Bringdienst und Spielplatz

Shopping-Center stellen sich neu auf

15.12.2014
Mit einer Handy-App die Jeans im Einkaufszentrum vorbestellen? Und vor Ort erstmal eine Runde Schlittschuh laufen? Um Kunden anzuziehen, stellen sich Shopping-Center derzeit neu auf. Der Markt wird enger.

Wer im Palais Vest in Recklinghausen bummeln geht, kann nebenbei kostenlos im Internet surfen, sein Elektroauto laden und mit seinen Kindern auf einen Spielplatz gehen. Das Stuttgarter Shopping-Center Milaneo liefert Einkäufe noch am selben Tag zu den Kunden nach Hause. Allein stehen die Einkaufszentren damit nicht: Um Besucher anzuziehen, stellen sie sich derzeit neu auf – und drängen dabei auch von der grünen Wiese in die Innenstädte.
(Lesen Sie auch: "Die Gründe für den Niedergang der Warenhäuser")

Mehr Aufmerksamkeit gewünscht: Im Kampf um die Kunden verabschieden sich die Betreiber von Einkaufszentren vom Einheitsbrei.
Mehr Aufmerksamkeit gewünscht: Im Kampf um die Kunden verabschieden sich die Betreiber von Einkaufszentren vom Einheitsbrei.
Foto:

"Center müssen mehr tun, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen", sagt Branchenkenner Marco Atzberger vom EHI Retail Institute. "Der Markt wird enger, geeignete Lagen werden weniger, da ist Kreativität gefragt." Einkaufszentren seien kein Selbstläufer mehr, da die Dichte inzwischen sehr hoch sei. Bis Anfang des Jahres zählte das EHI 460 große Center mit einer Gesamtfläche von 14,4 Millionen Quadratmetern. Umsatzzahlen liegen nicht vor.

Umgesteuert hat etwa der Betreiber MFI, der auch hinter dem Palais Vest steht. Das Center hieß zuvor Recklinghausen Arcaden – und trug damit denselben Beinamen wie viele andere MFI-Shopping-Center, die zumeist als Arcaden in den Städten zu finden sind. Im Kampf um die Kunden verabschiedet sich der Betreiber nun vom Einheitsbrei.

Center müssen sich neu erfinden

"Wie wir festgestellt haben, wünschen sich unsere Besucher und auch Mieter mehr als attraktive Einkaufsmöglichkeiten", sagte MFI-Chef Karl Reinitzhuber jüngst der "Wirtschaftswoche". "Dazu gehört auch, dass ein Center ein individuelles Gesicht entwickelt." Aus den Mönchengladbach Arcaden wird derzeit etwa das Minto, das mit senkrechten Wiesen und Entspannungszonen die Sinne ansprechen soll.

"Es gibt einen erheblichen Revitalisierungsbedarf in der Branche", erläutert Handelsexperte Atzberger. "Center, die zehn Jahre oder älter sind, müssen sich neu erfinden und neue Relevanz zum Beispiel durch Umbauten oder Erweiterung bekommen." Entscheidend sei es, einen Mehrwert für die Kunden zu bieten.

So einfach ist das allerdings nicht: Unter den Top-Filialisten in neuen Centern waren im vergangenen Jahr der Drogeriemarkt dm, der Frisör Klier, die Modemarke Tom Tailor Denim sowie Apollo Optik und der Einrichtungsladen Das Depot.

Klingt nicht wirklich nach Individualität? "Diese Top-Mieter sind sehr expansiv und haben den Anspruch, überall vertreten zu sein", erklärt Atzberger. "Für das Shopping-Center-Management ist die Frage: Wie kann ich das noch veredeln?" Eine Möglichkeit seien einzelne Mieter mit ungewöhnlichen oder besonderen Angeboten.

Vorgemacht hat das jüngst die sogenannte Concept Mall Bikini Berlin. Dort setzt man stärker auf Marken, die hierzulande noch selten oder gar nicht in Einkaufszentren vertreten sind. Hinzu kommen sogenannte Pop-up-Stores, die auf Zeit gemietet werden können. Neben einer großen Fläche für Veranstaltungen gibt es unter anderem eine Dachterrasse, die im Winter in eine Eislaufbahn verwandelt wird.

Service, Gastronomie, Apps

"In Zukunft werden etwa der Serviceaspekt oder die Gastronomie noch wichtiger werden für den Erfolg eines Centers", erwartet Alexander Otto, Chef des Shopping-Center-Betreibers ECE, der unter anderem hinter dem Milaneo in Stuttgart, der Europapassage in Hamburg und MyZeil in Frankfurt steht. Die Geschäfte in den 196 von ECE betriebenen Centern machen einen Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro.

In Einkaufszentren in Hamburg und Essen testet ECE derzeit Apps, mit denen Besucher Waren von überall mit dem Handy bestellen und dann vor Ort abholen können. Bei der Standortsuche konzentriert man sich Otto zufolge auf innerstädtische Lagen.

Auch andere Betreiber zieht es verstärkt in die City: Von Centern, die zwischen 2010 und 2013 neu in die EHI-Statistik aufgenommen wurden, waren 75 Prozent innerstädtisch. "Die Entwicklung von Shopping-Centern in einer Innenstadt ist zwar deutlich komplexer, als vor den Toren der Stadt", sagt Otto. "Die Synergieeffekte mit den gewachsenen Einkaufsstraßen überwiegen im Betrieb aber deutlich."

Branchenkenner überrascht die Entwicklung nicht. "Letztlich folgen die Center den Konsumenten. Wir haben den großen Trend der Urbanisierung", sagt Handelsexperte Atzberger. "Dementsprechend sind die Innenstädte die Orte, wo auch der Handel hin möchte." (dpa/tö)

Zur Startseite