UPDATE: Wirecard um Transparenz bemüht, aber neue Fragen

01.07.2008

(NEU: Aussagen aus Analyse)

Von Martin Rapp

DOW JONES NEWSWIRES

GRASBRUNN (Dow Jones)--Die Wirecard AG hat sich nach den Kursverlusten der vergangenen Woche darum bemüht, ihr Geschäftsmodell zu erläutern. Auf seiner Webseite veröffentlichte der Anbieter elektronischer Zahlungssysteme am späten Montag eine Liste mit Fragen und Antworten. Eine am Dienstag veröffentlichte Analyse von SES Research stellt jedoch neue Fragen an das Grasbrunner Unternehmen, die die Anfälligkeit des Wachstums durch zu hohe Abhängigkeit vom Internet-Glücksspiel betreffen.

Am Donnerstag war der Aktienkurs des TecDAX-Unternehmens um zeitweise 30% eingebrochen. Dies hatte das Unternehmen auf Leerverkäufe durch Hedgefonds zurückgeführt, die geliehene Aktien erst verkauft hätten, um sie dann bei gesunkenen Kursen wieder einzusammeln. Dabei seien bewusst Gerüchte gestreut worden, welche zur Verunsicherung von Wirecard-Aktionären geführt hätten. Seit dem Tief von 6,26 EUR am vergangenen Freitag hat sich die Aktie mittlerweile auf 8,24 EUR erholt.

Die von Finanzmarktteilnehmern in Frage gestellte Beteiligung an der Wirecard Bank AG erklärt das Unternehmen damit, dass dies der Zahlungsabwicklung diene und eine Vertiefung der Wertschöpfungskette ermögliche, vor allem bei der Zahlung im Kreditkarten- und Lastschriftbereich.

Diese Aussage unterstützt eine Analyse von SES Research. Die von Wirecard verlangte Transaktionsgebühr setzt sich neben der Gebühr an die Kreditkartenemittenten auch aus der Gebühr für den Zahlungsempfang (Acquiring-Gebühr) und der Gebühr für die technische Abwicklung (Processing-Gebühr) zusammen. Seit dem Bankerwerb trage die Acquiring-Gebühr zum Ergebnis bei, heißt es in der Analyse.

Fraglich sei allerdings, ob Wirecard die derzeitige Höhe der erzielten Transaktionsgebühr von 3% halten könne. Für SES Research ist eine Gebühr in dieser Höhe ein Premiumpreis, vor allem im Vergleich mit der Konkurrenz, die zum Beispiel fixe Processing-Gebühren im Gegensatz zu volumenabhängigen Gebühren verlangt.

Die Tochterunternehmen in Irland, Gibraltar und British Virgin Islands erklärte das Unternehmen mit den vielen Internetunternehmen, die ihren Sitz dort haben. Diese Kunden von Wirecard sollten Anlaufpunkte an diesen Destinationen haben. Die Gesellschaften in Österreich und Philippinen würden der Expansion in Mittel- und Osteuropa bzw. Asien dienen.

Die Analysten von SES Research schließen aus den regionalen Schwerpunkten von Wirecard auf den Ergebnisbeitrag des Geschäfts mit Internet-Glücksspiel. Laut der Analyse sind im vergangenen Jahr 76% des Ergebnisses an bevorzugten Glücksspielstandorten wie Gibraltar oder Irland entstanden. Auch bemängeln die Analysten die fehlende Auflistung der Umsätze nach Industrien. Der angegebene 20%-Anteil von Internet-Glücksspiel am Transaktionsvolumen verschleiert eventuell höhere Provisionen in diesem Bereich, von dem die Analysten ausgehen.

Wäre der Beitrag dieses Geschäfts zum Ergebnis höher als die 20% des Transaktionsvolumens, dann rechnet SES Research mit geringeren Wachstumsaussichten für Wirecard. Dieser Markt sei weitgehend aufgeteilt und unterliege politischen Risiken. Außerdem seien in diesem Bereich die Rückbelastungsrisiken bei Zahlungsvorgängen höher.

Den negativen operativen Cash-Flow im ersten Quartal erklärte Wirecard damit, dass dieser stichtagsbezogen ausgewiesen werde. Dem Online-Zahlungsabwickler fließen Geldmittel vor allem von Kreditkartenorganisationen zu. Erst mit einer zeitlichen Differenz wird das Geld dann an die mit Wirecard zusammenarbeitenden Händler weitergereicht.

Bereinigt um diese Bruttoeffekte und unter Herausrechnung der Kundeneinlagen habe Wirecard im ersten Quartal einen positiven operativen Cash-Flow von 7,77 Mio EUR erzielt. Mit dem Halbjahresbericht will Wirecard nun ihren operativen Cash-Flow anschaulicher erklären.

Das Unternehmen ging auch auf das Ausscheiden des Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Rehnig ein und erneuerte seine Aussage, die Trennung sei im besten Einvernehmen erfolgt. Rehnig habe sein Amt aus persönlichen, gesundheitlichen Gründen aufgegeben.

Da das von Wirecard berichtete EBIT-Wachstum im Jahr 2007 von 78% zum großen Teil akquisitionsgetrieben gewesen sei, rechnet SES Research unter Betrachtung aller Umstände in den Jahren 2009 und 2010 mit einem geringeren EBIT-Wachstum als bisher. Die Analysten empfehlen, die Aktie zu halten und senken das Kursziel auf 8,80 (13,50) EUR.

Webseite: http://www.wirecard.de -Von Martin Rapp, Dow Jones Newswires; +49 (0) 69 29725 104; unternehmen.de@dowjones.com DJG/mmr/smh

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