Studie von Oxford Economics

Sieben Stolperfallen auf dem Weg zum echten IT-Dienstleister

08.07.2015
Dipl.-Ing. Ralf Steck ist freier Fachjournalist für die Bereiche CAD/CAM, IT und Maschinenbau in Friedrichshafen.
Der Umbau eines Unternehmens weg von der Produktzentrierung und hin zu einer serviceorientierten Ausrichtung verspricht große Vorteile und Wachstumschancen, es finden sich jedoch auch Stolpersteine. Eine Studie von Oxford Economics hat die Chancen und Risiken der Transformation genauer herausgearbeitet.
 
  • Besitzen ist out, benutzen ist in
  • PTC-Oxford-Studie zu IoT und Service
  • Was ist das Service Continuum?
  • Wie Wartungsverträge die Kundenbindung stärken

Besitzen ist out, benutzen ist in - überall in unserem täglichen Leben finden sich Beispiele für den Schwenk weg vom Kauf eines Produktes, hin zur Nutzung und einer nutzenbasierten Zahlung. Car Sharing ist vielleicht das bekannteste Beispiel - der Nutzer kauft kein Auto mehr, sondern bezahlt für die Nutzung eines Fahrzeugs, das ihm der Dienstleister zur Verfügung stellt. Ähnliche Modelle finden sich in der Industrie und im Handwerk - Unternehmen zahlen für Kubikmeter Druckluft, sie müssen keinen Kompressor kaufen; sie zahlen eine Pauschale pro Loch in der Wand statt Bohrmaschinen zu erwerben.

Das Service Continuum, wie es die 2014 im Auftrag von PTC durchgeführte Oxford-Studie "Proving the Service Continuum: Quantifying the strategic and economic impact of global service transformation" beschreibt, besteht aus einem fünfstufigen Modell, das Unternehmen und Organisationen nach ihrem Fortschritt in Richtung einer serviceorientierten Organisation klassifiziert.

Von rein produktorientierten Unternehmen reicht die Spanne über solche, die ein Ersatzteilgeschäft aufgebaut haben und Firmen mit einem Kundendienst, der Wartungs- und Reparaturservices vor Ort anbietet, bis hin zu Firmen, die Wartungsverträge abschließen, und schließlich zu "Best-in-Class"-Unternehmen mit ergebnisorientierten Service-Modellen.

Löcher statt Bohrmaschinen verkaufen

Interessant sind die Verteilung der Unternehmen und deren Pläne für die Zukunft. Oxford Economics befragte dazu 370 Entscheider aus den verschiedensten Branchen und aus Unternehmen rund um die Welt. 70 Prozent dieser Unternehmen sehen sich heute in den ersten drei Stufen des Service Continuums, in den nächsten drei Jahren wollen jedoch 95 Prozent aller Unternehmen auf die Best-in-Class-Stufe kommen. Das bedeutet eine große Umwälzung, die sich nicht nur in der Nutzung neuer Technologie manifestiert, sondern die Art verändert, wie ein Unternehmen denkt und arbeitet.

Viele Unternehmen sehen sich selbst heute noch als ein Unternehmen, das Produkte entwickelt, herstellt und vertreibt. Die zweite Stufe des Service Continuums ist erreicht, wenn das Unternehmen das Ersatzteilgeschäft als integralen Bestandteil des Angebots begreift und nicht mehr als eher lästige Aufgabe.

n der Mitte des Service Continuums verändert sich die Bedeutung des Begriffs "Service" - weg von der Reparatur und Instandhaltung, hin zu einem Modell, in dem Service ein immer wichtigerer - bis hin zum nahezu alleinigen - Umsatzfaktor wird. Ein gutes Beispiel sind Wartungsverträge: Ein Unternehmen kauft ein Produkt und schließt einen Wartungsvertrag ab, in dessen Rahmen der Hersteller dafür zu sorgen hat, dass das gekaufte Produkt nicht ausfällt und jederzeit zur Verfügung steht.

Kunde bezahlt für das Ergebnis, nicht für das Produkt

Von dieser Stufe ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zu einem Modell, in dem der Kauf am Beginn der Zusammenarbeit komplett wegfällt und der Kunde lediglich das "Ergebnis" bezahlt. Eines der ersten realen Beispiele entstand im Luftfahrtbereich, in dem American Airlines von Triebwerkshersteller Rolls-Royce ein neues Konzept forderte: Die Fluggesellschaft wollte keine Triebwerke mehr kaufen, sondern Triebwerks-Betriebsstunden.

Dieses Modell hat heute in der Luftfahrt breite Anwendung gefunden; ein weiteres Beispiel eines ergebnisorientierten Konzepts ist die Zusammenarbeit des Eisenbahnherstellers Alstom und Virgin Trains. Virgin betreibt verschiedene Strecken in Großbritannien mit Zügen, die Alstom bereitstellt und wartet.

