UPDATE: VDO-Arbeitnehmer gegen Verkauf an Finanzinvestor

20.07.2007
(NEU: Aussagen von VW-Betriebsrat, Aktienkursentwicklung, Aussagen von Siemens-

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Gesamtbetriebsrat)

Von Alexander Becker

Dow Jones Newswires

MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Arbeitnehmer der Siemens VDO Automotive AG fordern vom Management und Aufsichtsrat der Siemens AG, die Autozuliefertochter an die Börse zu bringen und nicht an einen Investor zu verkaufen. "Wir erwarten, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Siemens AG den Börsengang umsetzen, so wie es den Mitarbeitern angekündigt und in der Presse mehrfach favorisiert wurde", heißt es in einem Brief des VDO-Betriebsrats Regensburg an die Beschäftigten vom Freitag, in den Dow Jones Newswires Einsicht hatte.

Zugleich warnten Arbeitnehmervertreter aus der Automobilindustrie vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Automobilhersteller, sollte Siemens VDO an einen Finanzinvestor verkaufen. Vor dem Hintergrund des derzeit laufenden Bieterwettstreits zwischen der Continental AG und TRW/Blackstone um Siemens VDO forderte der Volkswagen-Konzernbetriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh die deutsche Pkw-Industrie in einem Interview mit Dow Jones Newswires auf, sich des Themas nicht nur in diesem konkreten Fall anzunehmen.

Osterloh forderte die Hersteller zudem auf, nicht in Abhängigkeit von Hedgefonds und Kapitalgesellschaften zu geraten, "die rein von Renditedenken beherrscht werden". Er warnte vor möglichen Produktionsausfällen, wenn die Zulieferbetriebe durch Private-Equity-Gesellschaften finanziell ausgehöhlt werden. Der VDO-Betriebsrat selbst pochte auf einen Börsengang des Automobilzulieferers und verwies auf die Aussagen von Siemens zum Börsengang. "Mitte Mai wurde uns die Ausgliederung aus der Siemens AG als erster Schritt in Richtung Börsengang zur Zukunftssicherung schmackhaft gemacht. Wir sollten uns durch das Interesse von Finanzinvestoren an unserer Firma nicht verunsichern lassen", heißt es in dem Schreiben des Betriebsrats.

Dow Jones Newswires hatte zuvor von mit der Situation vertrauten Personen erfahren, dass sich VDO-Wettbewerber Continental mit US-Automobilzulieferer TRW und dessen Mehrheitseigner Blackstone ein Bietergefecht um die Siemens-Tochter liefern. Continental soll demnach knapp über 11 Mrd EUR und Blackstone knapp über 12 Mrd EUR bieten.

Der VDO-Betriebsrat Regensburg fordert angesichts der Trennung vom Mutterkonzern Siemens unter anderem Zusagen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie das Verbleiben im Flächentarifvertrag. "Unabhängig davon, welche Lösung letztendlich auf uns zukommt wird der Betriebsrat die Standort- und Beschäftigungssicherung als wichtigste Kernaufgabe betrachten", heißt es dazu in dem Brief.

Ein Börsengang bringe "Geld in das Unternehmen, ganz im Gegenteil zu einem Verkauf, bei dem der Verkaufserlös bei der Siemens AG bleibt und die Verkaufssumme im neuen Unternehmen erwirtschaftet werden muss". Der Betriebsrat plädiert zudem dafür, den Standort Regensburg in seiner jetzigen Größe zu erhalten und als Hauptsitz des Unternehmens weiterzuführen. So würde eine Verlegung des Firmensitzes den Abbau "von vielen Arbeitsplätzen in Controlling und Verwaltung zur Folge haben".

Regensburg ist seit der Ausgliederung von Siemens VDO in eine rechtlich eigenständige Gesellschaft Anfang Juni der Sitz des Unternehmens und mit über 7.000 Mitarbeitern größter Standort des Automobilzulieferers in Deutschland. Insgesamt beschäftigt Siemens VDO weltweit rund 53.000 Mitarbeiter, davon rund 21.000 in Deutschland.

Ein Siemens-Sprecher verwies mit Blick auf eine kürzlich vom neuen Siemens-Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher getätigte Aussage: "Wir werden das Thema Siemens VDO unter dem Wertgesichtspunkt abarbeiten. Der Vorstand wird dem Aufsichtsrat baldmöglichst einen Vorschlag machen, über den dieser entscheiden wird. Wir werden das Thema sauber und ordentlich im Aufsichtsrat diskutieren."

Der VDO-Betriebsrat unterstützt nach eigenen Angaben zudem "Lösungen, die den positiven Teil der Siemens-Kultur mit der sozialen Absicherung der Mitarbeiter durch Betriebsrente und andere soziale Maßnahmen weiter gewährleisten". Die Grundlage dafür sei die Beibehaltung des Flächentarifvertrages. Um die finanzielle Basis dafür zu garantieren, seien "natürlich eine wettbewerbsfähige Unternehmenssituation und Gewinne notwendig".

"Überzogene Gewinnvorgaben zur Schuldentilgung oder für Ausschüttungen an Anteilseigner lehnt der Betriebsrat aber ab und berücksichtigt dies bei der Beurteilung der möglichen Szenarien", schreibt der Regensburger Betriebsrat weiter in dem Brief, ohne dieses näher auszuführen.

An der Börse wurden die Aussagen des VDO-Betriebsrats offenbar eher skeptisch aufgenommen. Am Mittag notieren Siemens-Aktien in einem schwächeren Gesamtmarkt 1,9% im Minus bei auf 106,68 und sind damit der viertgrößte Verlierer im DAX.

Händler verwiesen darauf, dass sich nun der Betriebsrat gegen den Verkauf an einen Finanzinvestors ausspreche, nachdem am Vortag von politischer Seite für einen Verkauf des Automobilzulieferers VDO an Continental plädiert wurde. Möglicherweise werde Siemens beim Verkauf eine politische Entscheidung treffen und nicht dem höchsten Bieter den Zuschlag geben, so ein Händler.

Siemens hatte in der Vergangenheit mehrfach erklärt, dass für eine Entscheidung über das weitere Vorgehen für einen möglichen VDO-Komplettverkauf verbindliche Angebote vorliegen müssen. Den bisherigen Aussagen des Vorstands zufolge wird ein Verkauf zwar nicht ausgeschlossen, Priorität besitzt aber ein Börsengang, den das Unternehmen bereits im Januar dieses Jahres angekündigt hat.

Bei einer Entscheidung zu Gunsten eines Verkaufs muss der Siemens-Vorstand jedoch in seinem Aufsichtsrat nicht zwingend mit dem Widerstand der Arbeitnehmerseite rechnen. Diese schließt eine Veräußerung von VDO an einen strategischen Investor oder einen Finanzinvestor nicht kategorisch aus. "Es kommt auf das Angebot an", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, Ralf Heckmann, laut "Euro am Sonntag".

"Wenn wir hinreichende Arbeitsplatzsicherheit bekommen, stimmen wir auch einem Verkauf - auch an einen Finanzinvestor - zu", so Heckmann, der gleichzeitig Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Siemens ist.

Favorisiert werde jedoch nach wie vor der Börsengang. Das ist gegenwärtig Beschluss des Aufsichtsrats", so Heckmann. Am kommenden Mittwoch berät das Siemens-Kontrollgremium über die Zukunft der Autozu­liefersparte.

Webseite: http://www.siemens.de

http://www.siemensvdo.de

-Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 - 5521 4030

(Michael Brendel hat zu diesem Artikel beigetragen)

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