Glaubt man den Hochglanzbroschüren der Unternehmen, dann sind sie fast alle innovativ. Dasselbe gilt für die Forderung, bereit zu sein, neue Wege zu gehen. Sie gehört zum festen Rederepertoire aller Unternehmensführer. Und blickt man in die Stellenanzeigen der Unternehmen? Dann stellt man fest: "Kreativ und flexibel sein", so lautet eine Standardanforderung an ihre Mitarbeiter.
Doch sind die Unternehmen so innovativ, wie sie sich gern präsentieren? Manche Klein- und Mittelun-ternehmen ja. Bei Großunternehmen stellt man aber oft fest: Die sogenannte Innovation beschränkt sich weitgehend auf ein Optimieren des Bestehenden. Doch ist das überhaupt innovativ?
Was ist Innovation?
1. Kreativität versus Innovation
Kreativität bezeichnet die geistige Fähigkeit, neue Ideen und Designs zu entwerfen, Innovation hinge-gen einen Schaffensprozess, bei dem aus neuen Ideen brauchbare Lösungen entwickelt werden. Kreativität kann zielorientiert sein, Innovation hingegen ist es stets. Das heißt: Innovation zielt darauf ab, definierte Ziele zu erreichen, und hieran wird auch die Qualität der Ideen und Problemlösungen gemessen.
Dieses Denken hatten (fast) alle großen Erfinder verinnerlicht. So lautete zum Beispiel eine Maxime von Thomas Edison, der unter anderem die Glühbirne erfand: "Was sich nicht verkaufen lässt, das will ich nicht erfinden."
2. Verbesserung versus Quantensprung
In der (betrieblichen) Alltagssprache wird oft jede Verbesserung im Rahmen des Bestehenden und bisher Gedachten als Innovation bezeichnet. Bei "echten" Innovationen werden Aufgaben oder Prob-leme jedoch ganz anders als bisher gelöst. Es wird ein sogenannter Musterwechsel vollzogen, der statt einer partiellen Verbesserung wieder einen Quantensprung ermöglicht.
Ein solcher Musterwechsel war beim Skispringen der Wechsel vom Parallelstil zum V-Stil ab 1986. Er ermöglichte es den Skispringern, viel größere Weiten zu erzielen. Dasselbe gilt für den Wechsel vom Straddle zum Fosburyflop beim Hochspringen. Im wirtschaftlichen Kontext stellte zum Beispiel der Vertrieb von Büchern oder Schuhen via Internet einen Musterwechsel dar. Dasselbe gilt für das Fern-ablesen von Stromzählerdaten.
3. Trend versus Paradigmenwechsel
Die Basis für "echte Innovationen" sind keine (vorübergehenden) Moden und Trends. Ihre Basis sind meist Technologieschübe, die so fundamental sind, dass sich die Paradigmen wirtschaftlichen (und gesellschaftlichen) Lebens radikal ändern.
Ein solcher Paradigmenwechsel war der Siegeszug der Informationstechnologie. Er ermöglichte wie-derum Folgetechnologien wie den PC, den Mobilfunk, das Internet sowie die Social-Media, die heute das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben revolutionieren beziehungsweise bereits revolutioniert haben.
Was lähmt Innovation?
Angst, Angst und nochmals Angst - dabei gilt es zwischen
psychologischen, mentalen Barrieren
organisationalen Hindernissen/Barrieren sowie
kulturellen, gesellschaftlichen Barrieren
zu unterscheiden.
1. Psychologische, mentale Barrieren
a) Angst zu versagen
Wer Neues wagt und scheitert, wird in unserer Gesellschaft und in den Unternehmen schnell als "Phantast", "Pleitier" oder "Cash Burner" gebrandmarkt. Das hält viele Menschen, aber auch Organisa-tionen davon ab, radikal Neues zu denken und neue Wege zu beschreiten.
b) Angst vor Kontroll- und Effizienzverlust
Innovationsprozesse lassen sich (von oben) nicht so leicht steuern wie etablierte Geschäftsprozesse. Sie sind stets mit Unwägbarkeiten verknüpft. Hinzu kommt: Bei jedem Innovationsprozess muss auch das "Tal der Tränen" durchschritten werden. Zudem sinkt der Output zwischenzeitlich. Das veranlasst viele Personen und Organisationen, lieber das Bestehende zu optimieren, weil sie diese Prozesse beherrschen und unter Kontrolle haben.
c) Angst vor Macht- und Kompetenzverlust
Innovation bedeutet Neuland betreten. Das heißt: Denk- und Verhaltensmuster müssen "hinterfragt" und teilweise über Bord geworfen werden. Das bedeutet auch: Denk- und Verhaltensroutinen, die Sicherheit vermitteln, werden obsolet. Und das Erfahrungswissen, auf das die "alten Hasen" (auch in der Unternehmensführung) stolz sind, verliert an Wert. Das macht vielen Mitarbeitern, aber auch Führungskräften Angst.
2. organisationale Barrieren
Organisationale Hindernisse sind Materialisierungen der genannten psychologischen Barrieren. Sie dokumentieren sich in Unternehmen zum Beispiel in komplexen Freigabe- und Genehmigungsverfahren (Angst vor Kontrollverlust); des Weiteren in rigiden Plan- und Budgetvorgaben (Angst vor Vorsagen). Auch das Kompetenzgerangel, das oft in Zusammenhang mit Innovationsprozessen entsteht, ist Ausdruck einer psychologischen Barriere, nämlich der Angst vor Macht-/Einflussverlust.
