Viel Raum für Interpretationen

08.03.2007
Von Heiko Beyer
Zum Beitrag "Steuerfalle Papierarchiv" in der ChannelPartner-Ausgabe 07/07 erreichten uns zahlreiche Zuschriften. Rechtsanwalt Heiko Beyer beantwortet die wichtigsten Fragen.

Das Thema elektronische Signatur im Zusammenhang mit der elektronischen Archivierung von Unterlagen und Belegen wird zurzeit in der Praxis recht kontrovers aufgenommen. Zum einen lassen schwammige gesetzliche Formulierungen zur Archivierung hinreichenden Interpretationsspielraum hinsichtlich der Fragen "wie?" und "womit?", zum anderen pochen Entwickler neuester Softwarelösungen im Bereich Signatur und Dokumentenmanagement auf deren Unerlässlichkeit für die rechtskonforme Abwicklung derartiger betrieblicher Vorgänge.

Nicht zuletzt als Reaktion auf unseren Beitrag "Steuerfalle Papierarchiv" (ChannelPartner 07/07, Seite 30) erreichten uns eine Menge Anfragen und Meinungen zur aufgeworfenen Problematik, die nicht unbeachtet bleiben sollen, denn nur durch Feedback aus der Praxis wird ersichtlich, wie neue technische Normen und gesetzliche Regelungen in der Wirtschaft aufgenommen und umgesetzt werden und wo Aufklärungs- und Beratungsbedarf besteht.

Deshalb möchten wir die Diskussion um die Anwendung der elektronischen Signatur im Zusammenhang mit der papierlosen Archivierung geschäftlicher Dokumente noch einmal vertiefen und intensiver beleuchten. Insbesondere die Textpassage "Erfolgt die Aufbewahrung (von kaufmännischen Belegen) mittels Scannens und Indizierens, müssen die Unversehrtheit der Daten und die Übereinstimmung mit dem Papierbeleg mittels einer elektronischen Signatur garantiert werden." erregte Aufsehen unter den Praxisvertretern von Softwareanbietern und Anwendern und zeigt sich als besonders geeignet, für die Problematik zu sensibilisieren und sie kontrovers zu diskutieren.

Fehlende konkrete Vorschriften

Stellvertretend für viele Standpunkte erreichte uns die Meinung von Wolfgang Heinrich, Produktmanager der Easy Software AG, Hersteller elektronischer Dokumentenmanagement- und Archivierungssysteme (DMS). Herr Heinrich ist aktives Mitglied der Competence Center "Steuern und Recht" und "Elektronische Signaturen" des VOI, dem Branchenverband der Hersteller, Dienstleister und Berater für DMS, und befasst sich in dieser Stellung seit vielen Jahren mit den rechtlichen Grundlagen der elektronischen Archivierung.

Herr Heinrich kritisiert nicht ohne Grund die appellierende Formulierung "müssen" bei der Verwendung der elektronischen Signatur im Zusammenhang mit der Archivierung. Sie erscheint geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass ein Anwender, der beim Scannen kaufmännischer Belege keine elektronische Signatur verwendet, gegen geltendes Recht verstößt und zum Beispiel bei einer Steuerprüfung mit Problemen zu rechnen hat.

Die Argumentation stützt Herr Heinrich richtigerweise auf fehlende konkrete Verwaltungsvorschriften beziehungsweise Gesetze, die, wie für Sozialversicherungsträger bereits geschehen, die Verwendung einer elektronischen Signatur beim Scannen zwingend vorschreiben.

So heißt es in den für die Archivierung von gescannten Dokumenten maßgebenden Richtlinien, den Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) vom 07.11.1995:

Unveränderbarer Index muss sein

Das mittels Scannen entstandene digitale Dokument ist mit einem unveränderbaren Index zu versehen. Hard- und softwaremäßig muss sichergestellt sein, dass das Scann-Ergebnis unveränderbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschriften zu einer Zeit verfasst wurden, als das CD-Laufwerk gerade begann, die Disketten abzulösen. An DVDs oder gesetzliche Regelungen bezüglich digitaler Signaturen war hier noch nicht zu denken.

Nach aktueller Aussage des Bundesministeriums für Finanzen in Berlin sind die gesetzlichen Formulierungen an dieser Stelle auch deshalb bewusst "schwammig" gestaltet, da der Gesetzgeber hier aus wettbewerbsrechtlichen Gründen kein Verfahren in den Vordergrund rücken möchte und darf.

