TOP DE: Siemens steuert nach Jobabbau 2009/10 auf Rekordergebnis zu

29.04.2010
Von Matthias Karpstein DOW JONES NEWSWIRES

Von Matthias Karpstein DOW JONES NEWSWIRES

MÜNCHEN (Dow Jones)--Der Münchner Siemens-Konzern erhöht nach einer deutlichen Gewinnsteigerung im zweiten Quartal seine Gewinnschätzung für das Gesamtjahr 2009/10. Für seine drei Sektoren Industrie, Energie und Medizintechnik kündigte Siemens bei Vorlage der Halbjahreszahlen am Donnerstag einen Gewinn von mehr als 7,5 Mrd EUR an. Bislang waren 6 Mrd bis 6,5 Mrd EUR prognostiziert.

Nach den einschneidenden Personalkürzungen der vergangenen Jahre wäre dies das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte. Vor einem Jahr auf dem Höhepunkt der Krise musste Siemens seine Prognose noch nach unten revidieren. Siemens profitiere "besonders von den frühzeitig umgesetzten Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit", erklärte Vorstandsvorsitzender Peter Löscher. Die Münchner hatten im Geschäftsjahr 2007/08 ein Sparprogramm in der Verwaltung aufgelegt, dem 12.600 Stellen zum Opfer fielen. Der Konzern musste dafür rund 2 Mrd EUR aufbringen. Zudem werden im Industriesektor derzeit weiter Stellen gestrichen.

Die IT-Sparte SIS etwa will Siemens ausgliedern und auch dort Arbeitsplätze reduzieren. "Wenn der Markt Umsatzzuwächse nicht zulässt, dann muss man sich mit den Kosten beschäftigen", erklärte Finanzvorstand Joe Kaeser in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Die Restrukturierungskosten für SIS könne Siemens möglicherweise im vierten Quartal verbuchen, sagte Kaeser. Er erwartet für das Gesamtjahr Restrukturierungskosten von rund 1 Mrd EUR, davon je die Hälfte in den Sektoren und unterhalb des Kerngeschäfts.

Nachdem Siemens mit einem Sektorengewinn von 2,3 Mrd EUR im ersten Quartal bereits sehr gut gestartet war, hatte das Unternehmen eine Überprüfung des Ausblicks zur Jahresmitte angekündigt. Analysten hatten daraufhin bereits eine deutliche Prognoseanhebung erwartet.

Im zweiten Quartal brachte es Siemens nun auf ein Sektorenergebnis von 2,1 (Vorjahr: 1,8) Mrd EUR; im ersten Halbjahr sind das bereits 4,4 Mrd EUR. Das Ergebnis nach Steuern und Dritten erreichte von Januar bis März fast 1,5 Mrd EUR - knapp 1 Mrd EUR waren es ein Jahr zuvor.

Siemens erhöhte auch die Ergebniserwartungen an das fortgeführte Geschäft. Hier plant der Konzern nun mit knapp 4 Mrd EUR Gewinn, nachdem bislang mit etwa 3 Mrd EUR gerechnet worden war.

Optimistischer ist Siemens allerdings nur beim Gewinn, die Umsatzprognose wurde nicht angehoben. Hier rechnen die Münchner weiterhin mit einem organischen Rückgang um einen mittleren einstelligen Prozentbereich zum Vorjahr, als 76,7 Mrd EUR eingenommen wurden. Im zweiten Quartal brachte es der Konzern auf Erlöse von 18,2 (19) Mrd EUR. Siemens verweist in dem Ausblick nun auch nicht mehr auf den erwarteten Preisdruck, der die Prognose hätte gefährden können.

