Wann der Erschöpfungsgrundsatz gilt

Softwareverkäufer und Urheberrecht



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Das Landgericht Berlin hat den isolierten Verkauf von im Ausland erworbenen Produktschlüsseln für rechtswidrig erklärt. Manfred Wagner kritisiert dieses Urteil.

Im Immaterialgüterrecht gilt der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz. Dieser besagt, dass der Inhaber eines Schutzrechts (z.B. Patent, Marke oder Urheberrecht) sich auf dieses Schutzrecht für das konkrete Produkt (z.B. eine Software) nicht mehr berufen kann, sobald das Produkt mit der Zustimmung des Herstellers erstmalig in den Verkehr gebracht worden ist. Dies bedeutet, dass der Urheber eines Werks (z.B. einer CD) nicht mehr bestimmen kann, welchen weiteren Weg das Werk nimmt. Der jeweilige Erwerber kann entscheiden, ob und wem er das Werk weiterverkauft oder verschenkt.

Wer Software entwickelt, hat das Urheberrecht an seinem Produkt. Strittig ist die rechtliche Behandlung des dazugehörigen Produktschlüssels.
Wer Software entwickelt, hat das Urheberrecht an seinem Produkt. Strittig ist die rechtliche Behandlung des dazugehörigen Produktschlüssels.
Foto: IckeT - Fotolia.com

Das LG Berlin (LG Berlin, Urteil v. 11.3.2014, Az. 16 O 73/13) hatte sich nunmehr mit der Frage zu beschäftigen, ob dieser Grundsatz auch für Produktschlüssel gilt.

Zugrunde liegender Sachverhalt

Im Ausland - selbst innerhalb der EU - kann man Software mitunter günstiger erwerben als im Inland. Der Grund hierfür liegt an der Preispolitik der Hersteller, die die Preise den jeweiligen nationalen Märkten angepasst haben.

Der Betreiber eines Internetshops veräußerte an seine Kunden Produktschlüssel für Software. Die Schlüssel hatte er legal von Händlern in Großbritannien und Polen erworben. Die Schlüssel waren den physischen Software-Datenträgern beigefügt. Der Händler veräußerte lediglich die Schlüssel per Email weiter.

Der Entwickler eines Computerspiels ließ den Händler abmahnen, da er durch diese Geschäftspraxis sein Urheberrecht verletzt sah. Die Interessen des Entwicklers liegen auf der Hand, da durch den Schlüsselvertrieb des Händlers das Vertriebsmodell des Entwicklers mit angepassten nationalen Preisen unterlaufen wird. Das Gericht hatte die Frage der Rechtswidrigkeit des Verkaufs von Produktschlüsseln zu bewerten.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Berlin hält den isolierten Verkauf von im Ausland erworbenen Produktschlüsseln für rechtswidrig und gab dem Entwickler Recht. Die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf die Produktschlüssel lehnte das Gericht ab und verwies darauf, dass dieser Grundsatz nur für die Kombination aus Datenträger und Schlüssel gelten würde. Insoweit wie hier nur der Schlüssel vertrieben werde, eröffne der Händler einen neuen Vertriebsweg, für den der Erschöpfungsgrundsatz nicht gälte.

Bewertung des Urteils

Obgleich das Urteil Rechtssicherheit schafft und zielgerichtete Beratung ermöglicht, ist es inhaltlich nicht überzeugend. Der Produktschlüssel wurde in den Verkehr gebracht. Ob dies im Ausland geschehen ist, ist rechtlich irrelevant.

Das Landgericht stellt auf die Aufspaltung von Produktschlüssel und Datenträger ab und verneint deswegen die Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Aufspaltung von Kombinationen (z.B. Hardware und Software) zulässig und erst dann rechtswidrig, wenn neue Kombinationen erschaffen werden. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn Software und Produktschlüsseln verknüpft werden, die vom Hersteller so zusammen nicht in den Verkehr gebracht wurden.

Gerade solch ein Fall liegt aber hier nicht vor, da durch die Veräußerung des Schlüssels ohne den Datenträger gerade kein neues Produkt entsteht, sondern nur die Nutzung des in den Verkehr gebrachten Produkts ermöglicht wird. Dass hierdurch die Vertriebspolitik des Herstellers unterlaufen wird, mag zwar wirtschaftlich für diesen nachteilig sein, rechtfertigt aber nicht die Durchbrechung des Erschöpfungsgrundsatzes.

Das Urteil mag zwar rechtlich vertretbar sein, überzeugen kann es jedoch nicht.

Weitere Informationen und Kontakt: Manfred Wagner ist Rechtsanwalt und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., www.mittelstands-anwaelte.de
WAGNER Rechtsanwälte, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66111 Saarbrücken, Tel.: 0681 958282-0, E-Mail: wagner@webvocat.de, Internet: www.webvocat.de

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