Für Anbieter wie für Kunden hat das ergebnisorientierte Modell interessante Vorteile: Statt eines einmaligen Kapitalzuflusses, wenn der Kunde ein Produkt kauft, erzielt der Anbieter regelmäßige Erlöse. Der Kunde vermeidet die hohe Anfangsinvestition und kann das Produkt nutzen, ohne sich um die Wartung und Werterhaltung zu kümmern, er konzentriert sich auf sein Kerngeschäft - und das ist beispielsweise für eine Fluglinie nun einmal der Transport der Passagiere und nicht die Instandhaltung der Flugzeugflotte.

Ein weiterer Gesichtspunkt betrifft die Konstruktion, denn die Hinwendung zum Service bedeutet keinesfalls eine Abwendung vom Produkt. Je besser und zuverlässiger ein Produkt arbeitet, desto höher wird die Gewinnmarge im Servicegeschäft. Konzentriert man sich auf das Produkt, kann es dem Unternehmen eigentlich egal sein, wie gut das Produkt beim Kunden funktioniert - der Betrieb und dessen Aufwendungen werden auf den Kunden abgewälzt. Im Servicemodell ist der Anbieter direkt an einer hohen Qualität und einer hohen Effizienz des Produkts interessiert und daran beteiligt - kostet der Betrieb weniger, steigt die Marge direkt an.

Der Landwirt bezahlt nicht mehr für den Traktor sondern für den beackerten Boden.
Der Landwirt bezahlt nicht mehr für den Traktor sondern für den beackerten Boden.
Foto: PTC

Besonders deutlich wird dies an einem Modell aus der Kompressorbranche: Viele Unternehmen kaufen inzwischen nicht mehr einen Kompressor, sondern schließen mit dem Kompressorhersteller einen Liefervertrag über eine bestimmte Druckluftmenge. Der Lieferant mietet einen Raum beim Kunden, in dem er seine Kompressoren aufstellt und speist die benötigte Luft ins System des Kunden ein. Je kleiner die Kompressoren sind, desto geringer die Miete; je energiesparender sie sind, desto geringer sind die Betriebskosten bei gleichbleibenden Einnahmen aus dem Druckluftverkauf.

Dieses neue Konzept erfordert fast zwingend IoT-Technologie, denn es ist für den Anbieter existenziell wichtig, genauestens über den Zustand, das Verhalten und den Status seiner Anlagen - die ja beim Kunden im Einsatz sind - Bescheid zu wissen. Zum ersten Mal eröffnet sich dabei ein "Rückkanal" für Ingenieure, die üblicherweise nur wenig Feedback darüber erhalten, wie sich ihr Produkt im realen Einsatz schlägt. Erkenntnisse aus dem laufenden Betrieb fließen im ergebnisorientierten Servicemodell nahtlos zurück in die Konstruktion, wo sie als Basis für Verbesserungen oder Neukonstruktionen dienen.

Die 7 Stufen auf dem Weg zum Service-Champion

Betrachtet man die beschriebenen Sachverhalte näher, ergeben sich verschiedene Herausforderungen, die auf Unternehmen zukommen, die sich auf den Weg hin zum "Best-in-Class"-Unternehmen begibt. Oxfords Economics hat sieben Stolpersteine der Serviceinnovation und -transformation definiert.

Kundenaufträge wollen gut geplant sein
Kundenaufträge wollen gut geplant sein
Foto: PTC

Schon in der ersten Stufe tritt das Fehlen einer auf Service optimierten Technologie zu Tage. Viele Unternehmen versuchen, die Anforderungen, die im Rahmen der Transformation auftauchen, in einem ERP- oder CRM-System oder in einer eigenen Lösung abzubilden. Der Betrieb von Produkten produziert unglaublich große Datenmengen, mit denen Softwaresysteme, die nicht auf Big Data ausgerichtet sind, nicht umgehen können. Die Daten, die die Produkte im Feld liefern, müssen ja nicht nur empfangen und abgelegt, sondern auch analysiert werden.

Service Lifecycle Management (SLM)-Lösungen wie die PTC Servigistics-Produktfamilie sind auf diese Datenmengen sowie deren Bearbeitung und Analyse ausgelegt und erlauben es, drohende Ausfälle zu erkennen, Gegenmaßnahmen zu planen und durchzuführen. Dies ermöglicht, einen drohenden, ungeplanten Ausfall in eine geplante und mit dem Kunden abgesprochene Wartung umzuwandeln. Gleichzeitig reduzieren sich die Wartungskosten, weil diese sauber geplant und Folgeschäden beim Ausfall vermieden werden können.

Im mittleren Bereich des Service-Vontinuums geht es darum, das Selbstverständnis des Unternehmens selbst zu ändern, denn die Unternehmenskultur ist nach wie vor produktzentriert. Zwar sind serviceorientierte Prozesse im Entstehen oder laufen schon, trotzdem liegt der Schwerpunkt noch auf dem Produkt. Es geht darum, wegzukommen von einer Produkt- und Technologiedefinition und stattdessen die Perspektive des Kunden und des Betriebs einzunehmen.

