IDC kommentiert

Wie IBM und Lenovo den Server-Markt umkrempeln

24.01.2014
Was hat IBM zum Verkauf der x86-Server-Sparte bewogen? Was sind die Folgen für Kunden, Partner und den gesamten Markt? Wer profitiert? IDC ist dem Deal auf den Grund gegangen.
Giorgio Nebuloni, Research Manager Server bei IDC Europe
Giorgio Nebuloni, Research Manager Server bei IDC Europe
Foto: IDC

Von Giorgio Nebuloni, Research Manager Server bei IDC Europe

IBM ist in der Region EMEA mit einem Marktanteil von 13 Prozent der drittgrößte Hersteller von x86-Servern, nach HP und Dell. Mit den Systemen erwirtschaftete Big Blue in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres rund 900 Millionen US-Dollar Umsatz. Lenovo konnte in dieser Region, gemessen an Umsatz und Stückzahlen, bislang nur weniger als ein Prozent Marktanteil auf sich verbuchen.

Die Übernahme der IBM-x86-Server-Sparte könnte Lenovo in Europa und in der geamten EMEA-Region in der Rangliste der größten Server-Hersteller somit auf Platz Drei katapultieren. Denn dieser Deal ermöglicht es Lenovo auf einen Schlag Zugang zu einer breiten Kundenbasis, zu einer erfahrenen Vertriebsmannschaft und zu den IBM Business Partnern. Obendrein trägt der Deal dazu bei, den Bekanntheitsgrad der eigenen Marke zu erhöhen.

Hinzu kommt, dass Lenovo mit IBMs PureSystems- und Blade-Linien erstmals auch integrierte Datacenter-Lösungen anbieten und damit das eigene Profil selbst gegenüber Großkunden aufpolieren kann.

All dies fehlte Lenovo bislang. Das war auch der wesentliche Grund, weshalb es Lenovo, Acer und anderen asiatischen Hersteller noch nicht gelungen ist, ihre Marktanteile in der EMEA-Region nennenswert zu erhöhen.

Diese Hindernisse hat Lenovo nun aus dem Weg geräumt. Dell und HP müssen sich deshalb auf einen stärkeren Wettbewerber im SMB-Umfeld gefasst machen, der in diesem Marktsegment weitaus aggressiver als agieren könnte, als IBM in der Vergangenheit. Zumal Lenovo seit der Übernahme der IBM-PC-Sparte weiß, wie man einen zugekauften Geschäftsbereich erfolgreich integriert und vorantreibt.

Warum trennt IBM sich vom x86-Geschäft?

IBM hat es nicht geschafft, das x86-Business so weit zu skalieren, um der Konkurrenz in diesem Segment gefährlich zu werden. Ohnehin will IBM den Infrastruktur-Bedarf ihrer Kunden künftig größtenteils durch Angebote aus der Cloud (Iaas) decken. Der Kauf von Softlayer und IBMs jüngste Ankündigungen haben dieses Ansinnen erneut verdeutlicht. Rackspace, Amazon Web Services und Microsoft sind also die Konkurrenten, mit denen sich IBM messen will.

Obendrein rangieren die Bruttomargen im x86-Umfeld Schätzungen der IDC zufolge zwischen 15 und 25 Prozent, abhängig vom Volumen und der Effizienz der gesamten Betriebsabläufe. Mit High-End-Servern hingegen lassen sich 40 bis 50 Prozent Bruttomarge realisieren, im Software-Bereich sogar 70 Prozent und mehr. Diese beiden Segmente wird IBM weiter bedienen. Selbst das Geschäft mit Infrastructure as a Service (IaaS) könnte - trotz der weit verbreiteten Annahme, die Profitabilität sei hier gering - für IBM profitabler sein als das x86 Business.

Auswirkungen für Vertriebspartner und Kunden

Mittelfristig wird sich für Channel-Partner und Kunden in Europa kaum etwas ändern. Möglicherweise ist Lenovo sogar stärker Channel-orientiert als IBM. Schließlich laufen bei Lenovo fast 100 Prozent der Server-Umsätze über die Distribution.

IDC empfiehlt IBM-Partnern und -Kunden, an der Zusammenarbeit mit dem Hersteller aktuell nicht zu rütteln, gleichzeitig aber dieses Zeitfenster zu nutzen, um sich über die eigenen, langfristigen Anforderungen im Bereich Infrastruktur klar zu werden und dazu eine Strategie zu entwerfen. Fragen sollte man sich beispielsweise, was auch künftig im eigenen Haus betrieben, welche Bereiche in die Cloud verlagert, und welche Dienste als Managed Services von externen Partnern betreut werden sollen. Zu klären ist außerdem, mit welchen Anbietern man künftig zusammenarbeiten möchte.

Allerdings: Der IBM-Lenovo-Deal ist längst nicht abgeschlossen. Die amerikanischen Behörden könnten dem Verkauf noch einige Steine in den Weg legen. IDC rät deshalb von überstürzten Reaktionen jeder Art ab.

Wer profitiert am meisten?

Theoretisch passt der Deal in die Gesamtstrategie beider Hersteller: Lenovo kann damit den bereits eingeschlagenen Weg zur Diversifizierung seines PC-Kerngeschäfts fortsetzen, IBM den Wandel in Richtung Cloud Provider.

Entscheidend wird sein, wie die Unternehmen den Übergang zu den höherwertigen x86-Blade-Umgebungen bewerkstelligen werden, die in manchen Bereichen die Legacy-Unix-Systeme als Plattform für die relevantesten Enterprise Applikationen abgelöst haben.

Klar ist, dass IBM nur noch die Power-basierten Teil der Blade-Umgebungen und die Storage-Systeme behalten wird. Das erfordert in der Konsequenz eine langfristige Zusammenarbeit mit Lenovo bei zahlreichen Kundenumgebungen, in denen momentan sowohl x86- als auch Power-Blades oder System-z Mainframes oder auch Storage-Systeme eingesetzt werden. Wir kennen hier zwar nicht die Details, wissen aber aus Erfahrung: Der Teufel steckt im Detail. (rb)

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