20 Jahre Actebis: Eine Zeitreise

13.04.2006
1986 gründeten Ulrich Puhrsch und Norbert Wrede in einer Garage - wo sonst? - Actebis. Anfang der 90er-Jahre startete die Distribution. ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe sprach mit der Geschäftsführerin Bärbel Schmidt über Vergangenheit und Zukunft.

Im Archiv von Computer Partner findet man viele interessante Artikel über Actebis. Lassen Sie uns eine gemeinsame Reise in die Vergangenheit von Actebis Peacock unternehmen.

Schmidt: Ja, gerne. Aber hoffentlich haben Sie keine alten, schrecklichen Fotos.

(Anmerkung der Redaktion: Wir hatten keine schrecklichen Fotos.)

Beginnen wir im Jahr 1996: Im Januar stellte Actebis zwei neue 150-MHz-PCs der damaligen Eigenmarke Targa vor. Die Preise lagen zwischen 10.500 und 10.800 Mark.

Schmidt: Respekt!

Tränen Ihnen heute die Augen, wenn Sie solche Preise hören?

Schmidt: Wie verrückt! Aber man muss natürlich auch den damaligen Verbreitungsgrad von PCs sehen, der deutlich geringer war.

1998 hatte ComputerPartner Stimmen zu Actebis aus dem Fachhandel eingefangen. Ein Zitat: "Die Preise bei Actebis sind gut, nur die Liefertermine von manchmal sechs bis acht Wochen einfach nicht zumutbar ..."

Schmidt: Das hat sich total geändert. Das ist heute undenkbar.

Das Zitat geht noch weiter: "... dann bezahle ich lieber 20 Mark mehr und habe kompetentere Ansprechpartner und schnelle Lieferzeiten." Kennen Sie heute noch einen Händler, der einen solchen Mehrbetrag für mehr Service bezahlen würde?

Schmidt: Den einen oder anderen.

Im gleichen Jahr sagte der damalige Actebis-Geschäftsführer Detlef Schmidt mit Blick auf Ingram Micro (damals Macrotron): "Mit Otto als Gesellschafter lebt es sich besser, als an der Börse das benötigte Geld besorgen zu müssen." Würden Sie die Behauptung von Detlef Schmidt auch heute noch bejahen?

Schmidt: Wir sind mit unserem Gesellschafter Otto sehr gut bedient. Wenn wir, wie es zu dieser Zeit überlegt wurde, an die Börse gegangen wären, dann gäbe es uns nach dem Börsencrash vielleicht heute gar nicht mehr.

"Die Pumpernickel-Allianz gegen die Brezel-Fraktion" war die Headline, mit der wir die Akquisition von Peacock durch Actebis meldeten. Michael Urban hatte damals das Ziel, unter die Top-Drei-Distributoren in Europa aufzusteigen. Wie lautet das heutige Ziel im Bezug auf die Marktposition?

Schmidt: Wenn man die Top Drei vergleicht, muss man unterscheiden, wer in welchen Ländern wie aufgestellt ist. Heute ist es so, dass Ingram und Tech Data in mehr Ländern unterwegs sind als wir. Das heißt, man müsste das Ergebnis bereinigt aufzeigen. Die Frage ist dann: Gibt es von unserer Seite aus Akquisitionspläne in anderen Ländern? Das ist allerdings ein Thema, zu dem ich nicht Stellung nehmen kann. Aber wir sind unter den Top Drei, haben aus meiner Sicht eine sehr gute Stellung und sind zufrieden.

Wo steht Actebis genau?

Schmidt: Das ist von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland stehen wir an zweiter Position. In England zum Beispiel sind wir stark auf Komponenten fokussiert; die Ausrichtung ist eine andere. Man kann diese Frage demnach nicht pauschal beantworten. Wir haben Gesellschaften, die haben 40 bis 50 Hersteller im Portfolio - andere haben 100 bis 150.

Actebis führte Anfang 2000 in 13 europäischen Ländern das E-Commerce-System "Direct- Order" ein. Wie viel Geschäft machen Sie heute über das Online-Bestellsystem?

