UPDATE: Siemens kündigt umfassende Restrukturierung für SEN an

26.02.2008
(NEU: Details, Hintergründe) Von Alexander Becker DOW JONES NEWSWIRES

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MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Siemens AG hat für ihre zum Verkauf stehende Tochter Siemens Enterprise Networks (SEN) eine umfassende Restrukturierung angekündigt, die die Belegschaft bei SEN um rund 6.800 Stellen reduziert. 3.800 Stellen sollen insgesamt weltweit gestrichen werden, weitere 3.000 ausgelagert werden, teilte der DAX-Konzern am Dienstag mit.

Bis zu 2.000 der geplanten Stellenstreichungen entfallen dabei auf deutsche Standorte. Dies soll in Deutschland "in erster Linie das Stammhaus von SEN sowie weitere Verwaltungs- und Supportfunktionen betreffen". Von den 3.000 Stellen, die "durch geplante Verkäufe oder Lösungen mit Dritten" verlagert werden sollen, befinden sich etwa 1.200 in Deutschland.

Siemens wolle in Deutschland die Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit der Arbeitnehmerseite unverzüglich beginnen und hoffe auf einen möglichst schnellen Abschluss, um den Mitarbeitern größtmögliche Sicherheit über ihre Zukunft zu geben, wird der Arbeitsdirektor von Siemens, Siegfried Russwurm, zitiert. Insgesamt hat SEN derzeit noch 17.500 Mitarbeiter weltweit.

SEN ist neben dem Gigaset-Hersteller Siemens Home and Office Communication Devices (SHC) der letzte im Siemens-Konzern verbliebene große Teil der ehemals umsatzstärksten Unternehmenssparte Com. Hier hatte Siemens zuvor das Mobiltelefon-Geschäft an die taiwanesische BenQ verkauft, das Geschäft mit Kommunikationsnetzen in das gemeinsam mit Nokia betriebenen Joint Venture Nokia Siemens Networks (NSN) ausgelagert.

Die nun angekündigte Neuausrichtung von SEN "ist in dem sich dramatisch ändernden Telekommunikationsmarkt für Unternehmenslösungen zwingend erforderlich und unterstützt die von Siemens weiterhin verfolgte tragfähige Partnerlösung für SEN", heißt es dazu von Siemens.

Siemens sucht seit über einem Jahr einen Käufer für SEN. In der vergangenen Woche hatte Dow Jones Newswires aus Kreisen erfahren, dass Siemens die Tochter zunächst umfassend restrukturieren müsse, um einen Käufer für die Tochter zu finden und entsprechend kurzfristig mit der Ankündigung von harten Einschnitten zu rechnen sei.

"Wir werden den beschleunigten Umbau von SEN und den damit verbundenen Sanierungskurs unter der Kontrolle von Siemens beginnen und damit auch sicherstellen, dass die mit der Sanierung einhergehenden Personalmaßnahmen so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden", wird Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser in der Mitteilung zitiert.

SEN kämpft derzeit wie die gesamte Industrie mit einem fundamentalen Wandel im Geschäft mit Kommunikationsanlagen für Unternehmen. So verlagert sich die Technik weg von Hardware-basierten Systemen hin zu Software-Lösungen. Entsprechend werden etwa in der Fertigung weniger Mitarbeiter gebraucht, auf der anderen Seite verstärkt Software- und IT-Spezialisten von den Anbietern im Markt benötigt. Siemens hatte im vergangenen Sommer bereits den Abbau von rund 600 Stellen bei SEN angekündigt.

Siemens kündigte weiter an, dass SEN im Zuge der Wandlung hin zu einem Software-Anbieter auf eine eigene Fertigung in Zukunft verzichten werde. In Deutschland soll das SEN-Werk in Leipzig mit derzeit rund 530 eigenen Mitarbeitern sowie das Nachrichtenkabelgeschäft mit rund 60 Mitarbeitern verkauft oder in Lösungen mit Dritten eingebracht werden.

Darüber hinaus werde durch SEN für rund 570 Mitarbeiter aus dem Direktvertrieb für Kunden von kleineren und mittelgroßen Systemen eine Partnerschaft mit einem IT-Anbieter angestrebt. Im Weltgeschäft will SEN die Werke im griechischen Thessaloniki und brasilianischem Curitiba veräußern oder in Lösungen mit Dritten einbringen. Davon sind 270 bzw. 470 Mitarbeiter betroffen. Im Einzelfall könne eine Schließung nicht ausgeschlossen werden. Die nicht zum SEN-Kernportfolio gehörenden Auftrags-Call-Center in Argentinien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru mit insge-samt rund 1.100 eigenen Mitarbeitern stehen zum Verkauf.

Angaben zu den Kosten der nun angekündigten tief greifenden Restrukturierung machte das Unternehmen zunächst auch auf Nachfrage nicht. Siemens kündigte für den Vormittag eine Pressekonferenz zu der Neuausrichtung von SEN in München an.

Siemens will SEN früheren Angaben zufolge bis Mitte des Jahres verkaufen. Dabei steht Siemens nach Einschätzung von einer mit der Situation vertrauten Person unter Zeitdruck. So führt Siemens SEN seit Juli 2007 als nicht fortzuführendes Geschäft in der Bilanz. Laut Bilanzierungsrichtlinien müsste das Unternehmen SEN aber nach einem Jahr wieder in die Bilanz nehmen, wenn kein Verkauf vereinbart werden konnte. Entsprechend strebt Siemens auch einen Verkauf bis Mitte des Kalenderjahres 2008 - also Juni 2008 - an, heißt es in der jüngsten Pflichtmitteilung an die SEC.

Die Siemens-Aktie reagierte mit einem Kurszuwachs auf 90,40 EUR auf die angekündigte SEN-Restrukturierung, gab danach aber wieder einen Teil der Gewinne ab. Um 9.44 Uhr notierte das Papier in einem etwas festeren Gesamtmarkt noch 1,6% im Plus bei 90,11 EUR.

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/nas

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