Neue Branchenkomplettpakete von SAP

SAP-Partner entwickeln mit

15.10.2007
Von Manuel Okroy
Fünf neue SAP-Branchenlösungen für den kleineren Mittelstand bieten nicht nur einen günstigen Komplettpreis und schnelle Einführungszeiten, sondern definieren auch die Kooperation der Walldorfer mit ihren Partnern neu. Wie, das beschreibt Manuel Okroy.

SAP-Branchenlösungen für den Mittelstand funktionierten bislang nach einem gut eingespielten, aber recht aufwendigen Muster: Auf Basis der ERP-Anwendung "SAP All-in-One" haben Partnerfirmen bislang über 600 vertikale Lösungen entwickelt und diese auch selbst vermarktet. Mehr als 10.000 Kunden weltweit nutzen diese Angebote. Sie profitieren von vielfältigen Funktionen, individuellen Justierungen und damit von einer individuellen Lösung. Eine feste Wartungsoption bis 2013 schafft zusätzliche Planungssicherheit. Gut, bewährt, nicht ganz billig so stellen sich die Angebote bislang dar.

Diese etablierten Angebote adressieren besonders größere mittelständische Unternehmen mit über 100 oder 150 Mitarbeitern, die den Anspruch haben, eine bis ins kleinste Detail individuell angepasste Lösung zu erhalten; und die bereit sind, die entsprechenden Kosten dafür zu tragen. "Allerdings konnten wir mit dem bestehenden Angebot kleinere Unternehmen nicht immer bedienen", konstatiert Dr. Andreas Pauls, Vertriebsleiter des SAP-Partners Itelligence AG. "Wir entwickeln seit 1995 Branchenlösungen auf Basis von SAP-Software, hatten dabei jedoch kleinere Unternehmen mit etwa 50 Mitarbeitern nicht im Fokus." Doch im August 2007 kam Bewegung in die Sache. Zu diesem Zeitpunkt brachte SAP fünf neue Branchenkomplettlösungen auf den Markt.

Attraktive Lösungen fürkleinere Unternehmen

Auch diese basieren auf "All-in-One", sind jedoch weitgehend vorkonfiguriert und damit quasi Out-of-the-Box implementierbar. Diese Branchenlösungen unter anderem für Komponentenfertiger, Automobilzulieferer und Kleinserienfertiger bieten trotzdem alle betriebswirtschaftlich notwendigen Funktionen, von der Entwicklung über Beschaffung, Produktion, Vertrieb, Versand bis hin zu Service, Rechnungswesen und Geschäftsanalysen. Branchenspezifisch angepasste Prozesse etwa für Auftragsabwicklung, Materialwirtschaft, Produktion und Logistik ergänzen die Standardfunktionen. Diese Vorkonfiguration drückt die Kosten und macht die Lösungen für kleinere Unternehmen attraktiv: SAP kalkuliert einen Preis von rund 90.000 Euro für zehn Lizenzen inklusive der kompletten Implementierung, die in 60 bis 70 Manntagen erledigt werden soll.

"Das Marktpotenzial für ERP-Software gerade in Unternehmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern ist riesig", erklärt Andreas Naunin, Leiter des Geschäftsbereichs Mittelstand bei SAP Deutschland, die Motivation, das All-in-One-Angebot zu erweitern. "Hier besteht hoher Bedarf nach umfassenden, branchenspezifischen und standardisierten Lösungen, die kostengünstig und schnell einzuführen sind. Erweiterbarkeit und Flexibilität dürfen dabei nicht verloren gehen, damit die Software geänderte Anforderungen jederzeit umsetzen kann."

Vorkonfigurierte Standardprozesse, von SAP gemeinsam mit Partnern und vielen Kunden als "Best Practice" einer Branche vordefiniert, sind der Clou der neuen Lösungen. Der Softwarehersteller ist sicher, dass der Markt nach diesen standardisierten Angeboten verlangt, denn der untere Mittelstand sei heute immer noch weitgehend von heterogenen Systemlandschaften mit individuell entwickelten Anwendungen geprägt, die nicht sinnvoll weiterentwickelt und vor allem nicht integriert werden können. Der "Normalfall" sei also weit weg von dem heute Machbaren und eine standardisierte Best-Practice-Lösung mithin ein echter Meilenstein, so SAP.

"Mit diesem Angebot erhält der Kunde hingegen ein Paket für Logistik, Finanzen und Controlling", ist sich Naunin sicher. Dabei gehen diese Lösungen auch auf die spezifischen Anforderungen bestimmter Branchen ein. "Automotive-Firmen liefern wir etwa Funktionen für den behälterorientierten Materialfluss, Lieferplanabwicklung für den Vertrieb oder Leihgutabwicklung. Damit sind wir nun auch in dem Segment unterer Mittelstand absolut wettbewerbsfähig, so Naunin weiter. "Selbst wenn unsere Kunden zusätzliche Prozesse wollen, müssen sie mit maximal 10 bis 20 Prozent Mehrkosten rechnen. Das ist konkurrenzlos", meint SAPs Mittelstandschef. An Hardwarebasis empfiehlt der Standardsoftware-Anbieter zwei Standardserver ein Test- und ein Produktivsystem die heute zusammen für etwa 12.000 Euro erhältlich sind.

