"Wer Preispunkte setzen will, braucht Volumen"

25.11.2004
Beko, der türkische OEM-Hersteller von TVs, DVD-Playern und -Rekordern für Grundig, Akai, LG, Toshiba und Aiwa, will unter dem eigenen Brand "Phocus" im europäischen Markt eine gewichtigere Rolle spielen. Dazu hat er dieniederländische Vertriebsfirma Phocus Electronics und Winfried Hoffmann ins Boot geholt. Von ComputerPartner-Redakteurin Ulrike Goressen

Was haben Beko, Phocus Electronics und Winfried Hoffmann gemeinsam? Sie wollen mit der neuen Marke "Phocus" den europäischen CE-Markt aufmischen. Europäisch ist auch dieses Trio: Beko, vielen als "Retter" der angeschlagenen Grundig (übernahm 50 Prozent der Anteile) ein Begriff, ist ein traditionsreicher Großkonzern, der in der Türkei braune, weiße und IT-Ware produziert und über ein eigenes Händlernetz mit 6.500 Filialen verfügt.

Außerhalb der Türkei ist Beko eher als OEM-Hersteller bekannt. So stellt das Unternehmen allein in diesem Jahr voraussichtlich rund acht Millionen Fernseher her. Das bedeutet: Jeder dritte Fernseher, der 2004 in Europa verkauft wird, kam aus der Türkei, wurde aber meist unter Labels wie Grundig, Akai, LG, Toshiba oder Aiwa verkauft.

Doch jetzt werden die Prioriäten verschoben. Gemeinsam mit der niederländischen Phocus Electronics - dem verlängerten Vertriebsarm von Beko - soll unter dem neuen eigenen Brand "Phocus" parallel zur OEM-Produktion ein neues Standbein aufgebaut werden. Dazu wurden auch die Produktionskapazitäten in der Türkei verdoppelt.

Vertrieb und Service liegen bei Phocus Electronics, das im September 2004 in der Nähe des Amsterdamer Großflughafens Schiphol den Hauptsitz eingerichtet hat. Lager und Logistik sind in Venlo beheimatet, wo sich der erweiterte Containerhafen von Rotterdam befindet.

Um den deutschen, österreichischen und schweizerischen CE-Markt sowie Großbritannien und Skandinavien kümmert sich seit November Phocus Electronics in Bad Homburg. Dahinter steckt ein bekanntes IT-Urgestein: Winfried Hoffmann. Er leitete die Geschäfte von Commodore, ASI Computer, Compaq und FSC. Seit zwei Jahren beschäftigt er sich gemeinsam mit seinem Sohn Hendrik mit dem Thema CE, etwa bei Gericom, in dessen Aufsichtsrat er sitzt.

Dabei müssen die neuen Partner nicht bei Null anfangen. Immerhin wurden bereits über 40.000 Fernseher über den klassischen Retail wie Metro, Real und Kaufhof abgesetzt. "Wir wollen die komplette Breite des Marktes angehen", erklärt Winfried Hoffmann und berichtet von Verhandlungen mit bekannten Kooperationen wie Red Zac und EP. Und in Zukunft will er auch irgendwann etablierte Distis wie Ingram Micro oder Tech Data angehen.

Aktuell besteht das Produktportfolio aus LCD- und Plasma-TVs, aber auch aus Röhrenfernsehern. Besonders gut nachgefragt wird nach seinen Angaben das TV-Gerät mit eingebautem DVD-Player. Ab dem nächsten Jahr sollen auch erstmals DVD-Player- und -Rekorder unter eigenem Label folgen. Wer von vornherein Geräte unter der eigenen Hausmarke verkaufen will, sollte schon mindestens 20.000 Stück abnehmen. Wem dies zu viel ist, der kann ab Januar auch standardisierte White-Box-Produkte kaufen und nachträglich mit dem eigenen Label bekleben.

Die Zielvorgaben sind recht selbstbewusst. Laut Hoffmann will Phocus Electronics in 2005 europaweit einen Umsatz von 200 Millionen Euro machen, und das mit recht preisaggressiven Produkten. Wie etwa kleineren CRTs, die hält Hoffmann trotz des Siegeszugs der Fachbild-Fernseher weiterhin für einen "schönen Schlüssel zum Kunden". So wird der 14-Zoll-CRT-Fernseher mit integriertem DVD-Player aktuell für 149 Euro im Retail verkauft. Der Preis für einen 20-Zoll-CRT liegt bei 99 Euro. Für die nächsten Monate sieht er auch bei den Flachbildschirm-Fernsehern die Preismarken wackeln.