Schmidt: Heute werden 75 Prozent der Bestellungen über E-Commerce abgewickelt. Darüber sind wir sehr froh. Dadurch kann unser Telesales andere Aufgaben wahrnehmen und sich beispielsweise auf Projekte konzentrieren oder die Händler proaktiver und individueller beraten.

2001 sah Ihr Vorgänger Michael Urban Actebis bereits im Folgejahr auf dem amerikanischen Markt agieren. Michael Urban ist kein Actebis-Geschäftsführer mehr, und 2002 ist längst vorbei. War seitdem der Wilde Westen noch einmal ein Thema für Actebis?

Schmidt: Wenn ich für die nächsten zwölf Monate als realistischen Zeitraum ins Land schaue, besteht kein Interesse. Aber nichts ist für die Ewigkeit.

2002 hatte Actebis mit massiven Problemen zu kämpfen. Die Eigenmarke Targa wurde eingestellt, dann kamen die Kurzarbeit und anschließend das Kündigungsschreiben an 200 Actebis- und Peacock-Mitarbeiter. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen der SAP-Einführung. Würden Sie 2002 als das schwärzeste Jahr in der Actebis-Geschichte bezeichnen?

Schmidt: Keinesfalls. Ich war zur damaligen Zeit zwar noch nicht bei Actebis, doch die Einstellung der Eigenmarkenproduktion für den Fachhandel war sicherlich richtig. Da die A-Brands immer billiger wurden, wurden die Handelsmarken immer uninteressanter im Handel. Der spätere Verkauf der Eigenmarke war eine logische Konsequenz daraus. Mit SAP-Einführungen haben auch andere zu kämpfen. Wir haben Ende 2002 zudem noch die Logistikzentren in Betrieb genommen. Das Jahr war ein Jahr der Weichenstellungen, von denen Actebis schon kurze Zeit später profitieren konnte.

Und zum Thema Personal können wir heute im Gegensatz zu damals vermelden, dass wir beispielsweise allen Auszubildenden, die dieses Jahr abschließen werden, einen Arbeitsvertrag anbieten können.

Der nächste Schock folgte im Herbst 2003, als Michael Urban das Ruder an Westcoast-Chef Joe Hemani übergeben musste. Hemani, damals im ComputerPartner-Interview: "Wir wollen die Actebis-Gruppe kaufen." Was ist Ihnen in Ihrer damaligen Position als HP-Chefin durch den Kopf gegangen?

Schmidt: Die Diskussion war ja sehr klar. Dr. Otto hatte damals bereits gesagt, dass er sich von dem "nicht originären" Otto-Geschäft trennen wolle. Zu diesem nicht originären Otto-Geschäft gehört die gesamte Großhandelssparte, und dazu zählt auch Actebis.Joe Hemani kennt das Business seit vielen Jahren. Wenn jemand von außerhalb der Branche gekommen wäre, wäre das mit Sicherheit herausfordernder gewesen. Ich persönlich schätze Joe Hemani.

Jetzt müssen wir kurz in die Gegenwart schwenken. Es kursieren derzeit erneut Übernahmegerüchte bezüglich Actebis. Neben zwei anderen fällt erneut der Name Hemani. Hört die Branche Gras wachsen, oder ist etwas Wahres dran an der Geschichte?

Schmidt: Wie ich schon sagte, hat sich Otto bereits vor mehreren Jahren entschieden, das nicht originäre Otto-Geschäft zu verkaufen. Solange unser Gesellschafter plant, uns zu verkaufen, wird es immer wieder solche Gespräche und entsprechend auch Gerüchte geben. Damit leben wir schon seit Jahren, und man muss sich daran gewöhnen und abwarten. Wir konzentrieren uns darauf, einen guten Job zu machen, und haben deswegen keine Hitzepickel.

Lassen Sie uns wieder zurück in das Jahr 2004 gehen.

Schmidt: Ja, der 1. Januar 2004, jawoll!

