Tech-Data-Chef Michael Dressen

"Viele Händler werden überflüssig"

Ronald Wiltscheck widmet sich bei ChannelPartner schwerpunktmäßig den Themen Software, KI, Security und IoT. Außerdem treibt er das Event-Geschäft bei IDG voran. Er hat Physik an der Technischen Universität München studiert und am Max-Planck-Institut für Biochemie promoviert. Im Internet ist er bereits seit 1989 unterwegs.
Im Vorfeld des 4. Tech Data Kongresses am 15. Oktober und des dort angesetzten Launches des Tech-Data-Cloud-Marktplatzes sprachen wir mit dem Geschäftsführer Michael Dressen und der für das Cloud-Geschäft verantwortlichen TD Azlan-Chefin Barbara Koch.
 
  • Wie der Tech Data Cloud-Marktplatz aussehen wird
  • Wie sich Tech Data im Volume-Geschäft aufstellt
  • Wie Michael Dressen den Distributionsmarkt in 5 Jahren sieht
  • Was Barbara Koch bei Azlan vor hat

Warum Cloud Computing als Thema des Tech Data Kongresses?

Michael Dressen: Unsere ersten Kongresse waren visionär, etwa zum Thema Big Data vor zwei Jahren. Dieses Mal geht es bei unserem Kongress um konkrete Cloud-Themen und -Lösungen für den Handel, und wie er sich auf dieses neue Business einstellen muss.

Barbara Koch: Cloud Computing ist bereits ein Fokusthema für etliche unserer Vertriebspartner - für viele weitere wird es das in den kommenden Monaten werden.

Mit welchen Herstellern arbeiten Sie im Cloud-Segment bereits zusammen?

Koch: Mit fast allen. Bei den meisten Herstellern steht Cloud ganz oben auf der Agenda.

Welche Public-Cloud-Anwendungen werden derzeit von Endkunden nachgefragt?

Koch: Es gibt fast keine reinen Public Cloud-Umgebungen. Public Cloud Services, wie Backup-, Restore- und Recovery-Services, werden hauptsächlich im Hybrid-Modell betrieben.

Dressen: Der deutsche Markt ist nicht unbedingt der Vorreiter in Sachen Cloud-Technologie. Aber große Unternehmen und der öffentliche Sektor beschäftigen sich zunehmend mit dieser Thematik - zwar nicht im Bereich Public Cloud, sondern im Hybrid oder Privat Cloud-Umfeld. Diese Kunden wollen ihre laufenden Ausgaben für IT besser einplanen und bevorzugen deshalb OPEX- vor CAPEX-Investitionen. Der deutsche Mittelstand wird sicherlich noch eine Weile brauchen.

Ist dabei der Datenschutz immer gewährleistet?

Dressen: Die von den großen Service Providern garantierte Datensicherheit liegt oft viel höher als bei vielen kleineren Firmen, die nicht die dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllen.

Warum sollten denn Reseller Cloud-Lösungen weiterverkaufen, wenn sie dabei pro Projekt weniger verdienen als mit den klassischen Installationsdienstleistungen?

Dressen: Es gibt natürlich Fachhändler, die eigene Rechenzentren betreiben und im Cloud-Business bereits erfolgreich agieren. Klassische Hard- und Software-Reseller verlieren hier an Boden. Die Margen beim reinen "Cloud-Reselling" werden weiterhin überschaubar bleiben. Um hier mehr zu verdienen, müssen Cloud-Reseller ihren Kunden zusätzliche Services verkaufen.

Bedeutet dies, dass die Zahl der Reseller insgesamt abnehmen wird, da mit Hilfe der Cloud-Technologie ein Reseller mehr Kunden mit IT ausstatten kann?

Dressen; Ja, das ist so. Versierte Fachhändler können rasch neue Kunden gewinnen und sogar expandieren. Anwender bringen ihre eigenen Endgeräte in die Firma ("Bring your own Device", ByoD) und beziehen die Software verstärkt aus der Cloud.

Barbara Koch, Managing Director Azlan Tech Data GmbH & Co. OHG: "Services, wie Hosting, wird nicht jeder Reseller anbieten können."
Barbara Koch, Managing Director Azlan Tech Data GmbH & Co. OHG: "Services, wie Hosting, wird nicht jeder Reseller anbieten können."
Foto: Tech Data

Koch: Value Added Reseller müssen sich als Cloud-Berater profilieren und ihren Kunden Antworten liefern: Welche Software kann der Kunde aus der Cloud beziehen? Welche Anwendungen sollte er "On-premise" vorhalten? Wie sieht die Integration von Public Cloud-Anwendungen in einer Hybrid- Umgebung aus?

Services, wie Hosting, wird nicht jeder der heutigen Reseller anbieten können oder wollen. Kleinere Händler haben die Chance, mit größeren Systemhäusern zusammenzuarbeiten - da sind viele Spielarten an Kooperationen denkbar.

Dressen: Ähnlich wie die Tante-Emma-Läden verschwanden, werden viele der kleineren ITK-Fachhändler ihre Daseinsberechtigung verlieren. Immer mehr Kunden beziehen schon heute die benötigten IT-Services direkt aus der Cloud - da braucht es nicht mehr so viele Wiederverkäufer. Die bisherige Balance - Händler verschwinden, neue Händler kommen hinzu - die gibt es nicht mehr. Die ganz großen Systemhäuser kaufen die mittelgroßen auf, die ganz kleinen geben auf. Das ist ein Prozess, den die älteren Industrien schon hinter sich haben.

Wird es dann in fünf Jahren nur noch die ganz großen Systemhäuser geben?

Koch: Systemhäuser, die nur ein traditionelles Infrastruktur- und Produktportfolio anbieten, wird es wahrscheinlich weniger geben. Es werden weitere neue, innovative Dienstleister entstehen, die die neuen Technologien nutzen und anbieten.

Brauchen diese neuen Dienstleister denn überhaupt noch die Distribution?

Dressen: Die Distribution wird es so lange geben, so lange es den Handel gibt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir für diese neuen innovativen Fachhändler attraktiv sind und bleiben.

Die Konsolidierung in der Distribution ist aber noch nicht abgeschlossen, oder?

Dressen: Richtig, auch bei den Broadlinern noch nicht. Und das ist keine schlechte Nachricht für den Fachhandel, denn obwohl die absolute Zahl der Distributoren stetig abnimmt, bleibt der Wettbewerbsdruck erhalten - ähnlich wie im Lebensmittelhandel.

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