Wohin geht die Reise?

Peter Schreiber ist Inhaber des Beratungs- und Trainingsunternehmens Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld bei Heilbronn. Er ist unter anderem Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham, Referent bei Industriemedien sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.
Viele Verkäufer wissen nicht, wofür ihr Unternehmen steht und wohin es sich entwickeln möchte. Entsprechend unstrukturiert bearbeiten sie den Markt. Deshalb sollten Unternehmen eine eigene Vision und Strategie für ihren Vertrieb entwickeln, meint Peter Schreiber.

Was würde geschehen, wenn morgen das Unternehmen BMW Pleite ginge? Oder die Deutsche Bank? Oder Siemens? Tausende von Mitarbeitern würden ihren Job verlieren. Doch aus Marktsicht wären die Folgen gering. Denn die Mitbewerber genannter Unternehmen würden in kürzester Zeit die entstandene Marktlücke schließen. Niemand müsste deshalb auf ein Auto, ein Girokonto oder einen Kühlschrank verzichten.

In dieser Situation befinden sich heute fast alle Unternehmen. Sie sind ersetzbar. Es gibt genügend Mitbewerber, die gerne ihre Leistungen erbringen würden. Entsprechend schnell können sie vom Markt verschwinden. Also müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass sie dieses Schicksal nicht ereilt - zum Beispiel, indem sie ihren Kunden bessere Produkte oder mehr Service als die Mitbewerber bieten.

Herausragende Leistung

Solche "Unique Selling Propositions" (USP) genannten Unterscheidungsmerkmale müssen in jahrelanger Kleinarbeit aufgebaut werden. Also müssen alle Mitarbeiter - vom obersten Lenker bis zum Pförtner - wissen, wofür ihr Unternehmen steht und wohin es sich entwickeln möchte. Deshalb formulieren viele Unternehmen eine Unternehmensvision. Doch diese Leitbilder sind in Verruf geraten. "Die enthalten nur wohl klingende Sätze, um deren Einhaltung sich niemand schert", lästern viele Mitarbeiter. Diese Kritik ist begründet, denn oft verfassen Unternehmen ihre Vision mit Blick auf ihre Kunden. Deshalb gleichen viele Leitbilder Werbepostillen. Die Folge: Weder die Kunden noch die Mitarbeiter können erkennen, was das Unternehmen von seinen Mitbewerbern unterscheidet. Und es geht aus ihnen nicht hervor, wohin sich das Unternehmen entwickeln möchte - unter anderem, weil statische Aussagen wie "Wir sind" dominieren. Es fehlen jedoch Aussagen wie "Wir streben danach", die eine Entwicklungsperspektive aufzeigen.

Wohin die Reise gehen soll, müssen die (Vertriebs-)Mitarbeiter aber wissen. Sonst fehlt ihnen eine Handlungsrichtlinie, aus der sie ableiten können, wie sie sich verkaufstaktisch verhalten sollen. Hierfür ein Beispiel: Ein Verkäufer erfährt, dass ein Kunde eine neue Computeranlage benötigt; außerdem, dass er überlegt, ob er sie kaufen oder leasen soll. Weiß der Verkäufer nicht, dass sein Unternehmen sich vom PC-Hersteller zum IT-Dienstleister entwickeln möchte, bleibt es dem Zufall überlassen, ob seine Taktik darauf abzielt, mit dem Kunden einen Kauf- oder Leasingvertrag abzuschließen. Und schon gar nicht erwägt er, darauf hinzuarbeiten, dass der Kunde seine IT outsourct.

Eine Vision für den Vertrieb entwickeln

Verkäufer benötigen einen Bezugsrahmen für ihr Handeln. Diesen bietet ihnen die offizielle Vision des Unternehmens oft nicht. Zwar wird in diesem Papier meist ausführlich über Kundenorientierung und Technologieführerschaft schwadroniert, selten enthält es aber Aussagen wie:

3 Wir wollen eine so starke Marktposition aufbauen, dass wir bei allen Erstausstattungsgeschäften mit einem Volumen von über 100.000 Euro Umsatz als Erste um ein Angebot gebeten werden. Oder:

3 Wir wollen uns vom führenden Hersteller von Kaffeemaschinen zum führenden Systemanbieter für erlebnisorientierten Kaffeegenuss entwickeln.

