Transparente Abfallverwe rtung

20.07.2006
Auch im öffentlichen Dienst gibt es lukrative Projekte. Das beweist die Q-Soft AG aus Erfurt. Ihr jüngster Auftrag stammt vom Abfallwirtschaftsverband Nordschwaben.

Von Dr. Ronald Wiltscheck

Die Landkreise Dillingen und Donau-Ries im nordschwäbischen Bayern haben sich zu einem kommunalen Zweckverband zusammengeschlossen. Dieser verwertet auch den in der Region anfallenden Abfall. Der Abfall-Wirtschafts-Verband Nordschwaben (AWV) ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, wurde zu einem Eigenbetrieb umgewandelt, und immer neue Zuständigkeitsbereiche kamen hinzu - unter anderem zwei privatwirtschaftlich organisierte Betriebe gewerblicher Art.

Softwareprodukte von gleich drei verschiedenen Herstellern kamen auf diese Weise beim AWV zusammen: Es gab eine Applikation von NFT zur Verwaltung der Deponie und zum Steuern der dort befindlichen Waagen. Ferner werkelte bereits seit 1999 im AWV die A/C/S-Software von Q-Soft, genauer das Modul zum Berechnen von Gebühren, die beim Einsammeln und Weiterverwerten von Abfällen jeglicher Art anfallen. Außerdem verfügte der Abfall-Wirtschafts-Verband Nordschwaben natürlich über eine Rechnungswesenanwendung, in diesem Fall über "Pro- Fib" von Szymaniak/Exact.

Diese drei Pakete waren aber voneinander isoliert. Dies führte zu zahlreichen Problemen. So mussten Mitarbeiter des AWV beispielsweise ihre Kundendaten in allen drei Anwendungen parallel pflegen. Ein Datenaustausch zwischen den drei "Inseln" war zwar möglich, erforderte aber viel Zeit und Geld. Die AWV-eigene IT-Abteilung unter der Leitung von Markus Müller musste zahlreiche Schnittstellen selbst erstellen und warten.

Und noch schlimmer: Das Buchhaltungsprogramm von Exact war nicht in der Lage, Mengen zu erfassen und einzelnen Kostenstellen zuzuordnen. "Deshalb konnten wir beispielsweise nur mit größerem Aufwand nachvollziehen, welche Gebühren eine Sammelstelle pro Tonne Sperrmüll einnimmt", erinnert sich Markus Müller, kaufmännischer Leiter des Verbands.

Deshalb entschied man sich in Donauwörth für einen Schnitt. "Wir brauchten ein geschlossenes System mit zentralen Kundendaten, auf die alle Module zugreifen", beschreibt Müller seine wichtigsten Anforderungen. Man schrieb diese Mitte 2004 öffentlich aus. Daraufhin bewarben sich mehrere Anbieter um diesen Auftrag, unter anderem die Q-Soft AG aus Erfurt, deren Modul zur Gebührenverwaltung bereits bei dem nordschwäbischen Verband installiert war.

Lange Kundenbeziehung

Es überrascht nicht, dass die Thüringer als Gewinner aus der Ausschreibung hervorgingen. "Zum Schluss waren außer uns noch zwei weitere Bieter mit im Boot", erinnert sich Michael Gernandt, Projektmanager bei Q-Soft, an die heiße Phase Ende 2004. Unmittelbar nach dem Projektzuschlag ging für Q-Soft die Arbeit los.

In zweitägigen Vorgesprächen wurde erstmals der grobe Projektumfang ermittelt. Anschließend analysierte Gernandt die gesamten Geschäftsprozesse beim Abfall-Wirtschafts-Verband Nordschwaben. Dafür verbrachte er drei Tage beim Kunden vor Ort und unterhielt sich dabei nicht nur mit der kaufmännischen Leitung, sondern auch mit den einzelnen Sachbearbeitern, die schlussendlich mit der fertigen Softwarelösung umgehen sollten. Eine derartige Vorbereitung ist immens wichtig, um zu erfahren, wo die Anwender der Schuh drückt. Gleichzeitig kann man auf diese Weise verhindern, dass ein einmal angefangenes Projekt sich komplett in eine verkehrte Richtung entwickelt.

Der Startschuss für die eigentliche Implementierung der Software fiel schließlich im Februar 2005. Die größte Herausforderung innerhalb des Projekts bestand am Anfang in der sauberen Ablöse der Software von NFT und Szymaniak. Denn in diesen Altsystemen befanden sich noch Stammdaten, die teils redundant vorlagen oder aus unterschiedlichen Zeiträumen stammten. Da galt es zuerst, die aktuellsten Versionen der Stammdaten herauszufischen. Aber historische Bewegungsdaten durften nicht unter den Tisch fallen, denn nur mit ihnen ließen sich die Stammdaten aus drei verschiedenen Systemen zusammenführen.

