Interview mit Jürgen Dressler (JDC) und Dr. Michael Groß (Peakom)

"Weg vom Komfort-Marketing"

17.12.2007
Die Studie "Partnerprogramme 2007" ist ein gemeinsames Projekt von ChannelPartner und den Beratungsfirmen JDC und Peakom. ChannelPartner-Chefreporterin Marzena Fiok sprach mit den Firmenchefs über Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie.

Was ist das Ziel eines Partner-programms aus Herstellersicht?

Jürgen Dressler: Hersteller haben ganz klar zwei Hauptziele. Zum einen versucht man, mithilfe eines Partnerprogramms die Händler an sich zu binden. Zum anderen gehört dazu die Partnerentwicklung mit dem grundsätzlichen Hauptziel der Umsatzgenerierung und -steigerung.

Weitere interessante Ansätze wären, den Händler stärker zu nutzen, um den Markt und die Kunden besser zu verstehen, doch dies wird leider zu wenig umgesetzt. Zumindest in der Theorie wird außerdem beispielsweise noch die Kompetenzerweite-rung genannt, doch dies ist kein ursprüngliches Hauptziel.

Was ist der wesentlich Grund eines Händlers oder System-hauses, an einem Partnerpro-gramm teilzunehmen?

Dressler: Hier muss man grundsätzlich differenzieren, da es für große Händler andere Beweggründe gibt als für ganz kleine. Wie in der Studie sehr deutlich wurde, erwarten Händ-ler hauptsächlich einen guten Sup-port des Herstellers, vor allem auf der technischen Seite, jedoch auch auf einer persönlichen Beziehungsebene. Des Weiteren spielen natürlich auch finanzielle Aspekte eine Rolle, ob in Form von Einkaufsrabatten, Projektpreisen oder Bonuszahlungen.

Letztendlich ist aber die Partner-programmteilnahme für viele Händ-ler auch eine Voraussetzung dafür, überhaupt verschiedene Produkte verkaufen zu können beziehungsweise speziellen Hersteller-Support zu erlangen.

Können Sie ein besonders gutes Partnerprogramm nennen? Welcher Hersteller zeichnet sich hier aus?

Dressler: Ein in allen Belangen sehr gutes Partnerprogramm kenne ich nicht, daher sollte dieses Thema grundsätzlich für alle Beteiligten interessant sein. Es gibt in vielen Teilaspekten bereits sehr gute Beispiele, doch ich möchte an dieser Stelle nicht nur einen einzigen hervorheben. Dafür ist mir die jeweils ganzheitliche Erfüllung der Kriterien zu schwach.

Außerdem haben manche seit Jahren eine sehr dominante Markt-stellung inne, beispielsweise First-Mover, aufgrund deren Basis es heute schwer fällt, etwaige Partnerpro-grammaktivitäten zu bewerten.

Warum reicht es nicht, dem Vertriebspartner einfach ein gutes Produkt zu einem wettbewerbsfähigen Preis mit einer auskömmlichen Marge anzubieten? Wäre dies nicht das Beste?

Dressler: Gute Produkte sind natürlich die wichtigste Voraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche Partner-schaft! Doch in vielen Segmenten sind die Produkte der einzelnen Hersteller mittlerweile relativ leicht austauschbar. Daher ist es zwingend notwendig, sich rund um die eigenen Produkte ernsthafte Gedanken zu machen hinsichtlich eines Mehrwertkonzeptes für den Handel.

Die wesentlichen Gründe für das Scheitern liegen aus Händlersicht in der suboptimalen Kommunikation, der mangelnden Überschaubarkeit sowie der Kluft zwischen der Theorie und Praxis. Sehen das die Hersteller auch so?

Dressler: "Ein einfaches Partner-programm kann ja jeder" sagen sich vielleicht einige Channel-Verantwortliche und fangen an zu zaubern. Nein, im Ernst, es wird aus meiner Sicht viel zu viel Zeit mit "Singing & Dancing" verbracht als mit einer tiefer gehenden Ausein-andersetzung miti der Materie. Meistens hakt es an den sogenannten Basics, dem einfachen Konzept und der guten Kommunikation, um zwei Beispiele zu nennen.

Des Weiteren werden die Partner-programme oftmals durch zu viele Köche quasi aufgebläht. Es werden viele Kompromisse gemacht, zum Beispiel bei einem paneuropäischen Programm, um sämtliche Länder-interessen zu berücksichtigen.

Am deutlichsten wird jedoch der Punkt der fehlenden Händlerein-bindung in den Studienergebnissen. Eine alte Marketingregel besagt, dass man nicht nur für den Kunden/Partner entwickeln soll, sondern auch mit dem Kunden/Partner.

Die Händler kritisieren, dass viele Partnerprogramme zu starr sind und sich zu wenig an ihre besonderen Umstände anpassen lassen. Ist das nicht nur ein frommer Wunsch? Sind sozusagen individuelle Partnerpro-gramme überhaupt möglich?