Deshalb sollten Unternehmen neben der offiziellen Vision eine spezielle Vertriebsvision entwerfen, die klar benennt, wohin sich das Unternehmen entwickeln möchte.

Keinesfalls darf die Unternehmensführung aber die Illusion hegen, mit dem Verfassen dieser Vertriebsvision sei ihre Arbeit erledigt. Denn nun beginnt erst die eigentliche Aufgabe, weil Aussagen wie "Wir wollen der führende Systemanbieter werden" offen lassen, wie dieses Ziel erreicht wird. Hierfür bedarf es einer klaren Strategie. Das Unternehmen muss sich also über Folgendes Gedanken machen: Was sollten wir tun, um unsere Vision zu realisieren? Wie sollte unser Leistungsangebot aussehen? Wie sollten wir den Markt bearbeiten? Wie sollten die Abläufe im Verkauf gestaltet sein? Welche Qualifikation brauchen unsere Verkäufer?

Strategie richtig umsetzen

Lautet die Vision "Wir wollen der führende Systemanbieter für erlebnisorientierten Kaffeegenuss werden", könnte die Strategie folgende Elemente enthalten:

3 Wir entwickeln ein Dienstleistungspaket rund um das Produkt Kaffee.

3 Wir verleasen Kaffeeautomaten samt Zubehör.

3 Wir kooperieren mit einem Gastronomieeinrichter, um künftig Kaffee-Landschaften gestalten zu können.

3 Wir schulen unsere Verkäufer zu Fachberatern, die Kunden beim Führen ihrer Betriebe unterstützen.

Die Strategie markiert also den Weg zum Realisieren der Vision. Und aus ihr werden wiederum Maßnahmen abgeleitet, um sich der Vision Schritt für Schritt zu nähern. Dabei muss regelmäßig überprüft werden, ob das Unternehmen noch auf dem richtigen Weg ist. Also gilt es, Etappenziele zu definieren. Diese Meilensteine könnten für obiges Beispiel lauten: Bis Mitte 2008

3 haben wir alle Verkäufer zu Fachberatern ausgebildet,

3 haben wir 30 Gastronomiebetreiber als (Franchise-)Partner gewonnen und deren Betriebe in Modellbetriebe umgewandelt,

3 erzielen wir ein Viertel unseres Umsatzes mit Serviceleistungen,

3 verfügen wir über die Marketing- und Verkaufsinstrumente, die Gastronomen brauchen, um ihre Betriebe vor Ort erfolgreich zu vermarkten.

Und im Jahr 2010? Dann

3 haben wir in der Branche den Ruf, der innovativste Gastronomiepartner zu sein,

3 existiert in allen Städten mit mehr als 150.000 Einwohnern ein Modellbetrieb,

3 erzielen wir die Hälfte unseres Umsatzes mit Serviceleistungen.

Ziele mit den Verkäufern vereinbaren

Anhand dieser Meilensteine kann ermittelt werden, was die Verkäufer tun müssen, damit die Etappenziele erreicht werden. Davon ausgehend lassen sich (Jahres-) Ziele mit den Verkäufern vereinbaren.

Bezogen auf den Meilenstein "Wir wollen bis 2008 30 Gastronomiebetreiber als Partner gewonnen und deren Betriebe in Modellbetriebe umgewandelt haben", könnten diese lauten: Bis Oktober 2006 identifiziert jeder Verkäufer drei Zielkunden, die als Modellbetriebe in Betracht kommen, und ermittelt, unter welchen Prämissen sie eine Partnerschaft eingehen würden. Erhalten die Verkäufer von ihren Vorgesetzten dann noch ausreichend Unterstützung, um diese Ziele zu erreichen, dann bewegt sich die Organisation in Richtung Vision.

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