2000 durch Firmen bestärkt in die Umschulung gestürzt

28.11.2002
Zum Feedback in ComputerPart-ner 43/02, Seite 70, auf den Offenen Brief zum Thema "Kann der Blinde dem Lahmen helfen?", erreichte uns folgende Zuschrift:

Es obliegt mir nicht, hier für alle umgeschulten Unterqualifizierten eine Lanze zu brechen. Die Frage ist doch, warum und weshalb hier über einen langen Zeitraum alles in den ITK-Bereich drängte und gedrängt wurde. Und das, mit Verlaub, nicht nur über die Vermittlungsinstanz Arbeitsamt.

Meine eigenen Erfahrungen belegen, dass der Moloch ITK alles an Arbeitskräften aufsaugte, was sich ihm stellte. Bei meinem beruflichen Orientierungsbesuch auf der Systems 2000 durfte ich erfahren, was es heißt, umworben zu werden. Vorausgesetzt, man war mobil und lernbereit. Ich hatte zirka drei Stunden mehrere Bewerbungsgespräche zu meiner neuen beruflichen Zukunft. Niemand verlangte Grundwissen beziehungsweise besondere Kenntnisse. Das notwendige Wissen würde einem in speziellen Kursen beigebracht.

Dermaßen bestärkt begann ich mit großer Begeisterung eine Umschulung zum Informatikkaufmann. Das Jahr 2001 brachte dann eine Trendwende, in der sich bemerkbar machte, dass die Goldgräberstimmung bereits im Nachlassen war. Meine praktische Ausbildung bei einem bayerischen Automobilbauer beendete ich mit im Durchschnitt 125-prozentiger Erfüllung der gestellten Anforderungen. Mit meinem weiterbildungsbegleitenden Abschluss als Microsoft Certified Professional konnte ich die Prüfung vor der zuständigen IHK erfolgreich bestehen. Und das bei zum Teil 100-prozentiger Durchfallquote einiger Klassen, da der Prüfungsstoff nicht dem Lehrstoff entsprach (was auch immer noch so ist).

Da mittlerweile der ganze ITK-Arbeitsmarkt am Zusammenbrechen war und jedes Jahr Zigtausende von motivierten Menschen ihr Heil in diesem Arbeitsmarkt suchten, war auch in meiner Klasse die Spreu schnell vom Weizen getrennt. Von ehemals 24 Mitschülern haben vier den Schritt in den ITK-Markt realisieren können.

Dies zeigt das wahre Versagen dieser Regierung auf (dass Zigtausende von damals noch D-Mark pro Umschüler verpulvert wurden), da weder der reale Arbeitsmarkt noch der einzelne Bewerber auf den späteren Einsatz geprüft und darauf vorbereitet wurde.

Bei der anschließenden Bewerbung als staatlich geprüfter IFK-ler durfte ich dann feststellen, dass die auf der Systems 2000 noch vollmundig agierenden Firmen zum großen Teil nicht mehr vorhanden waren und von der Industrie trotz hervorragender Beurteilung mittlerweile ganz andere Berufsfelder (zum Beispiel Maschinenbauer) gesucht wurden.

Nach mehreren erfolglosen Bewerbungsversuchen beschloss ich, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, und bin jetzt außer in eigener Sache auch noch als freiberuflicher Mitarbeiter in einem Systemhaus tätig.

Ernst Buchner, Straubing

buchner_ernst@t-online.de

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