2. Mitarbeiter führen

20.12.2001

Wer fähig ist, die eigene Person zu führen, ist auch in der Lage, Mitarbeiter zu führen. Ziel ist, dass sie das, was man von ihnen erwartet, freiwillig und gerne tun. Mitarbeiterführung umfasst mehrere Phasen: Sie beginnt bei der Personalauswahl, führt über die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen mithilfe unterschiedlicher Instrumente und endet bei der "Nachlese" im Kündigungsfall.

- Neue Mitarbeiter rekrutieren. An erster Stelle der Personalbeschaffung steht die Überlegung, wie jemand "sein" muss, damit er zum Job und zum Unternehmen passt. Dabei sind Fachwissen, Ausbil-dung und Berufserfahrung der eine wichtige Aspekt; der andere ist die Persönlichkeit des Bewerbers. Gerade bei deren Beurteilung kommt es auf die Fähigkeit des Unternehmers an, die Soft Skills des Kandidaten, insbesondere seine kommunikativen Fähigkeiten, herauszufinden. Dazu sollte er "hinter die Kulissen" schauen. Um beispielsweise den persönlichen Arbeits- und Kommunikationsstil des Bewerbers herauszufinden, eignet sich das Stress-interview: Mit unerwarteten Fragen konfrontiert, legt der Bewerber das antrainierte Verhalten ab und verhält sich authentisch, zeigt also seinen "Basisstil". Daraus lässt sich auf sein vermutliches Arbeitsver-halten schließen. Man sollte auch zwischen den ausgesprochenen Worten nach Motiven und Wert-haltung des Kandidaten "lauschen" und prüfen, ob diese denen der Unternehmensphilosophie und -kultur der Firma entsprechen.

- Neue Mitarbeiter einarbeiten. Kompetenz und Engagement beginnen mit der richtigen Einarbeitung des Neuen. In einem Orientierungsgespräch sollte ihm die Bedeutung seiner Stelle für die Abteilung und die Bedeutung dieser Abteilung für das Unternehmen erklärt werden. In einem Einarbeitungsprogramm ist festzulegen, in welcher Reihenfolge er Teilaufgaben übernehmen und zu welchen Terminen er diese beherrschen soll. Jeder Einarbeitungsschritt ist am besten in einem Feedbackgespräch mit dem Mit-arbeiter oder seinem Vorgesetzten abzuschließen.

- Den richtigen Führungsstil praktizieren. Den allein richtigen Führungsstil gibt es nicht - Führung ist immer auch von der jeweiligen konkreten Situation abhängig. Doch es gibt zwei Grundregeln, die nie-mals verletzt werden dürfen: persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern zu haben und ihnen Anerkennung für ihre Leistungen auszusprechen. Diese Anforde-rung erfüllt ein partizipativ-kooperativer Führungsstil am besten. Hier werden die Mitarbeiter in das Geschehen, das ihre eigenen Arbeitsplätze betrifft, eingebunden. Doch die Mitsprache darf nicht über das Ziel hinausschießen: Bestimmte Regeln müssen eingehalten werden, die Toleranz darf nicht schrankenlos sein.

- Zielvorgaben realistisch und fair gestalten. Tragendes Element einer partizipativ-kooperativen Führung ist Fairness. Sie stellt das Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Ansprüchen und Verhal-tensweisen her, zwischen Geben und Nehmen. Faires Führen - neudeutsch: Leadership - zeichnet sich unter anderem durch realistische Zielvorgaben aus. Werden die Ziele für die Mitarbeiter zu hoch gesteckt, zweifeln diese zuerst an den eigenen Fähigkeiten - und dann an den Zielen selbst. Ziel-vorgaben können deshalb auch hin und wieder so niedrig sein, dass die Mitarbeiter die Chance haben, sie "überzuerfüllen". Dies stärkt das Selbstbewusst-sein und motiviert zu weiterer Leistungssteigerung.

- Mitarbeiter in Veränderungsprozesse ein-binden. Um den sich wandelnden Anforderungen der Märkte gerecht zu werden, müssen die Strukturen und Prozesse eines Unternehmens laufend neu ausgerichtet werden. Die häufig übliche Vorgehens-weise ist die Strategie des "Bombenwurfs": Externe Berater erarbeiten Konzepte zur neuen Aufbau- und Ablauforganisation, die Geschäftsführung segnet sie ab, hält sie vor der Belegschaft geheim. Folge: Gerüchte machen die Runde. In diese unsichere Stimmung fällt dann die "Bombe", der neue Organi-sationsplan. Die neue Realität bricht abrupt mit alten Gewohnheiten, aus der Sicht der Mitarbeiter Bewährtem. Sie fühlen sich übergangen, als "Ob-jekte" der Veränderung, resignieren, formieren sich zum Widerstand. Anders beim partizipativ-koopera-tiven Führungsstil, hier laufen Veränderungen anders ab: Von Anfang an werden sämtliche Mitarbeiter eingebunden, aus Betroffenen werden Beteiligte, aus "Objekten" werden "Subjekte". Da sie an den Neu-erungen beteiligt sind, stellen sie ihr Wissen freiwillig zur Verfügung und zeigen Akzeptanz.

