Nachwuchs auf Bestellung

19.02.2004
Hinter den Mauern eines historischen Gebäudes in Augsburg verbirgt sich eine der modernsten Ausbildungsstätten in Deutschland: die IT-Akademie Bayern. Der Lehrplan wird nicht vom Kultusministerium, sondern von der freien Wirtschaft bestimmt. Von ComputerPartner-Redakteurin Marzena Fiok

In diesem Haus hat harte Arbeit jahrzehntelange Tradition: Während der Industrialisierung beherbergte das Fabrikschloss in Augsburg eine der größten Webereien Europas, heute bietet das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert viel Raum für kreatives Lernen. "Das ist der richtige Ort für Zukunftsvisionen", sagt Akademie-Leiter Volker Falch.

Der Gründung der IT-Akademie Bayern lag ebenfalls eine klare Vision zu Grunde: "Die Schüler sollten dieses Institut nicht nur mit einem Diplom, sondern mit einer echten Perspektive verlassen", so Falch. Das hat bisher ganz gut geklappt: Bis heute haben 140 Studenten die Ausbildung abgeschlossen, 95 Prozent von ihnen sind berufstätig.

Die Erfolgsstrategie ist im Grunde genommen simpel: Obwohl die IT-Akademie vom Bayerischen Staat gefördert wird, hat das Kultusministerium keinerlei Einfluss auf die Lehrpläne des Instituts. Diese werden von einem Beirat bestimmt, der sich vorrangig aus Vertretern der Wirtschaft zusammensetzt. Und dieses Gremium tagt nicht einmal im Jahr, sondern alle drei Monate. "Wir stehen permanent in den Startlöchern", erklärt Falch. "Unsere Devise lautet: Sagt uns heute, was ihr morgen braucht."

Genau wie in der freien Wirtschaft bestimmt auch in Augsburg die Nachfrage das Angebot: Wer sich in der IT-Akademie Bayern zum Software-Developer, Database-Developer, E-Marketing-Developer, Network-Administrator, Database-Administrator, IT-Supporter oder IT-Key-Accounter ausbilden lässt, hat seinen Arbeitsvertrag schon in der Tasche - wenn er das möchte.

Gesunde Mischung aus Studium und Lehre

Die zweijährige Ausbildung ist eine Kombination zwischen Lehre und Studium. Bewerben können sich Abiturienten oder Realschüler mit einer sehr guten mittleren Reife. Das erste Jahr verbringen die Teilnehmer größtenteils im Fabrik-schloss. Hinter den alten Mauern steht den Studenten das moderne Equipment auch außerhalb der regulären Stunden zur Verfügung, wie der künftige Netzwerkadministrator Dominik Buchert bestätigt: "Jeder von uns hat einen eigenen PC mit modernster Ausstattung und Flachbildschirm. Und wenn es beispielsweise um Cisco geht, stehen im Labor allein fünf Router, mit denen wir "rumspielen" können. Die Arbeitszeit kann ich mir frei einteilen, an das Equipment komme ich jederzeit ran", schwärmt der Student.

Nach der theoretischen Ausbildung in Augsburg wird Buchert - wie alle anderen Studenten auch - das zweite Ausbildungsjahr direkt bei seinem "Paten" verbringen. Für Buchert ist dann "Training on the Job" bei Siemens angesagt. Hier kann er das bislang Erlernte nicht nur in die Praxis umsetzen, sondern auch zusätzliche, unternehmensspezifische Zertifizierungen, wie beispielsweise "Cisco Certified Network Associate" erwerben. Auch das international anerkannte Englisch-Zertifikat "European Language Certificate of Business Purposes" gehört dazu.

Der Pate garantiert den Arbeitsplatz

Siemens zahlt als Pate nicht nur die gesamten Ausbildungskosten von 18.450 Euro, sondern während dieser zwei Jahre auch noch einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 770 Euro an den Studenten: "Ich werde sehr gut unterstützt", so Buchert. Im Gegenzug hat er sich verpflichtet, nach seinem Abschluss bei Siemens anzuheuern.

Diese Möglichkeit steht allen Studenten offen - vorausgesetzt, es findet sich ein Unternehmen, das Interesse an dem Auszubildenden hat. Bei der Suche hilft natürlich das Institut. Die Liste der Partnerfirmen, die als potenzielle Sponsoren und künftige Arbeitgeber zur Verfügung stehen, ist lang: HP, Deutsche Telekom, BMW, MAN, Oracle, Sun und Siemens haben sich hier schon ihren IT-Nachwuchs gesichert, aber auch mittelständische und kleine Betriebezeigen Interesse. "Eine gesunde Mischung", so Akademieleiter Falch.

Wer sich nicht vertraglich binden möchte, kann auf den Sponsor verzichten, muss die Ausbildung dann allerdings selbst bezahlen. Die IT-Akademie gewährt den "freien Studenten" sogar einen Rabatt. Die meisten bevorzugen jedoch die Patenschaft - eine "Arbeitsplatzgarantie" zählt heute eben mehr als das Gefühl von Unabhängigkeit.

Meinung der Redakteurin

Der Student kann sich in der IT-Akademie von Zukunftsängsten befreit voll auf seine Ausbildung konzentrieren, die Unternehmen können ihren Bedarf langfristig planen und den künftigen Arbeitnehmer im praktischen Jahr genau unter die Lupe nehmen. Da die Azubis im Praxisjahr voll einsatzfähig sind, rechnen sich auch dieKosten für diese "Nachwuchsförderung" relativ schnell.

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