Auf die Menge kommt es an

Da muss man schon sehr viele Geräte in den Markt pumpen, um die Umsatzvorgabe zu erreichen. "Klar, wer Preispunkte besetzen will, braucht Volumen, denn dann wird alles günstiger", bestätigt Hoffmann. Deshalb sei auch die Kooperation mit Metro so wichtig. Sie hält immerhin 30 Prozent des Marktes und ist somit die stärkste Gruppe in Europa. Aber er ist sich auch bewusst, dass man sich so eine Gruppe als Kunde leisten können muss. Allein die aktuellen Produktionsaufträge für Januar 2005 beliefen sich auf rund 40 Millionen Euro. Doch dank eines finanzkräftigen Investors, der aber nicht genannt werden dürfe, sei die Vorfinanzierung über 35 bis 50 Tage weder jetzt noch bei größeren Aufträgen ein Problem.

Allerdings hätte die räumliche Nähe der Türkei zum restlichen Europa viele Vorteile - auch finanzielle. So dauert die Anlieferung aus Asien per Schiff im Schnitt 23 bis 28 Tage. Von Istanbul bis Venlo sind es nur elf Tage, und das Ganze kostet nur ein Drittel. Noch schneller geht es per Zug (neun Tage) oder Lastwagen (drei Tage mit zwei Fahrern).

Aber die Produktion in der Türkei hat laut Hoffmann weitere, sehr entscheidende Vorteile gegenüber der in Asien: "Die Chinesen verstehen ohne Frage viel von der US-Norm NTSC. Anders sieht es bei den europäischen Formaten PAL oder Secam aus." Hinzu kämen die geringen Erfahrungen mit Scart, Videotext oder dem Online-Display. Dieses Know-how hat jedoch Beko als europäisches Unternehmen und stattet deshalb die TVs mit drei Scart-Buchsen, zwei Tunern und 25-sprachigem OSD aus. Und 800 Seiten Videotext seien selbst bei den Einsteigergeräten Standard. So biete man den Chinesen Paroli.

Und als Extra-Bonbon muss man weder bei der Einfuhr von elektrischen UE-Waren aus der Türkei Einfuhrzoll zahlen noch in Deutschland oder einem anderen europäischen Land die Produkte durch teure Assemblierung veredeln. Sie seien eben schon fix und fertig für den Verkauf. Deshalb bleibt die Mannschaft von Phocus Electronics auch in Zukunft sehr klein. In der letzten Ausbaustufe wolle man mit rund 25 Mitarbeitern den gesamten Europa-Markt abdecken. In Bad Homburg arbeiten beispielsweise derzeit vier Leute. Diese Crew soll demnächst auf zehn aufgestockt werden.

Um andere Aufgaben kümmern sich etablierte externe Spezialisten. Hemmersbach oder Norsk IT sind für den europaweiten Service zuständig. Und die Janzen Spedition, laut Hoffmann einer der größten Logistiker Europas, kümmert sich um Lager und Beratung. Im Call-Center arbeiten 180 Mitarbeiter - streng nach Firmen und Sprachen getrennt - rund um die Uhr.

Meinung der Redakteurin

Bekos Werdegang und Ziele erinnern ein wenig an Samsungs Historie. Beide sind in ihrem Land seit vielen Jahrzehnten die absoluten Top-Unternehmen, waren aber jenseits der Grenze lange Zeit vor allem als OEM-Partner bekannt. Samsung hat sich in den vergangenen fünf Jahren als eigene Marke etabliert. Und Beko verfügt über Erfahrung und den finanziellen Rückhalt, dieses Ziel ebenfalls zu erreichen.

Flachbild-TV wird günstig

Nach Ansicht von Winfried Hoffmann werden schon bald 30-Zoll-LCD-TVs nicht mehr 1.300, sondern rund 1.000 Euro kosten. Die Preise für 26-Zöller fallen dann von knapp 1.000 Euro auf 800 Euro, und die 20-Zöller, die vor einem Jahr noch rund 1.000 Euro kosteten, werden dann für 500 oder gar 400 Euro erhältlich sein.

Zur Startseite