Wolkige Aussichten

Softwarefirmen suchen Heil in Mietsoftware

21.01.2015
Seit geraumer Zeit peitschen Softwarehersteller wie SAP ihre Cloud-Angebote nach vorne. Das soll ihre Geschäfte stabiler machen, weil stetig Geld als Mietgebühren fließt. Aber erstmal schmelzen die satten Gewinne. Ist die Cloud nur ein Wolkenkuckucksheim?

Gut fünf Jahre ist es her, da warb der Softwarekonzern Microsoft im Fernsehen "Auf in die Cloud". Der Spot war kein eindeutiger Erfolg: "Was soll mir die Werbung "Auf in die Cloud" sagen?", wunderte sich ein Nutzer auf der Webseite der Microsoft Community. Schon damals war "Cloud Computing" in der IT-Branche ein großer Hype. Bei den Nutzern warf das Schlagwort allerdings vor allem Fragen auf.

Gemeint sind mit Cloud Computing Programme, die nicht mehr auf dem einzelnen Rechner oder den Servern einer Firma installiert sind, sondern in den Rechenzentren von Softwareanbietern oder IT-Dienstleistern - und damit in der "Datenwolke".

Geschürt wurde das Geschäft durch die Möglichkeit, mit Smartphones und Tablets überall online zu sein, aber auch von Anbietern wie Salesforce, die ausschließlich auf das Mietmodell setzen. Über Jahre nahmen Platzhirsche wie SAP die neue Konkurrenz nicht ernst. Der Chef von SAPs Erzrivalen Oracle, Larry Ellison, machte sich noch 2008 lustig und fragte: "Was zum Teufel ist Cloud Computing?"

SAP versuchte sich erst 2007 an einer Mietsoftware für den Mittelstand. Jetzt aber soll die Cloud zur DNA der Walldorfer Firma werden: Selbst die umfangreichen Kernanwendungen wie Finanz- und Analyseprogramme sollen überall verfügbar sein. Nicht zuletzt wegen der Debatte um Datensicherheit bleiben bei Kunden aber Zweifel. Das kostet SAP Geld: In vielen Regionen müssen eigene Serverfarmen aufgestellt werden, weil Firmenkunden sicher sein wollen, dass ihre Daten unter den für sie gültigen Rechtsvorschriften sicher aufbewahrt werden.

Inzwischen bleibt SAP kaum eine andere Wahl. Wegen der neuen Konkurrenz schwächelt das klassische Softwaregeschäft. Sehr deutlich zeigten das die Jahreszahlen des Konzerns: 2014 wuchsen die SAP-Umsätze mit Mietsoftware um 400 Millionen Euro auf über eine Milliarde, gleichzeitig gingen die Erlöse mit herkömmlichen Lizenzen um etwas mehr als 100 Millionen Euro zurück. Den größten Umsatzbeitrag brachten die lukrativen Wartungsverträge - aber sie sind abhängig vom Verkauf der Lizenzen.

SAP-Chef Bill McDermott will den Cloud-Anteil in den kommenden Jahren deutlich ausbauen: Mit bis zu acht Milliarden Euro soll das Abo-Geschäft im Jahr 2020 etwa 30 Prozent der Gesamtumsatzes ausmachen. Vergangenes Jahr waren es erst nur etwa sechs Prozent. Der große Cloud-Anteil hat einen entscheidenden Vorteil: Die Abo-Umsätze sind vorhersehbarer als die Lizenz-Verkäufe, die auch von der konjunkturellen Lage abhängig sind. Wie McDermott den Wandel weiter vorantreiben will, will er aber erst Anfang Februar erklären.

Der Markt befindet sich im Umbruch, Neuankömmlinge wie Salesforce erhöhen den Druck. Der IT-Markforscher Gartner rechnet in diesem Jahr noch einmal mit einem harten Preiskampf, da etablierte Softwareanbieter ihre Kunden mit Zähnen und Klauen verteidigen und an ihre eigenen Cloud-Angebote binden werden. Das setzt wiederum die noch jungen Firmen unter Druck. Denn im Abo-Geschäft fließt erstmal weniger Geld als beim Lizenzverkauf. Selbst Cloud-Primus Salesforce schreibt bis heute Verluste.

Eine der wenigen etablierten Firmen, die die Umstellung geschafft haben, ist Adobe. Die für ihre Bildbearbeitungssoftware bekannte US-Firma hatte einen radikalen Wechsel zum Abo-Modell durchgezogen. Es folgte ein Umsatzeinbruch, inzwischen berappelt sich der Konzern aber wieder.

Auch die anderen Branchenriesen arbeiten an ihrer Cloud-Strategie. Microsoft hat mittlerweile mehr als sieben Millionen private Abonnenten, die jährlich für das Office-Paket zahlen, bei Geschäftskunden wächst das Cloud-Geschäft rasant. SAP-Erzrivale Oracle machte zuletzt in drei Monaten eine halbe Milliarde Dollar Umsatz mit den Angeboten in der Cloud, die nicht nur Software umfassen.

Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Mitentscheidend wird sein, wie schnell und flexibel die großen Softwarehäuser neue Programme anbieten können.

SAP hat sich vor allem in Randbereichen in der Cloud verstärkt. Die Strategie überzeugt nicht alle. Brice Prunas von der französischen Investmentbank Exane BNP sieht für den Dax-Konzern ein Innovationsproblem. Anders als junge Wettbewerber schreibe SAP seine Kernprogramme für die Cloud nicht neu.

Dagegen sagt Thomas Becker von der Commerzbank: "Für die Kernanwendungen von SAP gibt es bislang noch nicht so viele Wettbewerber, im Wesentlichen nur Microsoft und Oracle - da ist das Unternehmen in guter Ausgangsposition." Mit Zukäufen in Randbereichen habe SAP die Grundlagen gelegt.

Den Druck zur Umstellung sieht aber auch Becker. "Wenn SAP die Kernapplikationen nicht cloudfähig macht, verlieren sie Marktanteile." Wie das wichtigste deutsche High-Tech-Unternehmen den Umschwung meistern will - das muss Chef Bill McDermott nun erklären. Ein langer Atem ist auf jeden Fall nötig. (dpa/tc)

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