Wie weiche Faktoren die harten beeinflussen

Unternehmenskultur gezielt verändern



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
In der Struktur eines Unternehmens spiegelt sich dessen Kultur wider. Das berücksichtigen viele Manager nicht ausreichend beim Planen größerer Change-Vorhaben, weshalb die Projekte oft scheitern. Außerdem unterschätzen sie häufig, welch großen Einfluss die sogenannten „softs facts“ auf solche „hard facts“ wie Umsatz und Ertrag haben, sagt Michael Schwartz.

Wie kann man Sie charakterisieren? Allein mit solchen Daten wie 45 Jahre alt, 1,80 Meter groß, blon-des Haar? Machen sie anderen Menschen klar, was Sie als Person ausmacht? Gewiss nicht! Ähnlich verhält es sich bei Unternehmen. Sie lassen sich zwar mit solchen "hard facts" wie Branche, Mitarbeiterzahl, Umsatz, Ertrag beschreiben, doch nicht charakterisieren. Und schon gar nicht sagen diese Daten etwas darüber aus, wie eine Firma "tickt". Hierfür benötigt man andere Informationen - zum Beispiel darüber, von welchen Maximen sich die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit leiten lassen, wie sie Informationen aufnehmen, mit Kunden umgehen. Kurz: Man muss die Kultur des Unternehmens kennen.

Mit ausgeglichenen Mitarbeitern und einer guten Firmenkultur lässt sich im Unternehmen auch Schwieriges erreichen.
Mit ausgeglichenen Mitarbeitern und einer guten Firmenkultur lässt sich im Unternehmen auch Schwieriges erreichen.
Foto: shock - Fotolia.com

Das wissen die meisten Unternehmensführer. Trotzdem unterschätzen sie oft, welche Chancen, aber auch Risiken, in den sogenannten "soft facts" für das Erreichen der Ziele schlummern. So kann zum Beispiel eine hoch motivierte Mannschaft (scheinbar) Unmögliches erreichen. Eine Belegschaft hingegen, die innerlich gekündigt hat, führt mittelfristig auch ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen in den Ruin.

Erfolgsfaktor und kein "Sozial-Gedöns"

Trotzdem wird in den meisten Betrieben keine bewusste Kulturarbeit betrieben, denn viele Unternehmensführer befassen sich ungern mit den "soft facts". Zum einen weil diese Erfolgsfaktoren sich schwieriger als der Umsatz mit Kennzahlen erfassen lassen. Zum anderen weil sie (unbewusst) Kulturfragen oft als "Sozial-Gedöns" abtun, der viel Zeit und Geld kostet.

Eine Ursache hierfür ist: In der öffentlichen Debatte wird das Thema Unternehmenskultur häufig auf das Hegen und Pflegen der Mitarbeiter reduziert. So berichten zum Beispiel Zeitschriften unter dem Stichwort "Unternehmenskultur" meist ausführlich über Programme zum Fördern der Mitarbeiter und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie suggerieren damit: Die Unternehmen mit den meisten und aufwendigsten Programmen dieser Art haben die "beste" Unternehmenskultur.

Dabei wird übersehen, dass sich in solchen Programmen zwar teilweise die Kultur eines Unternehmens widerspiegelt, letztlich geht es aber um tiefer greifende Fragen. Zum Beispiel darum: Von welchen Normen und Werten lassen sich die Mitarbeiter und Führungskräfte bei ihrer Arbeit leiten? Oder: Von welchen Grundeinstellungen ist die Zusammenarbeit geprägt? Denken die Mitarbeiter eher "Was mein Kollege tut, geht mich nichts an"? oder handeln sie nach der Maxime: "Wir sind ein Team. Also müssen wir kooperieren und uns wechselseitig informieren"? Oder wie geht das Unternehmen mit neuen Herausforderungen um? Werden sie verdrängt oder aktiv bearbeitet?

Kulturveränderungen erfordern Zeit

Viele Unternehmensführer sind zudem (zu Recht) davon überzeugt: Die Kultur eines Unternehmens lässt sich nur allmählich und mit einem hohen Energieaufwand verändern. Also verzichten sie im Alltag ganz auf einen entsprechenden Versuch, weil es nach ihrer Auffassung stets "Wichtigeres" beziehungsweise "Dringlicheres" zu tun gibt. Diese Haltung ist verständlich. Denn ebenso wie es seine Zeit dauert, Rennpferde zu züchten, dauert es auch seine Zeit, aus behördenähnlich agierenden Unternehmen kundenorientierte Dienstleister zu machen. Drei bis fünf Jahre muss man hierfür bei größeren Organisationen schon einkalkulieren. Denn um einen solchen (mentalen) Turnaround zu vollziehen, genügt es nicht, die Strukturen zu verändern. Das Unternehmen muss auch neue Formen der Zusammenarbeit wie zum Beispiel eine "hierarchiearme" Projektarbeit fördern. Zudem müssen die Mitarbeiter neue Denk- und Handlungsmuster und -routinen entwickeln. Das erfordert seine Zeit.

Trotzdem sollte der Versuch nicht unterbleiben, die Unternehmenskultur zu gestalten. Denn anders lassen sich viele unternehmerische Ziele - wie zum Beispiel der "Technologie-" oder der "Serviceführer" oder das "ertragsstärkste Unternehmen" in der Branche zu werden - nicht erreichen.

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