Neues von der Getgoods.de AG

"Zwei völlig komplette Buchführungen"



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Ein Bericht zur Gläubigerversammlung der Getgoods.de AG zeichnet ein fragwürdiges Bild von der Geschäftspraxis bei dem insolventen Online-Händler: So soll es eine doppelte Buchführung gegeben haben und vor der Pleite zur Entnahme eines Millionenbetrags gekommen sein.
Die berichteten Details von der Gläubigerversammlung lassen die Getgoods.de AG in keinem guten Licht erscheinen
Die berichteten Details von der Gläubigerversammlung lassen die Getgoods.de AG in keinem guten Licht erscheinen
Foto: Getgoods

Die Bremer Rechtsanwaltskanzlei Robert, Kempas, Segelken vertritt mehrere geprellte Anleger, die im Zuge des Insolvenzverfahrens gegen die Getgoods.de AG versuchen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Nachdem bereits der Rundfunk Berlin-Brandenburg vergangene Woche gemeldet hatte, dass viele Anleger des insolventen Elektronikversenders mit einem Totalausfall rechnen müssen, liefert der Bericht der Kanzlei von der Gläubigerversammlung am Firmenstandort Frankfurt/Oder nun viele weitere Details zu den Geschäftspraktiken der Getgoods-Führungsriege.

"Nach dem derzeitigen Kenntnisstand sollen erhebliche Anzeichen für deliktische Seinsformen bestehen", heißt es darin unter Bezugnahme auf den Insolvenzverwalter der Getgoods.de AG - mit anderen Worten: die bisherige Aufarbeitung der Getgoods-Pleite deutet durchaus auf kriminelle Energie hin. So seien zwei völlig komplette Buchführungen entdeckt worden, eine interne und eine offizielle.

Weiter wird berichtet, dass fünf Tage vor der Insolvenz 13 Millionen Euro von einem Geschäftskonto von Getgoods verschwunden seien. Dieser Betrag ist identisch mit der letzten, 14 Tage vor der Insolvenz des Elektronikversenders aufgelegten Tranche der Mittelstandsanleihe des Unternehmens. Nach Angabe von Robert, Kempas, Segelken liegen zudem Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Getgoods eine Insolvenzreife bereits im Frühjahr 2013 bestanden haben soll.

Moniert wird auch der Geldfluss innerhalb des Getgoods-Firmengeflechts. So seien 60 Millionen Euro rechtswidrig von der Dachgesellschaft Getgoods.de AG an die für den Betrieb der Onlineshops zuständige Getgoods Vertriebs GmbH geflossen. "Eigentlich sollte es umgekehrt sein", hält die Bremer Rechtsanwaltskanzlei in ihrem Bericht fest: das Geld der Vertriebsgesellschaft hätte an die Getgoods-Dachgesellschaft fließen müssen. Da inzwischen beide Gesellschaften insolvent sind, hat dieser Unterschied allerdings nur noch theoretische Bedeutung.

Trostprämie für die Getgoods-Anleger?

Die Anwälte von Robert, Kempas, Segelken sind dennoch optimistisch, dass am Ende des Insolvenzverfahrens zumindest für die Käufer der Getgoods-Anleihe noch ein "Trostpreis" heraussspringen könnte. So befänden sich derzeit 230.000 Euro auf dem Konto der Getgoods.de AG. Dieser Betrag werde sich voraussichtlich um die folgenden Positionen erhöhen: "Erstattung der Vorsteuer von ca. 300.000 €, Verkauf von Geschäftsanteilen ca. 600.000 €, Anfechtung einer Gehaltsauszahlung in Höhe von 75.000 €, weitere 5-10.000.000 € könnten sich durch Klagen gegen die vorhandenen D&O-Versicherungen bzw. Vertrauensschadenshaftpflichtversicherungen ergeben." Für die Gläubiger der Getgoods.de AG könnte nach Angabe des Insolvenzverwalters damit im besten Fall eine Rückzahlungsquote in Höhe von 10 Prozent übrig bleiben.

Wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichten auch die Bremer Anwälte von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige Getgoods-Geschäftsführung. Im Zentrum der Nachforschungen stünde dabei die unrichtige Darstellung von Umsatzzahlen in Quartalszahlen gemäß § 400 Aktiengesetz. Dabei bestehe ein Zusammenhang zum - bereits kurz nach der Insolvenzanmeldung bekannt gewordenen - widerrechtlichen Verkauf von 192.000 Handys sowie der damit verbundenen Fehlverwendung von Vermögenswerten in Höhe von 50 Millionen Euro. (mh)

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