SAP noch stärker Service-orientiert

06.06.2006
Mehr als 8.000 Kunden, Partner und Mitarbeiter von SAP waren nach Paris gereist, um der diesjährigen europäischen SAPphire beizuwohnen.

Von Dr. Ronald Wiltscheck

"Unsere ESA-Ziele (Enterprise Service Architektur) werden wir erfüllen." Mit diesen Worten hat SAP-Chef Henning Kagermann die Teilnehmer den SAPphire in der französischen Hauptstadt begrüßt. In der Tat, das Service-orientierte Produkt "mySAP ERP 2005" ist ab sofort lieferbar, Ende dieses Jahres soll die gesamte Business-Process-Plattform zur Verfügung stehen. Über 300 Kunden und mehr als 400 Softwarehäuser (ISVs) haben sich bereits für SAPs "Netweaver"-Architektur, die diese Services liefern soll, begeistern können.

"Muse" nicht für Business One

SAPs Technikchef Shai Agassi hat auch ein wenig Licht in das bereits vor zwei Wochen in Orlando/USA angekündigte Projekt "Muse" gebracht. Dabei handelt es sich um eine neue Benutzeroberfläche für Anwender, die hauptsächlich mit einer der SAP-Applikationen "mySAP ERP 2005" oder "All-in-One" arbeiten und dafür einen "Rich Client" unter Windows, Mac OS oder Linux verwenden. Die neue Bedienoberfläche gilt als Alternative zum bestehenden SAP-Desktop und läuft auch am Tablet-PC, wie Agassi demonstrierte.

Für die Mittestandslösung "Business One" ist Muse vorerst nicht vorgesehen. Das könnte sich aber ändern, wenn auch diese vorgefertigte Lösung komplett serviceorientiert gemacht wird. Allerdings steht der Zeitrahmen dafür noch nicht fest. Von Muse aus können sowohl SAP-eigene Applikationen als auch Service-orientierte Komponenten der SAP-Partner gestartet werden. Das Ganze muss natürlich auf der SAP-eigenen Plattform "Netweaver" basieren, mit der sich derartige Zusatzkomponenten entwickeln lassen.

Daneben gewinnt das Projekt "Duet" an Fahrt. Hier kann man von Microsoft-Office-Anwendungen aus direkt ins SAP-Back-Office zugreifen. Laut SAP-Chef Kagermann sollen dies die "Information Worker" tun. Der CEO selbst bevorzugt eigener Aussage nach die Portaloberfläche. Zwar konnte SAP noch keine Lizenzpreise für Duet benennen, dennoch sickerte auf der Sapphire durch, dass Duet etwa 100 Euro pro User kosten könnte. Im Mittelstand tut sich SAP nach wie vor schwer. Zwar berichten SAP-Partner von guten Erfahrungen mit SAPs neuem Mittelstands-Partnerprogramm "PartnerEdge", und eine Hand voll von ihnen hat bereits die von SAP neu aufgestellten Forderungen erfüllt, doch an ihrer absoluten Zahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren nicht viel geändert. So ragen zwar Systemhäuser wie Kirbis, All for One oder Itelligence aus der Masse der All-in-One- und Business-One-Vertriebspartner heraus, doch dahinter wird die Luft schon dünn.

Insgesamt gibt es genau 98 deutsche Business-One- und 164 All-in-One-Partner. Von ihnen erwartet nun SAPs Mittelstandsorganisation, dass sie sich noch bis Ende 2006 für das neue Partnerprogramm qualifizieren.

Mittelstandsgeschäft bleibt schwierig

Jürgen Kleinsteuber, seines Zeichens Chef der Partner-Management-Gruppe innerhalb der Mittelstandsorganisation bei SAP, ist dennoch zufrieden: "Umsätze mit Mittelstandskunden betreffend haben wir unser Budget im vergangenen Quartal übertroffen." Dennoch, im Vergleich zu Branchengrößen wie Sage oder Microsoft ist SAPs Kundenbasis in Deutschland noch nicht so groß. Derzeit setzen hier zu Lande genau 1.196 Firmen die Business-One-Lösung ein, und exakt 2.649 Unternehmen in Deutschland werden von SAP als All-in-One-Anwender geführt.

600 von ihnen hat eigener Aussage zufolge allein das SAP-Systemhaus Steeb gewonnen. Dessen Sprecher Manfred Haner teilt die Auffassung einiger Analysten, dass im Mittelstandssegment ab 100 Mitarbeiter aufwärts SAP-Lösungen gut verbreitet sind. Erst darunter kommen Wettbewerber wie Sage oder Microsoft besser zum Zuge. Dem stimmte auch SAPs Deutschland-Chef Michael Kleinemeier in Paris zu: "Je tiefer wir gehen, desto geringer ist unsere Marktabdeckung". Über den Verlauf der diesjährigen CeBIT hat sich aber nicht nur Kleinsteuber gefreut, sondern auch sein Chef und gleichzeitig Kopf der SAP-Mittelstandsorganisation, Andreas Naunin: "Das war zu zwei Dritteln eine Mittelstandsveranstaltung." Dabei betont Naunin die Tatsache, dass er sich bis auf einen Tag auf der CeBIT ständig auf der SAP-Bühne dem Publikum präsentiert und den Kontakt zu potenziellen Kunden und Partnern gesucht habe.

Kleinsteuber war es besonders wichtig zu erwähnen, dass man die auf der CeBIT gewonnenen Leads unmittelbar an die Partner weitergereicht hatte. "Zeigte ein Kunde an einer unserer Mittelstandslösungen Interesse, haben wir ihn sofort zu einem der an unserem Stand anwesenden Partner geführt." Dabei oblag es SAP, den Partner mit dem besten Branchen-Know-how auszuwählen: "Wir qualifizieren die Interessenten vor", betont Kleinsteuber.

Mit der CeBIT "sehr zufrieden"

So ist es beispielsweise SAP gelungen, einen Interessenten, der eigentlich zum Microsoft-Stand unterwegs war, auf der CeBIT abzufangen und ihn für die eigene Mittelstandslösung All-in-One zu begeistern. Das dazugehörige Projekt hat ein SAP-Partner gerade abgeschlossen. Bei dem Kunden handelt es sich um einen Ebay-Powerseller; insgesamt gab dieser für Hard- und Software samt dazu gehörender Dienstleistungen etwa 50.000 Euro aus. Sowohl für Naunin als auch für Kleinsteuber ist es wichtig, dass die Account Executives bei SAP, die bisher die Endkunden direkt betreuen, in diesen Prozess mit eingebunden werden. Das dabei zum Zuge kommende Kompensationsmodell - der SAP-Vertriebsmitarbeiter erhält die gleiche Prämie, egal ob er den Deal selbst oder über einen Partner macht - hilft, Channel-Konflikte zu mindern. Dabei wird SAP nach eigenen Angaben die Direktvertriebsmannschaft nicht mehr ausbauen, Neueinstellungen sind lediglich in der Partnerbetreuungsgruppe vorgesehen.

Diese Anstrengungen genügen SAP aber nicht, um die angepeilten Marktanteile im Mittelstand zu erreichen. "Wir müssen unsere Marketingausgaben erhöhen", betonte Kleinemeier auf der SAPphire. Dabei will der Hersteller nicht all zu viele Partner neu hinzugewinnen: "Wir wollen ihre Anzahl begrenzt halten, unsere Software soll nicht an der Tankstelle verkauft werden", so Kleinemeier. Statt dessen will er telefonische Akquise im Mittelstand betreiben.

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