische Grundlage dafür? Diese Frage lässt den Resilienzforscher Beat Lutz nicht mehr los. Gemeinsam mit Forschern unterschiedlicher Disziplinen gründete er vor zwei Jahren das Deutsche Resilienz-Zentrum (DRZ) in Mainz. Es ist den Angaben zufolge das einzige Forschungszentrum in Deutschland zur seelischen Widerstandskraft gegen Stress.

Dauernder Stress macht krank. Am Resilienz-Zentrum in Mainz beschäftigt man sich daher mit den Fragen, wie das Gedächtnis funktioniert und wie der Körper Stress verarbeitet.
Dauernder Stress macht krank. Am Resilienz-Zentrum in Mainz beschäftigt man sich daher mit den Fragen, wie das Gedächtnis funktioniert und wie der Körper Stress verarbeitet.
Foto: konradbak - Fotolia.com

Positiv zu denken ist nach Einschätzung des Wissenschaftlers wahrscheinlich einer der Faktoren, der verhindert, dass Menschen bei Stress vulnerabel, also verletzlich reagieren. So lautet der Gegenbegriff zu resilient, wo psychische und neurologische Schutzmechanismen gegen Stress aktiv werden.

Den entsprechenden Abläufen im Gehirn widmet sich der 55-jährige Biochemiker schon seit Jahren. Etwa der Frage, wie das Gedächtnis funktioniert und wie der Körper Stress verarbeitet. Etliche Faktoren zur Förderung von Resilienz wurden bereits identifiziert, zum Beispiel Charaktereigenschaften, kognitive Fähigkeiten oder auch soziale Unterstützung. "Wir wollen ein Framework entwickeln, welches nicht eine Liste von Resilienzfaktoren beschreibt, sondern ein System in die Forschung bringt, in dem generell wirksame Resilienzmechanismen beschrieben werden sollen", erklärt Lutz.

Der Direktor des Instituts für Physiologische Chemie an der Universitätsmedizin Mainz forscht seit etwa 15 Jahren über Endocannabinoide: Das sind körpereigene Botenstoffe, die ähnlich wie Haschisch wirken und im Gehirn Schutzmechanismen aktivieren können - etwa indem sie Reaktionen dämpfen und so eine Balance zwischen unterschiedlichen Erregungszuständen herbeiführen. Sie können auf diese Weise auch ein Faktor für die Resilienz sein.

Das Resilienz-Zentrum ist bislang ein Verbund von Forschern verschiedener Disziplinen. Im Mai billigte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen neuen Sonderforschungsbereich zur Resilienz-Forschung mit Fördermitteln von 12,1 Millionen Euro für vier Jahre. Schon im Titel des Programms unter Federführung von Professor Lutz wird die Aufgabe genannt: "vom Verstehen der Mechanismen zum Fördern der Prävention". Neben den Mainzer Forschern wirken auch Wissenschaftler der Frankfurter Goethe-Universität und des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung mit.

"Prävention statt Therapie ist unser Anliegen", sagt Lutz. "Wir wollen Probleme erkennen, bevor sie zum Ausbruch kommen." Angesichts der hohen Kosten von stressbedingten Erkrankungen wie Burnout-Syndrom, Angstzuständen und Depressionen wäre es volkswirtschaftlich sinnvoll, rechtzeitig vorzubeugen. "Resilienz ist nicht in die Wiege gelegt", sagt Lutz. "Das ist ein dynamischer Prozess, das kann man lernen."

Methodisch nähern sich die Forscher dem Geheimnis der Resilienz auf verschiedenen Wegen. In einer jetzt beginnenden Langzeitstudie werden rund 1200 Menschen über mindestens vier Jahre hinweg begleitet, um ihre Stresserfahrungen im realen Leben zu erfassen und zusammen mit psychologischen und neurologischen Faktoren zu analysieren.

Auch Tierversuche gehören zum Instrumentarium der Forscher - etwa mit einem Zebrafisch, der simulierten Vogelangriffen ausgesetzt wird, oder einer Maus, die mit Attacken eines stärkeren Artgenossen gestresst wird. Dabei kann untersucht werden, ob einzelne Gene, neuronale Netzwerke oder bestimmte Neurotransmittersysteme als Überträger von Informationen Resilienz unterstützen.

Die Erforschung von Resilienz wird im neuen Schuljahr auch Thema für zwei Gymnasien in Bad Dürkheim und Nieder-Olm sein. Die Schülerinnen und Schüler könnten so mit wissenschaftlichem Arbeiten vertraut werden, erklärt Sandra Volz, Lehrerin am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Bad Dürkheim. Die eigene Resilienz zu stärken, sei kein erklärtes Ziel des Projekts. "Sehr wohl kann aber ein Einblick in diese Thematik zu einer Beschäftigung mit der eigenen Person führen und den Blick für die eigenen Stärken schärfen."

Im Arbeitsleben muss sich Resilienz etwa bewähren, "wenn ein Chef die Untergebenen sehr traktiert und großen Stress macht", erklärt Wissenschaftler Lutz. "Dann haben wir dieselbe Situation wie bei den Mäusen - es ist klar, dass man dann einen solchen Chef meidet und nichts mit ihm zu tun haben will." (dpa/ib)

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