Der Blick auf den Auftragseingang trübt allerdings das positive Gesamtbild. Bei den Neuaufträgen blieb Siemens im zweiten Quartal mit 17,8 Mrd EUR deutlich unter dem Vorjahreswert von 20,9 Mrd EUR und auch unter dem des Auftaktquartals, als Aufträge für knapp 19 Mrd EUR verbucht wurden. Das Verhältnis von Neuaufträgen zu Umsatz, die Book-to-Bill-Ratio, sank entsprechend unter 1 und lag bei 0,98. Im Vorquartal hatte Siemens noch einen Wert von 1,09 erreicht. Der Auftragsbestand zum Quartalsende summierte sich auf 84 Mrd EUR.

Größere Auftragsverschiebungen verzeichnete Siemens laut Kaeser im zweiten Quartal nicht, allerdings müssen die Münchner etwa beim Kraftwerksgeschäft von Fossil Power derzeit härter mit ihren Kunden über den Preis verhandeln, wie Kaeser erläuterte.

Im Industriesektor, der knapp die Hälfte des Konzernumsatzes ausmacht, spürt Siemens die Krise nach wie vor. Betroffen sind besonders die langzyklischen Geschäftsfelder wie Industry Solutions. Die Märkte in einigen Energie- und Industrie-Infrastrukturgeschäften schrumpften weiter. Zweistellige Umsatzrückgänge verzeichneten die Divisionen Drive Technologies (-17%) und Industry Solutions (-16%). Finanzvorstand Kaeser erklärte, bei den Langzyklikern werde Siemens voraussichtlich im zweiten Halbjahr den Boden erreichen. Derzeit seien die Endmärkte des Industriegeschäfts "noch nicht aus dem Schlimmsten raus".

Schneller von der Krise erholt haben sich hingegen die Kurzzykliker wie das Lichtgeschäft von Osram, dessen Erholung weiter anhält. Osram konnte bei Auftragseingang und Umsatz um jeweils 18% zulegen. Der gesamte Industriesektor verlor 4% Umsatz und 9% Neuaufträge. Das Ergebnis stieg hingegen im Jahresvergleich auf 783 (671) Mio EUR.

Im Sektor Energie ist der Auftragseingang derzeit deutlich stärker unter Druck. Er schrumpfte um 26%, während der Umsatz um 3% fiel. Besonders stark betroffen war das Geschäft mit fossilen Kraftwerken, hier fehlt es an Großaufträgen. Das Ergebnis des Sektor hingegen wuchs auf 863 (818) Mio EUR.

Weiterhin robust zeigt sich die Medizintechnik. Hier blieben Umsatz und Auftragseingang auf dem Niveau des Vorjahresquartals, das Ergebnis wurde um 39% gesteigert und erreichte 492 (355) Mio EUR.

Siemens profitierte im zweiten Quartal von Änderungen bei den US-Pensionsplänen. Ein Einmaleffekt von 180 Mio EUR wirkte sich in alle Divisionen positiv aus. Teilweise aufgehoben wurde der positive Sondereffekt allerdings von Aufwendungen für Kapazitätsanpassungen vor allem in den Sektoren Energie und Industrie, die sich auf 125 Mio EUR summierten.

Die weltweiten Konjunkturprogramme nutzen Siemens nach wie vor. Bis zum Ende des zweiten Quartals konnte der Münchner DAX-Konzern daraus Einnahmen von 3 Mrd EUR verbuchen, wie Vorstandsvorsitzender Löscher in einem Interview mit "Reuters TV" sagte. Zum Ende des ersten Quartals waren Siemens daraus rund 2 Mrd EUR zugeflossen, bis 2012 rechnen die Münchner mit 15 Mrd EUR.

Von der Griechenlandkrise sieht sich Siemens nicht betroffen, weil der Konzern laut Vorstandsvorsitzendem Löscher davon profitiert, in 190 Ländern vertreten zu sein. Er will sich mit Siemens auch nicht von der New Yorker Börse zurückziehen, wie dies zuletzt die Deutsche Telekom angekündigt hatte.

Webseite: www.siemens.com -Von Matthias Karpstein, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 - 5521 4030, matthias.karpstein@dowjones.com DJG/mak/cbr Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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