Positive Reaktionen auf neues Partnerkonzept

Bei Entwicklung und Vermarktung dieser fünf neuen Branchenkomplettlösungen setzt SAP auf ein neues Modell der Zusammenarbeit mit Partnern. Waren jene bisher für Branchenfunktionen innerhalb des ERP-Mittelstandssystems zuständig, sind die neuen Komplettlösungen reine SAP-Produkte bei denen Partner freilich kräftig mitentwickelt haben. "Für die Entwicklung wurden die Branchenkompetenzen von SAP mit denen der Partner kombiniert", erläutert Reinhard Hafner, Leiter Marktentwicklung bei AI Informatics, das Konzept. "Wir und andere Softwarehäuser waren an der Entwicklung maßgeblich beteiligt und haben gerade dadurch die vertikale Funktionsabdeckung sichergestellt." Die neuen Pakete sind weitgehend vorkonfiguriert, allerdings vermarkten jetzt alle Partner das gleiche Produkt. Die Differenzierung muss also an anderer Stelle erfolgen. "Wir setzen auf unser Prozess-Know-how in den einzelnen Branchen, die organisatorische Kompetenz bei der Lösungseinführung sowie auf unsere Komplettservices, vom Rechenzentrumsbetrieb bis hin zur Einrichtung und Pflege von Netzwerkinfrastruktur", meint Hafner von AI Informatics.

Auch Andreas Pauls von Itelligence sieht die Notwendigkeit zur Differenzierung, ist aber vom neuen Partnerkonzept der Walldorfer überzeugt. "Mit dem neuen Ansatz hat sich SAP Partnern gegenüber noch mehr geöffnet. Wir waren anfangs skeptisch, denn alle Partner bieten nun ähnliche Pakete. Jetzt kommt es für uns darauf an, die Vorteile des neuen Konzepts unseren Kunden zu erläutern. Die ersten Reaktionen sind absolut positiv. Wir sehen hier ein großes Potenzial und erwarten für dieses Jahr noch signifikante Abschlüsse. Und klar, wir profitieren von unserer Branchenkompetenz. Denn selbst wenn ein Kunde sehr spezielle Funktionen benötigt, können wir sie schnell liefern", so der Itelligence-Vertriebsleiter.

Derzeit vermarktet SAP die neuen Angebote mit folgenden Partnern: All for One, AI Informatics, C1, Cogimo, Cubis, IBM, Itelligence, ITML, J&M Management Consulting AG, Kirbis, OSC, PlanOrg, Steeb, Sycor und Teufel. Dabei soll es jedoch nicht bleiben. Die bislang geringe Marktdurchdringung im Segment unterer Mittelstand biete gewaltige Chancen und vermeide Konkurrenzsituationen unter den Partnern, so SAP. Daher will der Hersteller weitere Partner an Bord holen. Diese müssen nicht unbedingt über allertiefste SAP-Kenntnisse verfügen, da die stärker voreingestellten Prozesse weniger Implementierungskompetenz verlangen als individuell angepasste Lösungen. Allerdings müssen die von SAP neu akquirierten Partner das Konzept und die integrierten Prozesse plastisch darstellen können. Dabei unterstützt sie SAP mit Vertriebstrainings und technischen Lehrgängen. "Das neue Konzept bietet große Chancen, aber auch Herausforderungen für die Partner", erklärt Andreas Naunin. "So müssen die Verkaufszyklen kürzer werden. Wir geben unseren Partnern Werkzeuge an die Hand, die sie für eine schnelle Kundendemo mit deren eigenen Daten nutzen können."

Die Herausforderungen kann der Vertriebsexperte von AI Informatics nur bestätigen: "Für ein Produkt mit relativ geringem Beratungs- und Implementierungsaufwand muss der Vertrieb effizienter ablaufen", erklärt Hafner. "Wir haben hiefür ein eigenes Team aufgestellt. Das lohnt sich für uns allemal, denn das Wachstumspotenzial ist äußerst hoch." Pauls ergänzt: "Für die neuen Komplettpakete bedarf es spezifischer Kompetenzen vor allem hinsichtlich der Beratung. Nur so lassen sich die Vorzüge des Konzepts dem Kunden gegenüber überzeugend darstellen. Denn die Anwender profitieren von diesen standardisierten ERP-Systemen: Sie erhalten in kürzester Zeit eine komplette Lösung, die trotzdem Raum für Feinheiten und Erweiterungen lässt. Dafür müssen sie sich aber von dem klassischen Pflichtenheft-Ansatz verabschieden. Alle für sie wichtigen Prozesse sind bereits in dem ERP-System abgelegt, die Implementierung der Software ist dann fast schon mehr eine Art Schulung, denn Detailanpassung.

Eigenes Vertriebsteam für die neuen SAP-Lösungen: Reinhard Hafner, Leiter Marktentwicklung bei AI Informatics.
Eigenes Vertriebsteam für die neuen SAP-Lösungen: Reinhard Hafner, Leiter Marktentwicklung bei AI Informatics.

Bleibt die Frage nach der Positionierung der SAP-Angebote im Wettbewerbsumfeld. Die Partner lassen da keine Zweifel aufkommen: Sowohl die Software aus Redmond als auch die ERP-Systeme aus Newcastle (Sage) haben ihre Schwächen vor allem beim Abdecken von Branchenfunktionen. Der Implementierungsaufwand sei höher, die Skalierbarkeit aber geringer als bei den neuen SAP-Lösungen. Das Preisgefüge von SAP schließlich sei auch bei Kampfangeboten der Wettbewerber konkurrenzfähig, da sind sich die Partner sicher: "Bei geringen Preisunterschieden entscheidet sich der Mittelstand für die bessere Qualität", berichtet Pauls von Itelligence.

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