Wie muss ein Produkt aussehen und funktionieren, um die Anforderungen des Kunden zu erfüllen, dem Kunden Mehrwert zu bieten und einen möglichst störungsfreien, effizienten Betrieb zu ermöglichen? Dieser Paradigmenwechsel ist ein kritischer Punkt des Transformationsprozesses, in dem wiederum die Rückmeldungen aus dem Betrieb durch das SLM-System wertvolle Hinweise und Entscheidungshilfen geben.

Keine Synergie zwischen Service-Abteilung und Vertrieb

Die dritte große Herausforderung ist der Mangel an Synergie zwischen Service-Abteilung und Vertrieb beziehungsweise Marketing. Im letzten Schritt der Transformation verändert sich das Herangehen an Kunden - der Vertrieb verkauft keine Produkte mehr, sondern Ergebnisse durch den Service. In der Studie zeigte sich, dass in 50 Prozent der Unternehmen die Serviceabteilung an Vertrieb und Marketing angebunden ist.

In einem "Best-in-Class"-Unternehmen wandern dagegen viele Funktionen beziehungsweise Prozesse unter das Dach des Service, beispielsweise Gewährleistungsabwicklung, Prozessmanagement sowie Produktsupport und -planung. Hier spielt sich eine Veränderung im Selbstverständnis und in der Zusammenarbeit der Funktionen eines Unternehmens ab. Auch hier bietet ein SLM-System die Möglichkeit, Prozesse so abzubilden und die Produktdaten in die richtigen Kanäle zu leiten.

Reparaturen müssen rasch erledigit werden, dann bleibt einem der Kunde erhalten.
Reparaturen müssen rasch erledigit werden, dann bleibt einem der Kunde erhalten.
Foto: PTC

Die weiteren Stolpersteine begleiten den gesamten Transformationsprozess. Logistische Probleme verhindern das Entwickeln einer umfassenden Strategie. Prozessabläufe - oft aus Randgebieten, die auf den ersten Blick gar nicht vom Transformationsprozess betroffen sind - verhindern, dass neue Wege beschritten werden können. Nicht zuletzt aus diesem Grund muss die Transformation zu einem serviceorientierten Unternehmen eine Aufgabe der höchsten Unternehmensebene sein, die vermeintlich unabänderliche Zwänge aus dem Weg schaffen kann.

Wartungsverträge stärken Kundenbindung

Verwandt damit ist der Mangel an zentralisierten Prozessen. Der Transformationsprozess überträgt unweigerlich dem Service eine herausragende Rolle im Unternehmen. Servicefunktionen sind zu Beginn des Prozesses jedoch an vielen verteilten Stellen der Organisation angesiedelt, sodass die zentralisierte Serviceeinheit erst einmal geschaffen werden muss. Und diese Service-Einheit wird ebenso unweigerlich Kompetenzen und Funktionen aus anderen Bereichen abziehen - hier entsteht wiederum eine Aufgabe für die Firmenleitung, diese Umwälzung effizient und möglichst reibungslos zu vollziehen.

Wenn der notwendige Modul-Autausch rasch erledigt wird, bleibt dem IT-Diensteister der Kunde erhalten.
Wenn der notwendige Modul-Autausch rasch erledigt wird, bleibt dem IT-Diensteister der Kunde erhalten.
Foto: PTC

Da die Service-Funktionen über das Unternehmen verteilt oder gar nicht vorhanden sind - beziehungsweise von Dienstleistern im Kundenauftrag wahrgenommen wurden, entsteht ein Mangel an den passenden Ressourcen, um den Service ins Haus zu holen. Während dies grundsätzlich eine lösbare Aufgabe für die Personalabteilung ist, setzt der siebte und letzte Stolperstein, die Akquise und das Halten der richtigen Talente, viel früher an, zu einem großen Teil schon in der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Ingenieure müssen, statt rein technisch zu denken, lernen, so zu denken wie ihre Kunden - das erfordert Wissen sowohl im kaufmännischen Bereich als auch in branchenspezifischen Spezialanwendungen.

Mit Service-Orientierung neue Kunden gewinnen

Die Herausforderungen auf dem Weg zum ergebnisorientierten Serviceunternehmen sind groß und gehen weit über die Einführung einer SLM-Lösung hinaus - bis hin in die Unternehmensstruktur und in den Personalbereich. Doch die Transformation ist unvermeidlich, weil sich die Welt und die Kundenanforderungen ändern.

Qualtätssicerung ist das A und O - auch bei Service- und Reparatur-Aufträgen-
Qualtätssicerung ist das A und O - auch bei Service- und Reparatur-Aufträgen-
Foto: PTC

Eine SLM-Lösung wie PTC Servigistics ist die Basis für die gesamte Transformation, hier werden die Daten empfangen, analysiert und bereitgestellt, die die Basis für neue Angebote und "Serviceprodukte" bilden. 95 Prozent der Unternehmen wollen in drei Jahren im Best-in-Class-Sektor angekommen sein - das zeigt, dass den Unternehmen die Herausforderung bewusst ist und sie diese annehmen. Nun gilt es, bei dieser Transformation vorn dabei zu sein und sie zügig, aber auch richtig umzusetzen. Die Oxford Economics-Studie bietet wertvolle Hinweise dazu.(rw)

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