Zudem würde die Festlegung einer speziellen technischen Methode zu einem Entwicklungsstillstand auf dem Gebiet in der Hinsicht führen, dass keine neuen innovativen Sicherungsverfahren entwickelt werden würden, denn warum sollten Soft- und Hardwareentwickler Unsummen an Forschungsgeldern in die Entwicklung immer ausgeklügelter und sicherer Archivierungssysteme investieren, wenn die gesetzliche Notwendigkeit für die Praxis nicht gegeben ist? Das Finanzministerium betonte in diesem Zusammenhang lediglich, dass die Prüfbarkeit der elektronisch archivierten Dokumente nach den Vorgaben und Richtlinien der GoBS und GDPdU gewährleistet werden muss.

Dokumente elektronisch signieren

Unstrittig ist jedoch, dass sich seit dem Jahr 1995 viel auf dem Datensicherungssektor getan hat. Dokumentenmanagementsysteme und Archivierungssysteme sind (wei-ter-)entwickelt worden. Auch Verschlüsselungen und die WORM-Technologie (write once read many, zum Beispiel einmal beschreibbare CD-Rs) wurden weiter verfeinert.

Durch Inkrafttreten des Signaturgesetzes mit Wirkung zum 01.01.2001 wurde aus den anfänglichen Überlegungen und Erprobungen zur elektronischen Signatur per Gesetz ein Instrument, das die Echtheit und Unverändertheit elektronischer Daten nach dem neuesten Stand der Technik gewährleistet. Hiermit erhalten natürliche Personen fortan die Möglichkeit, digitale Daten und Dateien zu signieren.

Von diesen neuen technischen Möglichkeiten wurde sodann auch auf behördlicher Ebene reger Gebrauch gemacht. So gibt es, wie von Herrn Heinrich erwähnt, für Sozialversicherungsträger bereits gesetzliche Regelungen (SRVwV), dass gescannte Dokumente elektronisch zu signieren sind. Hierdurch soll der Beweis angetreten werden, dass die Originale mit dem Abbild übereinstimmen.

Derartige gesetzliche Regelungen existieren für private Wirtschaftssubjekte derzeit nicht. Jedoch sollte man beachten, dass die qualifizierte elektronische Signatur im Zusammenhang mit der elektronischen Archivierung von Unterlagen und Belegen dazu genutzt werden kann, die oben zitierten Anforderungen der GoBS hinsichtlich der Unveränderbarkeit des Scannergebnisses in bisher höchster technischer Form zu garantieren.

Gesamtprozess muss transparent sein

Durch vielfältige Kontakte zu Kunden, aber auch zu Juristen und Steuerberatern weiß Herr Heinrich aus der Praxis zu berichten, dass die angestrebte und notwendige "Unversehrtheit der Daten und die Übereinstimmung mit dem Papierbeleg" momentan teils durch die technischen Eigenschaften der Archivprodukte, teils durch organisatorische Mittel des Anwenders erreicht werden. Wesentlich ist dabei vor allem der dokumentierte und prüfbare Gesamtprozess der Archivierung. Beachtet man diese Grundsätze und nutzt für seine Archivierung geprüfte und anerkannte Software, wird man, so Heinrich, auch ohne die Anwendung der elektronischen Signatur keine Schwierigkeiten bei Betriebsprüfungen bekommen, wenn die Dokumentenerfassung und -archivierung nachvollziehbar gestaltet und dokumentiert sind.

Hierbei sollte aber berücksichtigt werden, dass die technische Entwicklung auch vor den Finanzbehörden nicht Halt macht. An dieser Stelle sei beispielsweise auf die digitale Betriebsprüfung (GDPdU, Idea), die Online-Steuerfahndung per XPpider und die elektronische Abgabe der Steuererklärungen per Elster verwiesen.

Welche Anforderungen die Finanzverwaltung künftig an die technischen Rahmenbedingungen speziell im Zusammenhang mit der elektronischen Archivierung haben wird, kann aus heutiger Sicht nicht abschließend dargestellt werden.

Letztendlich muss jeder Unternehmer für sich entscheiden, welche Verfahren er einsetzen möchte, um sicherzustellen, dass die Übereinstimmung mit den Originalbelegen und die Unveränderbarkeit der digitalen Abbilder gewährleistet sind. Da es sich insbesondere bei der Archivierung nicht um eine kurzfristige Sichtweise handelt, empfehlen wir von OnlineSteuerRecht.de an dieser Stelle jedoch grundsätzlich die Lösung mit der höchsten Sicherheit. MF

Zur Startseite