Bundesverfassungsgericht

IT-Grundrecht gegen anonyme Hetzer und Spinner im Internet

28.03.2008
Website-Betreiber dürfen keine Plattform für Denunziationen bieten.

Das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität von IT-Systemen verbessert nach Auffassung von Internetkennern nicht nur die Bürgerrechte gegenüber Onlineausspähungen des Staates: "Das Karlsruher Urteil stärkt den Einzelnen auch gegen Übergriffe von anonymen Denunzianten und Heckenschützen. Nicht nur der Staat bedroht die Privatsphäre und die Freiheitsrechte, sondern auch Internetportale, bei denen man sehr leicht mit Pseudonymen und phantasievollen Kürzeln seine Identität verbergen und eine Suada an Beleidigungen, Behauptungen und Denunziationen loslassen kann. Wenn Website-Betreiber eine Plattform für strafrechtlich relevante Tatbestände bieten, müssen sie jetzt mit ernsten Konsequenzen rechnen", so Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash, im Gespräch mit dem Onlinemagazin NeueNachricht.

Der jetzige Zustand in Blogs und Foren sollte nach Meinung von Nadolski schnell beendet werden. Wer die Freiheiten der Technologie dazu nutze, andere zu verleumden, verletze elementare Grundrechte. "Nun behaupten jene, die die Anonymität im Netz verteidigen, ihre freie Rede wäre gefährdet, wenn sie sich mit ihrem Namen dazu bekennen würden. Sie würden Nachteile erleiden müssen. Wer so argumentiert, spielt dem wachsenden Kontrollbedürfnis - etwa des Staates - erst recht in die Hände. Denn aufseiten jener, die Kontrolle ausüben wollen, werden stets die Beispiele angeführt, bei denen Anonymität dazu führt, dass letzte Hemmungen verloren gehen. Anonymität führt zum Generalverdacht und, schlimmer noch, zur Bedeutungslosigkeit. Ein Netz, dessen Bewohner weder Name noch Adresse haben, hat auch keine Stimme, wenigstens keine ernstzunehmende, bleibt stumm und Spielball der Macht", moniert brand eins-Redakteur Wolf Lotter.

Pseudonyme mögen in Diktaturen nötig sein. "Wer sie in Demokratien verwendet, schadet der offenen Gesellschaft. Die Freiheit der Rede, zu der Redlichkeit, Anstand und Fairness gehören, leidet darunter. Die Freiheit des Wortes hat nur dann Gewicht in einer Demokratie, wenn sie von real existierenden Bürgern wahrgenommen wird. Blog-Heckenschützen und anonyme Diskutanten vermögen so wenig zu verändern wie vermummte Chaoten oder heimliche Brandstifter und nächtliche Schlägertrupps. Sie sind, was sie sind: feige Gewalttäter. Ein Bürger hat einen Namen. Dieses Herkunftszertifikat garantiert echte Haltung", sagt Lotter.

Anonymität führe zum Gegenteil der Freiheit: "Sie führt zur Meinungswillkür, zur Ahnungslosigkeit, zum selbst gewählten Autismus. Derlei ist nicht schützenswert, sondern gefährlich. Anonymität fördert die Feigheit und stützt alle jene, die gegen eine offene Gesellschaft sind. Eine offene Gesellschaft erträgt unterschiedliche Meinungen und Positionen. Feigheit aber ist die Vorhut der Tyrannen, sie ist ihre stärkste Legion", sagt Lotter. Die Rechtspolitiker des Bundestages und das Bundesjustizministerium sollten nach Auffassung des IT-Experten Nadolski jetzt schnell ihre Hausaufgaben erledigen, um die Privatheit als Kern der persönlichen Freiheit gegen Zugriffe des Staates und gegen Übergriffe aus der Gesellschaft im zu verteidigen. Quelle:www.ne-na.de (mf)

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