Lebensversicherung

Was Sie zum Widerruf des Lebensversicherungsvertrags wissen müssen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Weshalb sich der Widerspruch auch ohne Rechtsschutzversicherung lohnen kann, sagen Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm.

Versicherungsgesellschaften haben ihren Kunden vor Vertragsabschluss gemäß § 7 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG 2008) die "Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Informationen in Textform mitzuteilen".

Dies galt bereits gemäß § 5a VVG (a.F.) bei Lebensversicherungen, die vor dem 01.01.2008 abgeschlossen wurden. Nur bei letzteren war das Widerrufsrecht gemäß § 10a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) lediglich für juristische Personen nicht vorgesehen.

Bei Verträgen ist grundsätzlich ein Widerrufsrecht vorgesehen.
Bei Verträgen ist grundsätzlich ein Widerrufsrecht vorgesehen.
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Die dort enthaltene Begrenzung des Widerrufsrechts auf ein Jahr bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung ist für Lebensversicherungen europarechtswidrig. Angesichts nur niedriger Rückkaufswerte bei Fällen der Kündigung einer Lebens- oder Rentenversicherung erhalten Versicherungsnehmer (VN) regelmäßig auch jetzt noch wenig vom Versicherer, so dass die Regelung zu den Widerrufsfolgen in § 9 VVG für seit 01.01.2008 abgeschlossene Lebensversicherungsverträge ebenso europarechtswidrig sein könnte. Denn der VN bekommt bei Widerruf nach einem Jahr nicht mehr, als ihm in Form des Rückkaufswertes ohnehin bei Kündigung zusteht.

Beweislast für Widerrufsbelehrung beim Finanzhaus

Die Beweislast für die Mitteilung, deren Vollständigkeit und richtige Gestaltung (optisch und textlich) liegt regelmäßig beim Versicherer. Wenn ein Gericht zutreffend feststellt, dass für den Zugang der Vollbeweis zu erbringen sei, so heißt das aber nur, dass es keine Beweiserleichterungen gibt, also z.B. bestimmte Zugangsvermutungen. Der Vollbeweis ist hier regelmäßig durch Indizien zu erbringen, zur richterlichen Überzeugung, § 286 Zivilprozessordnung (ZPO). Es wird auch beim "Vollbeweis" keine 100%ige völlig zweifelsfreie Sicherheit verlangt. "Der Zugang ist zu beweisen" stellt also an den Versicherer keine unmöglich erfüllbaren Ansprüche. In Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen lässt sich die Beweislast jedoch nicht zum Nachteil des Kunden abändern, § 309 Nr.12 BGB.

Es kommt vor, dass die Widerrufsbelehrung, die erteilt worden sein sollte, reproduziert wurde. Es fiel dann dem VN auf, dass zu dem Datum der vorgelegten Widerrufsbelehrung das Unternehmen im Kopf noch gar nicht existiert hatte.

Diese Daten wurden nicht gespeichert; allenfalls der Termin, zu dem eine Widerrufsbelehrung erstellt wurde. Diese ist dann zentral gespeichert, und man weiß, welche es zu dem Termin ist. So wird es dann ggf. reproduziert. Die Texte der Widerrufsbelehrung sind historisiert, ggf. noch mit einer Versions-Nummer. Ebenso ggf. die Vorstandsleiste, weil diese doch öfters wechseln. Im Massengeschäft weis der Versicherer, dass er bei allen Kunden zu einem Zeitpunkt die gleichen Texte und gleichen Verfahren angewandt hat. Aber leider reicht die Technik nicht, auch noch das betreffende Unternehmen mit seinem jeweiligen Namen zu historisieren.

Eine Reproduktion besagt also eigentlich nur: Der Kunde hat dies bekommen, weil zu dieser Zeit alle Kunden dies bekommen haben (sollten). Man reproduziert dann das Schriftstück, so wie es nach den vorhandenen Daten ausgesehen haben müsste, in der festen Überzeugung, dass es mit tatsächlichen in Form und Inhalt übereinstimmt. Gerichte befassen sich damit kaum, sondern glauben dem reproduzierten Augenschein. Peinlich, wenn dann auffällt, dass es so auf keinen Fall ausgesehen haben kann. Das ist ungefähr so, wie wenn Sie ein Originalgemälde von 1815 vom Einmarsch Blüchers und Wellingtons in Paris verkaufen wollen, auf dem korrekt der Arc de Triomphe, aber leider im Hintergrund auch (bereits) der Eifelturm zu sehen ist.

Auch für Scans von Originalen gilt: "Glaube keinem Scan, den Du nicht selbst gefälscht hast" (Chaos Communication Congress - 31C3, vom 28.12.2014).

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