- Problemlösungsfähigkeit stärken. In der ITK-Branche bieten die Unternehmen heute nicht mehr nur ein einzelnes Produkt an, sondern "Problemlösungen" etwa in Form von zusätzlichem Service. Dieses "Lösungsdenken" muss auch auf die Mitarbeiter über-greifen. Jeder Mitarbeiter muss sich selber darüber Gedanken machen, wie er die Aufgabe erledigen will. Der Chef sollte ihn zu eigenständigem Vorgehen ermutigen, indem er ihm zeigt, dass er es schätzt, selbständige Mitarbeiter zu haben, und dass er ihm zutraut, Probleme in eigener Regie zu lösen. Ideal wäre es, wenn der Chef nur noch Hilfestellung geben müsste - als Berater oder Schlichter.

- Vertrauen statt Kontrollieren. Das "gesunde" Misstrauen, das man in vielen Chefetagen vorfindet, hat seine Tücken: Es schafft Abhängigkeit. Der miss-trauische Mensch gerät nämlich in ein Dilemma: Zum einen braucht er mehr Informationen, weil er sie selbst alle filtern möchte. Zum anderen werden die Personen, von denen er Informationen ungefiltert annimmt, weil er sie auf "seiner Seite" wähnt, immer weniger. Damit schrumpft die Menge der Informa-tionen, denen er vertraut. Das bedeutet: Er wird von immer weniger Informationen bestimmter Personen immer stärker abhängig. Eine solche "Misstrauens-organisation" bindet Arbeitskraft, Zeit und Geld und geht zu Lasten der Arbeitszufriedenheit und der Wirt-schaftlichkeit. Deshalb sollten vertrauensvolle Arbeits-beziehungen aufgebaut und das Vertrauen systema-tisch gepflegt werden.

- Commitment: Selbstverpflichtung den Mitarbei-tern gegenüber. Commitment ist die verbindliche Verpflichtung des Chefs, sich hinter seine Mitarbeiter zu stellen und ihnen bei der Lösung eines Problems zu helfen. Ein Chef, der zu führen versteht, wird kein Problem damit haben, seinen Worten stets Taten folgen zu lassen - Vertrauen ist schnell verloren, wenn die Mitarbeiter das Gefühl haben, Lippenbe-kenntnissen aufgegessen zu sein. Commitment ist Mut, sich festzulegen, ins - kalkulierbare - Risiko zu gehen, die Mitarbeiter auch gegen Dritte zu unter-stützen. Wer sich selbst verpflichtet, muss zu seinen Versprechen stehen und darf auch bei größeren Konflikten nicht "umfallen".

- Das Abwanderungsrisiko steuern. Der Schaden ist groß, wenn man gute Leute verliert, vielleicht sogar an die Konkurrenz: Firmenspezifisches Know-how geht verloren, die Qualität der Unternehmens-leistung geht zurück, die Firma büßt möglicherweise Marktanteile ein. Deshalb ist es - auch wenn es im Unternehmen gut läuft - wichtig, ein Frühwarnsystem zu installieren, das auf Entwicklungen "im Unter-grund" aufmerksam macht und innere Kündigungen aufdeckt, bevor es zu tatsächlichen Kündigungen kommt. Der wichtigste Indikator ist die Arbeitszufrie-denheit. Es gilt folgende Formel: Zufriedene bleiben, Unzufriedene gehen. Es gilt, die Belegschaft durch ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Arbeitsumfeld an die Firma zu binden - durch Freiraum, Motivation und Orientierung.

- Nachlese: Warum sind gute Leute gegangen? Wenn qualifizierte Mitarbeiter und Führungskräfte das Unternehmen verlassen, hat das tief greifende Gründe. Fluktuation unter guten Leuten ist ein sicheres Zeichen dafür, dass es unter der Oberfläche nicht "stimmt". Ein Fehler wäre es, gute Mitarbeiter, die gekündigt haben, im Nachhinein als leicht ver-schmerzbar zu betrachten. Eine solche Einstellung wäre eine reine Rechtfertigung und würde die Reali-tät verschleiern, möglicherweise einige der begab-testen Leute verloren zu haben. Deshalb sollte größter Wert auf Kontinuität gelegt werden. Es ist immer bes-ser, gute Leute im Unternehmen zu halten, als ständig Ersatz für Ausgeschiedene suchen zu müssen. Ein fester, treuer Mitarbeiterstamm bedeutet Arbeitsfrie-den und geringere Kosten. So mancher "unsichtbare" Wettbewerbsvorsprung eines Konkurrenten beruht auf einer eingespielter Stammbelegschaft mit intaktem Betriebsklima.

Zur Startseite