UPDATE: Merck & Co-Manager Löscher führt künftig Siemens-Konzern

20.05.2007
(NEU: Details, Hintergründe, Stellungnahme IG Metall)

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Von Alexander Becker

Dow Jones Newswires

MÜNCHEN (Dow Jones)--Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat nach einer mehr als dreiwöchiger Suche einen Nachfolger für den scheidenden Vorstandsvorsitzenden Klaus Kleinfeld gefunden. Als sein Nachfolger wurde nun Peter Löscher, bislang President Global Human Health des US-Pharmaunternehmens Merck & Co, benannt. Der 49-Jährige übernimmt Kleinfelds Posten am 1. Juli. Der Aufsichtsrat beschloss zudem weitere personelle Weichenstellungen für den Vorstand.

"Mit Peter Löscher haben wir eine herausragende Persönlichkeit für das Amt des Vorstandsvorsitzenden gewonnen", wird der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme im Anschluss an eine außerordentliche Sitzung des Gremiums zitiert. Cromme verwies dabei auf "seinen globalen Hintergrund, sein hohes internationales Renommee, seine breite Erfahrung in der Strategie-Entwicklung, Finanzmarktfragen und Technologiethemen sowie seine aufrechte Persönlichkeit", die ausschlaggebend für die Entscheidung zu Gunsten von Löscher gewesen seien.

Analysten und Aufsichtsräte hatten als wichtiges Kriterium bei den Fähigkeiten eines Kleinfeld-Nachfolgers vor allem internationale Erfahrung genannt. Löscher war vor seiner Tätigkeit bei Merck & Co unter anderem für die Höchst AG und die später fusionierte Aventis in verschiedenen Funktionen in Deutschland, den USA, Spanien Großbritannien und Japan tätig.

Seit 2006 ist Löscher Mitglied des Vorstands bei der Merck & Co Inc, Whitehouse Station, und verantwortet dort das Global Human Health Geschäft. Davor war er bei dem britischen Pharmaunternehmen Amersham plc tätig und rückte nach der Übernahme durch die General Electric Co in deren Zentralvorstand auf.

Der derzeitige Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld hatte Ende April angekündigt, nicht für eine Verlängerung seines bis zum 30. September laufenden Vertrags zur Verfügung zu stehen. Als Grund nannte Kleinfeld vor allem die mangelnde Rückendeckung durch den Aufsichtsrat. Dieser hatte Kleinfeld die Vertragsverlängerung verweigert und dabei auf den Druck der wegen der mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen ermittelnden US-Behörden verwiesen.

Nach dem angekündigten Rücktritt von Kleinfeld hatte Cromme die Suche nach einem Nachfolger vorangetrieben. In den vergangenen Wochen hatte es dazu eine Reihe von Spekulationen in den Medien gegeben. So wurden unter anderem der ABB-CEO Fred Kindle und der Linde-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Reitzle als Kandidaten für den Siemens-Vorstandsvorsitz gehandelt.

Die ungeklärte Führungsfrage bei Siemens war mit zunehmender Dauer der Suche wiederholt von Analysten und Investoren kritisiert worden. Nachdem am Freitag die Einberufung der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung für den Berichtstag bekannt wurde, legte die Siemens-Aktie um rund 4% zu.

"Ich bin überzeugt davon, dass die schwierige Aufgabe, Siemens aus der gegenwärtigen Situation in eine gute Zukunft zu führen, bei Peter Löscher in den besten Händen liegt", so Cromme. Dabei muss Löscher eine ganze Reihe von Herausforderungen meistern.

So hat Kleinfeld das neue Effizenzsteigerungsprogramm "Fit for 2010" aufgelegt und dabei die Margenzielbänder für neun von elf Siemens-Sparten angehoben. Zudem will das Unternehmen seine Rentabilität künftig auch auf Konzernebene an konkreten Zielvorgaben messen lassen. Hier setzt das Unternehmen auf die Kennziffern Return on Capital Employed (ROCE) und die Cash-Flow-Größe Cash Conversion Rate.

Neben diesen laut Analysten "ambitionierten" Zielen für das operative Geschäft muss Löscher Siemens vor allem auch durch den umfassenden Korruptionsskandal führen. Hier hatte Kleinfeld auf der Halbjahrespressekonferenz Ende April verkünden müssen, dass die möglichen dubiosen Zahlungen von Siemens-Mitarbeitern deutlich höher ausfallen können als bislang bekannt.

Derzeit hat das Unternehmen dubiose Zahlungen von Mitarbeitern der Com-Sparte über 420 Mio EUR identifiziert. Siemens hat inzwischen ihre internen Überprüfungen auf alle anderen Geschäftssparten ausgedehnt.

Der derzeit noch in den USA lebende Löscher freut sich den Angaben zufolge "sehr darauf, bei Siemens Führung und Verantwortung zu übernehmen zum Wohl von Kunden, Mitarbeitern, Investoren und Eignern". Die Ernennung zum neuen Vorstandsvorsitzenden sei eine "außerordentliche Ehre und große Herausforderung" für ihn.

Die IG Metall begrüßte die schnelle Entscheidung des Aufsichtsrats zur Kleinfeld-Nachfolge. "Das Unternehmen, die Kunden und vor allem die Beschäftigten brauchen Klarheit, deshalb ist es zu begrüßen, dass der Aufsichtsrat eine lange Hängepartie vermieden und so schnell eine Entscheidung getroffen hat. Jetzt besteht die Chance für einen Neuanfang bei Siemens. Dafür müssen nichtsdestotrotz alle erhobenen Vorwürfe restlos aufgeklärt werden", sagte Werner Neugebauer, Bezirksleiter der IG Metall Bayern.

Neugebauer äußerte die Hoffnung, dass mit dem Ausscheiden von Johannes Feldmayer aus dem Zentralvorstand und der Berufung eines neuen Vorstandsvorsitzenden nun auch die Versuche, sich für dubiose Zahlungen in Millionenhöhe eine managementfreundliche Arbeitnehmerorganisation aufzubauen, endgültig der Vergangenheit angehören.

Neben Löscher zieht noch ein weiterer Manager in den Zentralvorstand des DAX-Konzerns ein. Der 47-jährige Heinrich Hiesinger übernimmt zum 1. Juni vor allem die Zuständigkeit für die Region Europa einschließlich der Regionalorganistaion Deutschland sowie die Betreuung der Bereiche Siemens IT Solutions und Services (SIS) sowie der Gebäudetechniksparte SBT, die Hiesinger derzeit noch als Bereichsvorstand führt.

Darüber hinaus soll Hiesinger spätestens zum 31. Dezember zusätzlich das Personalressorrt von Jürgen Radomski übernehmen. Der Vertrag des 65-Jährigen läuft zum Jahresende ab. Ob Radomski den Vorstand verlassen wird, wollte ein Siemens-Sprecher auf Anfrage nicht kommentieren.

Webseite: http://www.siemens.de

-Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +496929725 505

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