Allein aus der Gebührenveranlagung von A/C/S flossen rund drei Millionen Buchungen in das neue Rechnungswesen ein. "Am Ende musste alles Cent-genau aufgehen", erinnert sich Markus Müller. Deshalb holte man für diese komplexe Aufgabe zusätzlich einen externen Wirtschaftsprüfer ins Boot.

Q-Soft liefert nun alles

Die gesamte Software zur Steuerung der Zentraldeponie sowie der Recyclinghöfe und Grünabfallsammelplätze stammt nun von Q-Soft. Dabei sind gleiche mehrere A/C/S-Module im Einsatz: Der "Anlage" genannte Baustein hilft bei der Verwaltung der Deponie und der Wertstoffhöfe. A/C/S-"Waage" erfasst die Wiegevorgänge und leitet die entsprechenden Daten an eine weitere Applikation, die die damit einhergehenden Gebühren berechnet, je nach Gewicht und Abfallart (Grünzeug, Bauschutt, Sperrmüll, Altpapier oder Holz) gestaffelt ("Gefäßgebührenveranlagung"). Ein zusätzliches Modul unterstützt die Fakturierung. Die Dienstleistung "Sperrmüll auf Abruf" wird mittels einer eigenen A/C/S-Anwendung erfasst. Das Gleiche gilt übrigens auch für das Beschwerdemanagement, also die Reklamationen der AWV-Kunden.

Als Modul A/C/S-"Rechnungswesen" hat Q-Soft die Lösung "Diamant" des gleichnamigen Herstellers aus Bielefeld als OEM-Version in die eigene Branchensoftware integriert. Die Daten werden ereignisgesteuert und in Echtzeit zwischen den oben erwähnte Modulen und der Rechnungswesen-Software ausgetauscht. Beispiel: Eine Fakturierung oder ein Gebührenbescheid aus A/C/S wird automatisch als "offener Posten" in Diamant gebucht. Auf umgekehrtem Weg können AWV-Mitarbeiter auch aus A/C/S - beispielsweise aus der Gefäßgebührenveranlagung - direkt auf Daten der Finanzbuchhaltung zugreifen. Durch die Integration der Oberflächen werden sie entweder direkt in der Branchenanwendung oder in einem separaten Fenster angezeigt.

"Dabei merkt der Anwender gar nicht, dass er dabei die eigentliche A/C/S-Software verlässt", sagt Gernandt von Q-Soft. "Wir haben die Diamant-Oberfläche optisch an unsere Benutzerschnittstelle angeglichen", so der Projektleiter. So taucht auch der Name "Diamant" nirgendwo auf, es handelt sich also um eine reine OEM-Integration. Doch warum hat sich Q-Soft ausgerechnet für Diamant als Lieferant der kompletten Rechnungswesen-Software entschieden?

Warum Diamant?

"Durch die Partnerschaft mit Diamant können wir unseren Kunden eine Rechnungswesen-Lösung als festen Bestandteil unserer Branchensoftware bieten", begründet Ilona Reppien, Geschäftsbereichsleiterin bei Q-Soft, die Wahl. "Wir selbst können uns auf unsere Kernkompetenz Entsorgungsmanagement konzentrieren und müssen uns keine Gedanken über Änderungen im Steuerrecht machen. Unser OEM-Partner passt seine Lösung an aktuelle Entwicklungen an." Für Gernandt ist die Software von Diamant ein echtes integriertes Anlagen- und Finanzbuchhaltungsprogramm, im Gegensatz zu dem, was er zuvor bei AWV vorgefunden hat.

Insgesamt nahm das Projekt von Q-Soft beim nordschwäbischen Abfall-Wirtschafts-Verband fast ein Jahr in Anspruch. Doch Ende 2005 war es schließlich so weit: Das Komplettsystem ging in den Produktivbetrieb über. Während der elf Monate davor war der Dienstleister gar nicht mal so oft beim Kunden vor Ort: Nach den vorbereitenden Arbeiten, die nach fünf Tagen abgeschlossen waren, ist Q-Softs Projektleiter Gernandt gerade mal an elf Tagen beim AWV persönlich erschienen. "Den Rest konnten wir komplett via Fernzugriff erledigen", so Gernandt. Das ist bei Projekten der Thüringer auch sonst üblich, spart man doch damit Zeit und Reisekosten ein.

Nicht remote konnte hingegen das Training der Anwender beim Abfall-Wirtschafts-Verband erfolgen. Insgesamt "opferte" Q-Soft elf Tage, um die User in der Zentraldeponie und auf den Recyclinghöfen in die neuen Anwendungen einzuweisen. "Das hätte noch viel länger gedauert, wenn viele AWV-Mitarbeiter nicht bereits mit unserer Software A/C/S vertraut gewesen wären", relativiert Gernandt den hohen Schulungsaufwand.

