28 Unternehmen arbeiten an den Vorgaben

23.07.1998

MÜNCHEN: Die Non-Profit-Organisation "Rosettanet" hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Innerhalb der nächsten zwei Jahre will sie Standards für den elektronischen Datenaustausch in der IT-Industrie einrichten.Den Distributoren ist der Leidensdruck zu groß geworden: Um Kosten zu sparen und Abläufe innerhalb der Lieferkette effizienter zu gestalten, sitzen die weltgrößten IT-Großhändler - unter anderem CHS, Computer 2000, Tech Data und Ingram Micro - seit Beginn des Jahres mit Herstellern von IT-Produkten an einem Tisch und klügeln gemeinsame Richtlinien für den elektronischen Datenaustausch aus. Das Ziel von Rosettanet in Irvine, Kalifornien: In zwei Jahren sollen alle Beteiligten weltweit den elektronischen Geschäftsverkehr nach diesen Vorgaben abwickeln. Fadi Chehadé, Geschäfsführer von Rosettanet, rechnet damit, daß bisher zwei bis vier Prozent des gesamten Umsatzes eines Handelshauses wegen der nicht-koordinierten Datenanbindung in der Lieferkette verloren gehen. Außerdem könnten die Prozeßkosten für die Abwicklung einer Bestellung um bis zu 50 Prozent pro Auftrag reduziert werden.

Elektronischer Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen spielt mit zunehmender Vernetzung eine immer stärkere Rolle. "Momentan ist es nicht leicht, Daten mit Handelspartnern auszutauschen. Für jeden Partner muß eine eigene Lösung erarbeitet werden", erklärt Chehadé. Er und seine Kollegin Linda York, General Managerin bei Rosettanet, wurden von ihrem Arbeitgeber Ingram Micro zwei Jahre lang freigestellt, um die Daten- und Transaktionsstandards voranzutreiben. Chehadé und York wissen, daß frühere Anstrengungen, derartige Standards einzusetzen, ohne Erfolg geblieben waren. Sie setzen jetzt auf die Unterstützung des Managements in den 28 bis jetzt beigetretenen Firmen und auf klar meßbare Ziele. Bis Oktober findet eine Projektphase statt, in der die ersten Module getestet werden. Das Projekt wird von der Business School der "University of Southern California" begleitet, die die Auswirkungen der Standardisierung auf die Lieferkette mißt. Außerdem sucht Rosettanet strategische Partnerschaften. So berichtete Chehadé stolz, daß alle Partner, die in Microsofts "Value Chain Initiative" arbeiten, sich in Zukunft an die Rosettanet-Standards halten wollen.

Konkurrenten an einem Tisch

Das Besondere an dem Vorhaben der Organisation ist, daß dabei Unternehmen an einem Strang ziehen, die sonst um jeden halben Prozentpunkt Marktanteil gegeneinander kämpfen. Bisher konnte sich die DV-Lieferkette noch nicht einmal auf grundlegende Dinge wie standardisierte Artikelnummern einigen. Als Folge davon entwickelte jedes Unternehmen sein eigenes System der Datenhaltung. Wollen jetzt zwei Firmen Daten elektronisch austauschen, kostet es viel Geld, gemeinsame Schnittstellen zu schaffen. Chehadé nannte als Beispiel die Schnittstellen zwischen 3Com und Ingram Micro in den USA, die rund 250.000 Dollar kosteten. Anstelle dieser teuren Eins-zu-eins-Lösungen soll der Standard von Ro-settanet eine Eins-zu-n-Lösung ermöglichen. Das heißt: Ein Glied der Lieferkette kann mit jedem anderen problemlos Daten über das Internet austauschen, weil das Datenformat für alle gleich ist. Electronic Data Interchange (EDI) sei nicht geeignet für die Geschäftsbeziehungen zwischen einem Distributor und 20.000 verschiedenen Kunden, erklärte Dieter Bock, Mitglied des Vorstandes der Computer 2000 AG und Vice Chairman des Unternehmensverbandes.

Vorteil: Höhere Transparenz

Als Vorteil preist Chehadé die größere Transparenz: Hersteller können heute ihre genauen Inventurbestände oft nur schätzen, weil die Daten die Hersteller zu langsam erreichen, sobald die Waren im Kanal sind. Weiterer Vorteil für alle Beteiligten: Die präzisere Beschreibung der Produkte, die durch die Standards geschaffen werden soll. Der Händler oder der Endkunde bestellt dann mit größerer Wahrscheinlichkeit das richtige Produkt. Dadurch kommen weniger Waren zu den Distributoren zurück, die nicht den Kundenwünschen entsprechen. Die Transparenz bietet auch dem Fachhandel Vorteile, weil die Produkte einfacher kategorisierbar und dadurch besser vergleichbar sind - auch was die Preise betrifft. (is)

Linda York, General Manager bei Rosettanet, überwacht sämtliche Implementierungsaspekte.

"Bisher ist es unmöglich für Hersteller, Inventurdaten in Echtzeit zu erfassen." Fadi Chehadé, Geschäftsführer von Rosettanet, will das ändern.

Zur Startseite