Ungewohntes Terrain für Verkäufer

Setzen Sie Testbesucher auf der Messe ein

Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilBerater.
Selbst für erfahrene B2B-Verkäufer sind Messen ein ungewohntes Terrain. Denn dort müssen sie unter anderem Personen kontaktieren, die sie nicht kennen. Das verunsichert sie. Helfen können hier „Testbesucher“, die den Standmitarbeitern ein Feedback über ihr Verhalten geben.
Sogenannte Mystery-Fair-Visitor können Schwachstellen bei Standmitarbeitern auf Messen aufdecken.
Sogenannte Mystery-Fair-Visitor können Schwachstellen bei Standmitarbeitern auf Messen aufdecken.
Foto: r.classen - shutterstock.com

"Auf Messen genügt es nicht, unsere Produkte auf den Stand zu stellen und darauf zu warten, ob sich jemand hierfür interessiert", sagt Jan Zirke, Verkaufsleiter bei einem Hersteller von Autozubehör*. "Unsere Standmitarbeiter müssen aktiv den Kontakt zu den Besuchern suchen und ihnen die Vorzüge unserer Produkte aufzeigen. Sonst rechnet sich der Messeauftritt nicht. Schließlich kostet er unser Unternehmen einen sechsstelligen Betrag."

Deshalb schulte der Arbeitgeber von Zirke 2016 vor Beginn der jüngsten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), Frankfurt, zwei Tage seine Standmitarbeiter. Trotzdem war das Unternehmen unsicher, inwieweit seine Mitarbeiter das Gelernte im Messealltag umsetzen können. Deshalb entschied es, das Verhalten der Standmitarbeiter auf der IAA von einem "unbeteiligten Dritten" checken zu lassen - "um anhand der Erkenntnisse auch das Trainingskonzept für unser Standpersonal zu überarbeiten", erläutert Zirke.

Verschiedene Kundentypen mimen

Mit dem Durchführen der Checks beauftragte Zirke das Trainings- und Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner (PS&P), Ilsfeld, das zuvor bereits die Messetrainings durchgeführt. Dieses ermittelt für Unternehmen auch, ob deren Mitarbeiter das gewünschte Verkäuferverhalten zeigen - zum Beispiel auf Messen. Hierfür setzt es sogenannte Mystery-Fair-Visitor ein - also Testkunden, die auf Messen den Stand des betreffenden Unternehmens aufsuchen. "Nach Absprache mit unserem Auftraggeber mimen sie dort bestimmte Kundentypen und beobachten sowie beurteilen das Auftreten und Verhalten des Stand- oder Verkaufspersonals", erläutert Harald Klein, Verkaufstrainer und Vertriebsberater bei Peter Schreiber & Partner (PS&P).

Klein und der Hersteller von Autozubehör vereinbarten, dass während der IAA täglich vier Mystery-Fair-Visitor mehrfach den Stand des Unternehmens besuchen sollten. Dabei sollten jeweils zwei PS&P-Mitarbeiter Einkäufer einer Handelskette oder eines Autoherstellers mimen, die beiden anderen sollten sich als Fachbesucher ohne Kaufautorisation ausgeben. Diese Rollenteilung wurde gewählt, "weil sich die Standbesucher in zwei Gruppen einteilen lassen", erklärt Klein: Zum einen in die "fachlichen Experten". Sie interessieren sich primär für die technische Lösung, können aber alleine keine Kaufentscheidung treffen. Zum anderen die Geschäftsführer und Einkäufer von Unternehmen oder ähnliche Entscheider. "Sie interessieren sich vorwiegend für den Nutzen der Produkte und deren Preis-Leistungs-Verhältnis." Zu welcher Gruppe ein Standbesucher zählt, das müssen die Standmitarbeiter ermitteln. Hierfür ist laut Zirke eine bestimmte Fragetechnik und eine gewisse Systematik im Gesprächsaufbau nötig - "auch weil Messegespräche nicht endlos dauern sollten. Schließlich sollen die Standmitarbeiter möglichst viele qualifizierte Gespräche führen."

Schwachstelle Bedarfsermittlung

Inwieweit eine solche Systematik vorhanden ist, ermittelten die Mystery-Fair-Visitor bei ihren Besuchen des IAA-Stands. Dabei zeigte sich: Viele Standmitarbeiter präsentieren den Besuchern unmittelbar nach deren Begrüßung die Produkte des Unternehmens. Vor allem, wenn Hochbetrieb herrscht, vergessen sie zuvor zu ermitteln:

  1. Welche Funktion hat mein Gesprächspartner in seinem Unternehmen?

  2. Welchen Einfluss hat er auf die Kaufentscheidung?

  3. Welchen Bedarf hat sein Unternehmen - wann?

  4. Wie weit ist die Kaufentscheidung fortgeschritten?

  5. Mit welchen Mitbewerbern hat der Gesprächspartner Kontakt?

  6. Was gefällt ihm (nicht) an deren Angeboten?

Die Mystery-Fair-Visitor analysierten auch, ob die Standmitarbeiter die Produkte so präsentieren, dass für die Besucher deren Vorzüge für ihr Unternehmen deutlich werden. "Keine einfache Aufgabe", be-tont Klein, "denn dazu müssen die Standmitarbeiter aus den Kundeninformationen zunächst ableiten, welche Nutzenerwartung der Kunde hat und welche Leistungsmerkmale für ihn folglich wichtig sind." Vielen Standmitarbeitern fiel dies schwer - auch weil sie kaum Infomaterial zur Hand hatten, um den Besuchern die Vorzüge bestimmter technischer Lösungen bildhaft vor Augen zu führen. Für Verkaufs-leiter Zirke eine wichtige Information, zeigt sie ihm doch: "Hierauf müssen wir beim Vorbereiten von Messen stärker achten."

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