Das war Ihr Einstieg als Geschäftsführerin der deutschen Actebis-Niederlassung. Wo würden Sie jetzt, nach zwei Jahren, sagen: Arbeitet es sich besser bei einem Hersteller oder in der Distribution?

Schmidt: Das kann man so pauschal nicht beantworten. Es gibt viele Menschen in der Distribution, die denken, bei einem Hersteller ist es superklasse, und umgekehrt auch. Das hängt davon ab, mit welchem Team man zusammenarbeitet. Ich kann nur sagen, dass ich hier ein tolles Team habe, sehr stolz und glücklich bin und mich in Soest sehr wohl fühle. Gleichzeitig möchte ich aber auch die 20 Jahre bei HP nicht missen. Eine große Collage zum Abschied meiner damaligen HP-Kollegen hängt hier im Büro.

Kurz nach Ihrem Antritt bei Actebis haben Sie die Integra- tion von Peacock in Actebis durchgeführt.

Schmidt: In dieser Zeit habe ich häufig die Luft angehalten. Die Entscheidung stand an, und dann kam plötzlich eine kleine Frau aus Hessen und setzte sie einfach um. Ich erinnere mich noch genau an den 28. Januar 2004, als wir diesen Plan bei Otto in Hamburg vorgestellt hatten. Ende März war der erste Arbeitstag der Peacock-Leute unter neuer Flagge. Das war die schnellste Integration in meinem Leben. Es lief alles so gut wie reibungslos, und aus heutiger Sicht war es die richtige Entscheidung. Alle Mitarbeiter aus beiden Gesellschaften haben toll mitgemacht, und ihnen gebühren Respekt und Anerkennung.

Eines Ihrer Highlights im vergangenen Jahr war sicher die Meldung auf computerpartner.de vom 1. April 2005: Actebis sei es gelungen, 1.800 Karten für eines der Vorrundenspiele der deutschen Nationalmann- schaft bei der WM zu sichern, und die meisten Karten seien für die Vertriebspartner reserviert.

Schmidt: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich war damals bereits um 6.00 Uhr im Büro, und als ich den Newsletter gelesen hatte, bin ich erst einmal kollabiert. Damals gab es bei uns nur einen Fußball-Fanatiker, den ich damit in Verbindung brachte. Ich habe sofort Jürgen Wiederroth aus dem Bett geholt und ihm die Hölle heiß gemacht. Stunden später, nachdem ich ein paar Leute hier rundgemacht hatte und bei uns die Telefone heißgelaufen waren, rief ich bei ComputerPartner an. Ich konnte an diesem Tag nicht durchs Haus gehen, ohne dass mich jemand zur Seite nahm und sagte: Ooch, Bärbel, komm, rück mal ‘ne Karte rüber. Das Allerbeste war, dass Diddi Wysuwa von FSC bei mir anrief und mich fragte, wie ich an so viele Karten gekommen sei, er habe weitaus weniger bekommen. Gott sei Dank fiel dieses Jahr der 1. April auf ein Wochenende.

Und schon sind wir in der Gegenwart angekommen. Wie geht Actebis durch dieses Jahr?

Schmidt: Das gesamte Thema E-Commerce ist nach wie vor für uns extrem wichtig. Außerdem werden wir unseren VAD-Bereich weiter ausbauen, um noch bessere Lösungen für die Kunden zu schnüren - insbesondere für die Bereiche Home Entertainment, Security, Digital Imaging, Mobility, Networking, Storage und Output Management. Darüber hinaus liegt unser Fokus weiter auf Actebis Network, der Förderung des Know-hows der Mitarbeiter und dem weiteren Ausbau der Kundenbreite.

Wie sieht der Plan für die Zukunft von Actebis Peacock aus?

Schmidt: Wir planen ein sehr verhaltenes Wachstum. Bei dem Preisverfall wird es kein einfaches Jahr werden. Wir optimieren weiter unsere Prozesse und konzentrieren uns auf Certified Solutions.

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