Aus Angst versuchen Unternehmen Innovation oft in ähnlich starr definierte Prozesse zu gießen wie das Tagesgeschäft. Gewünscht wird sozusagen "Innovation mit Kasko-Schutz". Statt Experimente zu wagen, die die Gefahr des Scheiterns beinhalten, versuchen Unternehmen, Innovation mit Zahlen (Studien, Marktanalysen usw.) abzusichern. Das geht nur bedingt, denn Innovation bedeutet Neuland betreten. Und: Zahlen spiegeln nur die Vergangenheit wider.
3. kulturelle, gesellschaftliche Barrieren
Eine Voraussetzung für Innovation ist eine Kultur/Denkstruktur, die ein Scheitern und Fehlversuche erlaubt. In der Organisation muss ein Geist herrschen, wie er sich in folgender Anekdote über Edison manifestiert, der fast 9.000 Versuche unternahm, bis die Glühbirne marktreif war. Als ein Mitarbeiter nach dem 1000. Versuch zu Edison sagte "Wir sind gescheitert", erwiderte er: "Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut."
Mit schwerfälligen Innovationsprozessen - mit definierten Abläufen, Schnittstellen und klaren Regeln - lassen sich nur Verbesserungen erziehen. "Echte" Innovationen erfordern andere Managementkonzepte.
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Oft verpassen vermeintlich innovative Unternehmen die Marktentwicklung. Lesen Sie hier die gefährlichsten Innovationsfallen, in die Firmen tappen. - Die Hochglanzfalle
Wer sich Websites, Visionen und Hochglanzbroschüren der meisten Unternehmen genauer ansieht, stellt schnell Folgendes fest: Irgendwie sind sie alle visionär, hochkreativ und praktisch kurz davor, die Branche zu revolutionieren. Auf den ersten Blick liest sich das beeindruckend. Blickt man jedoch genauer hinter die Fassade der Homepages und Prospekte, dann haben diese Botschaften oft wenig Substanz. - Die Erfahrungsfalle
Insider, die auf den Management-Tagungen des ehemaligen Druckmaschinenherstellers Manroland waren, erinnern sich an die Botschaften des Vorstands. Er sagte der Zeitung eine große Zukunft voraus. Immer wieder wurde die Solidarität zur Druckrolle beschworen, während die meisten Medienverlage bereits ihr Wachstum auf ganz anderen Feldern suchten. Der Vorstand von Manroland ignorierte das. Die eigenen Erfahrungen sprachen dagegen. Für den damals zweitgrößten Druckmaschinenhersteller der Welt war es schlichtweg unvorstellbar, dass seine Produkte einmal überflüssig werden könnten. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung: Der Konzern wurde Anfang 2012 zerschlagen. - Die Trägheitsfalle
Prozessoptimierung, Kostenoptimierung, Lean Management: Das waren die Schlagwörter der 90er- und frühen 2000er-Jahre. Arbeitsabläufe wurden systematisch gescannt, jede überflüssige Handbewegung untersagt und jede Tätigkeit in genau definierte Prozessabläufe gezwängt. Das hat bis heute einen positiven Effekt: Unternehmen können das operative Geschäft viel schneller, besser und billiger als andere beherrschen. Die Kehrseite ist: Es bleibt kaum Zeit, über neue Wege nachzudenken. Anders gesagt: Man ist so sehr damit beschäftigt, den operativen Ergebnissen nachzujagen, dass man sich kaum fragt, ob dies noch sinnvoll ist. - Die Erfolgsfalle
Erfolg macht sexy. Erfolg fühlt sich gut an. Erfolg macht zufrieden. Genau das ist das Problem. In zahlreichen Firmen werden schnelle Erfolge belohnt. Ein kurzfristiges Plus der Verkaufszahlen, ein großer Deal, kurzfristige Erfolge bei der Neukundengewinnung. Gerade in Unternehmen, die vom Quartalsdenken geprägt sind, ist der schnelle Erfolg wichtiger als langfristiges Denken. Im Kern ist das nicht verkehrt, denn: die Summe vieler schneller Erfolge macht eine erfolgreiche Company aus - nur nicht unbedingt eine innovative. Solange schnelle Erfolge mit dem Bestehenden zu erzielen sind, hat das Neue kaum eine Chance, sich durchzusetzen. - Die Kannibalismusfalle
Unternehmen haben ständig Angst sich selbst zu kannibalisieren. Wenn die Konkurrenz angreift, ist das schlimm. Schlimmer ist es jedoch, wenn ein Unternehmen sich selbst Marktanteile wegnimmt. Aus diesem Grund weigerten sich die Elektronikhändler Saturn und Media Markt jahrelang, Online-Shops zu eröffnen. Die Kunden könnten schließlich via Internet und nicht mehr in den Läden einkaufen. Auch der Entertainment-Gigant Sony leidet unter dem Kannibalismusproblem. Um das eigene CD-Geschäft zu schützen, hat er die Entwicklung eines Download-Portals für Musik nur halbherzig vorangetrieben. Und der Fotohersteller Leica? Er vermied es Anfang der 90er Jahre tunlichst, in die digitale Fotografie einzusteigen - aus Angst, das eigene Geschäft mit analogen Apparaten zu gefährden.