UPDATE: Siemens vertagt Entlastung von Vorständen bis auf Löscher

16.01.2008
(NEU: Hintergrund, Details)

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Von Alexander Becker

DOW JONES NEWSWIRES

MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Siemens AG will die ursprünglich für die Hauptversammlung am 24. Januar vorgesehene Entlastung von derzeitigen und ehemaligen Vorständen für das Geschäftsjahr 2006/07 vertagen. Lediglich über die Entlastung des Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher sollen die Aktionäre auf der Versammlung abstimmen, teilte der Münchner DAX-Konzern am Mittwoch mit und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung".

Das Präsidium des Aufsichtsrats und der Vorstand hätten eine entsprechenden Vorschlag unterbreitet, über den der Aufsichtsrat auf einer außerordentlichen Sitzung am 21. Januar abstimmen soll.

Die mit der Aufklärung der Korruptionsaffäre beauftragte US-Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton erhalte "im Zuge der unabhängigen Untersuchung durch das Amnestie-Programm des Unternehmens laufend neue Informationen". Vorstand und Präsidium des Aufsichtsrats erscheine es daher "empfehlenswert, die vorsorgliche Vertagung der Entlastung der Vorstandsmitglieder im Geschäftsjahr 2007 der Hauptversammlung vorzuschlagen".

Wie die Süddeutsche Zeitung zuvor unter Berufung auf Angaben aus Unternehmens- und Aufsichtsratskreisen berichtet hatte, haben in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend Beschäftigte das Angebot von Konzernchef Peter Löscher genutzt, auszupacken und dafür von Schadensersatzforderungen oder anderen harten Strafen verschont zu bleiben. Die Mitarbeiter hätten bei ihren Vernehmungen durch Debevoise & Plimpton auch Vorwürfe geäußert, die bis in die Vorstandsetage reichten. In den vergangenen Jahren sei dort das System der schwarzen Kassen und Schmiergeldzahlungen teilweise wissentlich geduldet worden.

Vertagt werden soll nun die Entlastung von Klaus Kleinfeld (bis 30 Juni 2007 Vorstandsvorsitzender), Rudi Lamprecht, Eduardo Montes, Jürgen Radomski, Uriel Sharef, Klaus Wucherer (jeweils bis Ende 2007 im Vorstand), Joe Kaeser, Erich Reinhardt, Hermann Requardt und Heinrich Hiesinger (alle gegenwärtig Mitglied des Vorstands). Wie Siemens mitteilte, unterstützen auch die betroffenen ehemaligen Mitglieder des Vorstands den Vorschlag der Vertagung.

Debevoise & Plimpton treffe keine namentliche Aussage für einzelne Vorstandsmitglieder, heißt es weiter. Ausgenommen davon sei Löscher, da er im Untersuchungszeitraum noch nicht für Siemens tätig gewesen sei und eine Vertagung seiner Entlastung daher nicht vorgesehen ist. Siemens hatte in der Einladung zur Hauptversammlung bislang bis auf Johannes Felmayer, der nach seiner Inhaftierung im Frühjahr 2007 von seinen Aufgaben entbunden wurde, die Entlastung aller Vorstände vorgeschlagen.

Ebenfalls verschoben werden soll laut Siemens die Entlastung von denjenigen Aufsichtsratsmitgliedern, die seit 1999 Mitglieder des Vorstands waren. Diese Beschreibung trifft nur auf Heinrich von Pierer zu. Dieser war vor seinem Wechsel an die Spitze des Aufsichtsrats von 1993 bis 2005 Vorstandsvorsitzender von Siemens. Von Pierer hatte im April die Konsequenz aus den zahlreichen Affären bei Siemens gezogen und war als Vorsitzender des Aufsichtsrates zurückgetreten.

Gegen eine Entlastung von den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrats bestehen auf Basis der derzeitigen Informationen von Debevoise keine Bedenken. Aktuell gebe es zudem keine neuen Informationen, die einer Wiederwahl der drei gegenwärtigen Aufsichtsratsmitglieder Gerhard Cromme, Josef Ackermann und Lord Iain Vallance of Tummel entgegen stehen. Damit bestätigte Siemens entsprechende Angaben aus einem Debevoise-Brief, über den Dow Jones Newswires bereits in der vergangenen Woche berichtet hatte.

In den vergangenen Wochen hatten bereits mehrere Aktionäre Gegenanträge für die Siemens-Hauptversammlung gestellt, die auf eine Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abzielen.

Die Siemens-Aktie reagierte kaum auf die angekündigte Vertagung. Das Papier notierte um 17.20 Uhr MEZ 1,7% im Minus bei 95,06 EUR.

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/cbr

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