Doch offenbar haben sich diese Mühen gelohnt. Mit dem integrierten System kann der AWV detailliert berechnen, welche Kosten einzelne Posten auf den Recyclinghöfen verursachen. So ist also der Verband in der Lage aufzuzeigen, wie viel es kostet, eine Tonne Schrott, Sperrmüll, Altpapier, Bauschutt oder Holz zu beseitigen. Daraus lassen sich natürlich kostendeckende Gebühren errechnen.

Die sich daraus ergebenden Erlöse fließen aus dem A/C/S-Modul "Fakturierung" und aus der Gebührenveranlagung in die Software von Diamant ein. Dabei anfallende Kosten kommen teils aus der Lohnabrechnung, teils liegen sie bereits fest vor und werden direkt in der Finanzbuchhaltung von Diamant erfasst.

Die Rechnungswesen-Software legt diese Werte anschließend auf Kostenträger und Kostenstellen (zum Beispiel Sperrholz in der Deponie A, Sammelstelle B) um. Der AWV kann damit nicht nur die Rentabilität einer Abfallart insgesamt, sondern auch getrennt nach einzelnen Sammelstellen pro Tonne darstellen.

Um die Abfallmengen zu erfassen, ist die Diamant-Software über eine Schnittstelle mit dem A/C/S-Modul "Waage" verknüpft und erhält auf diese Weise die Daten von den Deponie-Waagen. Diese Mengenangaben werden direkt in die Kostenrechnung übertragen. Auch auf den Recyclinghöfen und Grünsammelplätzen werden die Gewichte direkt im Rechnungswesen erfasst und den einzelnen Kostenstellen zugeordnet.

Einmal pro Quartal wertet die Zentrale in Donauwörth aus, welche Abfallmengen die einzelnen Recyclinghöfe aufnehmen und welche Gebühren sie dafür erhalten, natürlich immer getrennt nach den Abfallsorten Papier, Holz, Sperrmüll, Grünzeug und so weiter. Daraus errechnet das System die Kosten für jede Tonne Abfall.

Auf Basis dieser Kennzahlen lassen sich die einzelnen Sammelstellen in einem internen Benchmarking vergleichen. "Heute kann ich auf Knopfdruck überprüfen, wie kostendeckend jeder Recyclinghof arbeitet", freut sich der kaufmännische Leiter beim AWV Müller.

Außerdem kann der Abfallverband mit der neuen Software nachvollziehen, welche Menge an wilden Müllablagerungen er entsorgt und welche Kosten bei ihm dafür anfallen. Das ist deshalb wichtig, weil für die Aufnahme von illegal abgelegtem Müll der AWV naturgemäß keine Gebühren erheben kann. Im Rechnungswesen-Modul von Diamant werden diese Mengen als innerbetriebliche Leistungen verrechnet. Die dafür anfallenden Gebühren sind im System hinterlegt und gehen vom Kostenträger "Wilde Müllablagerungen" an die Fraktion "Sperrmüll" des betreffenden Recyclinghofs.

Die auf diese Weise erhoben Daten bilden die Grundlage für die Kalkulation der Gebühren. Denn diese müssen so berechnet sein, dass die hoheitlichen Aufgaben kostendeckend erfüllt werden. Deshalb sind über die Restmüllgebühren auch die Fixkosten der Abfallwirtschaft und die nicht rentablen Bereiche wie beispielsweise die Problemmüllsammlung zu decken. "Gleichzeitig haben Gebühren immer auch eine Steuerungsfunktion", erklärt Müller, "sie sollen die Bürger dazu motivieren, Abfälle der Wiederverwertung zuzuführen."

Ziel der Kalkulation ist es, der Abfallwirtschaft zu stabilen Gebühren zu verhelfen. Dazu stellt das System zunächst für jede Abfallart die Kosten und Erlöse dar und fügt diesen noch die umlegbaren Gemeinkosten zu. "Wir versuchen dabei immer, die Gebühren für den Restmüll so niedrig wie möglich zu halten", sagt der Kaufmännische Leiter. Dazu tragen auch die Gewinne aus den privaten Unternehmen des AWV bei. Als Verband mit hoheitlichen Aufgaben darf der AWV keinen Profit machen. Deshalb fließen die Gewinne der privaten Unternehmen in die Kalkulation der Restmüll-Gebühren mit ein. Trotz Mehrwertsteuererhöhung und nicht-rentabler Verpflichtungen will Müller die Gebühren stabil halten. Die neue Software trägt dazu bei.

Für Q-Soft ergab sich aus diesem Projekt eine sehr wichtige Referenz, mit der das thüringische Softwarehaus bereits "hausieren" gehen konnte. Einige Gemeinden und Abfallverwertungsverbände haben bereits Interesse an der Komplettlösung von Q-Soft gezeigt. Dabei ist das Modul Rechnungswesen von Diamant immer mit an Bord und fester Bestandteil der Branchenlösung für die Abfallwirtschaft.

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