Dressler: Die Voraussetzung für individuelle Programme sind detaillierte Kenntnisse für die zu spezifizierenden Zielgruppen. Oft sind die Datenbanken aber schlecht gepflegt beziehungsweise teilweise faktisch gar nicht vorhanden. Dann oberflächliche Daten hinzuzukaufen und mit "anonymen" Marke-tingaktionen zu verknüpfen ist hinausgeworfenes Geld.

Um es deutlich zu sagen: Wer in Zukunft dauerhaft erfolgreich sein will, muss in Market Intelligence investieren und sich selbst ein Fundament an Markt-Know-how aufbauen. Man wird dadurch nicht nur selbst besser und effektiver, sondern lässt auch den Wettbewerb hinter sich. Die Devise muss lauten: Weg vom "Komfort"-Marketing, hin zum "fact-based"-Marketing! Somit ist auch der Aufwand eines individuellen Partnerprogramms durch die effizientere Umsetzung gerechtfertigt, und man kann das alte "Umbrella"-Partnerprogramm mit seiner Ineffizienz und Trägheit getrost in die Schublade legen.

Was sind die wesentlichen Elemente eines guten Partner-programms, Herr Dr. Groß?

Dr. Michael Groß: Dazu gehören von Seiten der Hersteller: erstens eine klare Darstellung der Bedingungen und Leistungen, zweitens überschaubare und zugleich attraktive Unterlagen zum Programm insgesamt und zu einzelnen Elementen wie Verkaufsrunden - Print, Online und gegebenenfalls auch Mobil - und drittens ein leichter und zuverlässiger Zugriff auf Händlerservices und -leistungen, von Support bis Status-Boni

Worauf kann Ihrer Meinung nach verzichtet werden?

Groß: Hierzu zählen vor allem zum einen Kick-off-Events oder Roadshows, die Zeit und Geld kosten, und zum anderen immer wieder neue Anreize und Programmelemente, die nur verwirren und den Partner vor die Frage stellen: Was ist jetzt gültig, was ist am wichtigsten? Partnerprogramme sollten die Konstante im ständig wechselnden Produkt- und Serviceumfeld sein.

Welches Ergebnis bzw. welche Aussage hat Sie am meisten überrascht?

Groß: Dass es schwierig ist, ein erfolgreiches Partnerprogramm zu machen, obwohl man meinen könnte, dass es eine große Lernkurve bei vielen Herstellern geben müsste. Gleichzeitig hätte ich auch größere Unterschiede in den einzelnen Händlergruppen erwartet. Offenbar drückt viele der Schuh an der gleichen Stelle was wiederum Partnerprogramm nicht einfacher macht, da die kleinen Unterschiede bekanntlich die größte Wirkung haben.

Händler würden gerne öfter in die Konzeption von Partner-programmen eingebunden werden. Warum geschieht dies derzeit noch so selten?

Groß: Zu einen wollen die Hersteller nicht jeden jederzeit in ihre Karten schauen lassen, was verständlich ist. Zum anderen ist auch bei den Händlern häufig ein Unterschied zwischen Fordern "Fragt uns doch!" und tatsächlichem Mitmachen "Ich habe gerade keine Zeit!" festzustellen. Es jedem recht machen geht nicht, umso wichtiger ist ein konsequentes Partnerprogramm.

Ist nicht Einfachheit ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg? Dann wären doch auch die Kommunikation leichter und die Umsetzbarkeit in die Praxis einfacher.

¬ªPartnerprogramme sollten die Konstante im ständig wechselnden Produkt- und Serviceumfeld sein.¬´ Dr. Michael Groß
¬ªPartnerprogramme sollten die Konstante im ständig wechselnden Produkt- und Serviceumfeld sein.¬´ Dr. Michael Groß
¬ªMeistens hakt es an den Basics: dem einfachen Konzept und der guten Kommunikation.¬´ Jürgen Dressler
¬ªMeistens hakt es an den Basics: dem einfachen Konzept und der guten Kommunikation.¬´ Jürgen Dressler

Groß: Kurz und knapp: Ja!

Jürgen Dressler

ist Geschäftsführer und Inha-ber der JDC GmbH & Co. KG. Der Geschäftsbereich Chanex bietet umfassende Beratungsdienstleistungen zur Entwick-lung neuer Vertriebskanäle, Ausweitung von Vertriebs- und Marketingaktivitäten und Optimierung von Vertriebs-prozessen. Zuvor war Jürgen Dressler selbst als Channel-Manager bei verschiedenen IT-Herstellern, darunter Xerox, tätig.

Kontakt und Infos:

www.jdc-online.de;

www.chanex.de

Dr. Michael Groß

Der frühere Schwimmwelt-meister und Olympiasieger ist heute Inhaber und Ge-schäftsführer der Peakom GmbH. Die Kommunikations-beratungsfirma entwickelt und realisiert kreative Lösungen, Kommunikationsstrategien, -konzepte und -kampagnen in den Bereichen Corporate Bran-ding, Channel-Marketing und Change Communication. Er und sein Team beraten Kun-den aus verschiedenen Bran-chen, darunter Finanzen, Dienstleistungen, Bau- und Immobilien, IT/Telekommu-nikation, Energie/Industrie sowie Pharma/Gesundheit.

Kontakt und Infos:

www.peakom.de

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