3D: Neue Artgenossen der Grafikkarten warten auf ihren Evolutionssprung

04.12.1996
MÜNCHEN: Geradezu kühn sind die Versprechungen der Hersteller: "3D-Grafik boomt"; und daher bereiten die Spiele-Freaks in freudiger Erwartung ihr Sparschwein auf das Schlachtfest vor. Bereits im letzten Jahr stellten die Anbieter den Händlern ein lukratives Weihnachtsgeschäft in Aussicht. Doch bis heute ist der endgültige Marktdurchbruch ausgeblieben.Sie erinnern sich vielleicht: Die neunziger Jahre wurden von einem - bislang beispiellosen - Siegeszug des Chip-Designers S3 begleitet. Der Grafikcontroller mit der erfolgversprechenden Ziffernfolge 911 im Namen half Windows auf die Beine und umgekehrt waren für den zügigen Bildaufbau via ISA-Bus intelligente Grafikcontroller dringend notwendig. Große Stückzahlen dieser Grafikkarten-Generation ließen sich jedoch erst erreichen, als einige Hemmnisse beseitigt waren:

MÜNCHEN: Geradezu kühn sind die Versprechungen der Hersteller: "3D-Grafik boomt"; und daher bereiten die Spiele-Freaks in freudiger Erwartung ihr Sparschwein auf das Schlachtfest vor. Bereits im letzten Jahr stellten die Anbieter den Händlern ein lukratives Weihnachtsgeschäft in Aussicht. Doch bis heute ist der endgültige Marktdurchbruch ausgeblieben.Sie erinnern sich vielleicht: Die neunziger Jahre wurden von einem - bislang beispiellosen - Siegeszug des Chip-Designers S3 begleitet. Der Grafikcontroller mit der erfolgversprechenden Ziffernfolge 911 im Namen half Windows auf die Beine und umgekehrt waren für den zügigen Bildaufbau via ISA-Bus intelligente Grafikcontroller dringend notwendig. Große Stückzahlen dieser Grafikkarten-Generation ließen sich jedoch erst erreichen, als einige Hemmnisse beseitigt waren:

l Windows in der Version 3.0 war noch zuwenig verbreitet und die unerläßlichen Grafiktreiber - ob von Microsoft oder von den jeweiligen Herstellern - lange Zeit fehlerhaft. Zudem plagte sich Microsoft noch mit lästigen Kinderkrankheiten in der GDI herum, die einem schnellen Bildaufbau enge Grenzen setzten.

- Ein guter Teil der Beschleunigung wurde mit teuren VRAMs erreicht, die den Preis auf einem nachfrage-feindlichen Niveau hielten.

- Der SOHO-Markt befand sich in einem pränatalen Zustand. Viele Produkte bezeihungsweise Positionierungen waren nicht professionell genug für Profis und hatten zu sehr den Touch von "High end" für den privaten Anwender.

Spielereien: Descent und Konsorten legen die Marschrichtung fest

Mittlerweile - spätestens im Laufe des Jahres 1993 - hatte sich das Blatt deutlich gewendet und das Prädikat "Windows-Beschleuniger" jegliche Kraft verloren. Es gibt keine anderen Grafikkarten mehr und nebenbei hat diese Entwicklung im Handstreich die Grafik-Prozessor-Division von Texas Instruments (TIGA) dahingerafft.

Der Markt steht nun mit der 3D-Beschleunigung vor einem ähnlichen "Evolutionssprung" und die Frage ist weniger ob, sondern vielmehr wann diese Entwicklung stattfindet - und wie lange sie diesmal brauchen wird. Zunächst ist jedoch der Markt der professionellen Anwendungen auszuklammern. Der folgt eigenen Gesetzen.

Die Nachfrage nach dreidimensionalem Entertainment ist hingegen offensichtlich. Die Kategorie der Doom-artigen Spiele und ihrer Nachfolger hat eine Reihe von Software-Produzenten mit einer Handvoll Programmierern in Gelddruckereien verwandelt - die Marktführer melden Umsätze von bis zu 50 Millionen Dollar. Auf diesen Zug sind schließlich auch alle etablierten Spiele-Hersteller aufgesprungen, so daß das Angebot hier mittlerweile Legion ist. Ein nicht zu unterschätzender Trend sind auch die Versuche, Informationen zunehmend auch in der dritten Dimension zu visualisieren. Abzulesen ist das etwa an den 3D-Plug-Ins für diverse WWW-Browser oder Microsofts Preview für Windows 97. Businessgrafiken könnten ebenfalls massiv von einer Hardware-3D-Beschleunigung profitieren - wo es an Übersichtlichkeit mangelt, kann die freie Rotation im Raum den Durchblick verschaffen. Der mögliche Einwurf, die derzeit erhältlichen Prozessoren würden doch genügend Leistung bieten und schließlich kündigt Intel auch immer höhere Taktfrequenzen an, greift nicht. Der PC darf aufgrund der ihm zugedachten 3D-Beschleunigung keineswegs langsamer sein - die Aufbereitung der 3D-Daten wird tendenziell aufwendiger. Erste eigene Erfahrungen bestätigen die Hersteller-Empfehlungen: Ein Pentium sollte es schon sein. Die erforderlichen Rechenleistungen für adäquate Auflösungen und Farbtiefen wirken sich auf absehbare Zeit verheerend auf das Preis-Leistungsverhältnis eines PCs aus.

Spezifikationen: Ausstattung eines 3D-Boards

Dazu sind folgende Überlegungen anzustellen - und angestellt worden: Welche Qualität der dreidimensionalen Darstellung ist nötig, um 3D-Beschleuniger attraktiv zu machen? 3D-Spiele in einer Auflösung von 320 x 200 Punkten bei 256 Farben sind auf PCs Standard. Für Spiele auf dem PC spricht die universelle Verwendbarkeit. In einem Werbespot von Intel spielt der Sohnemann nicht nur Pilot, sondern absolviert augenscheinlich die ganze Ausbildung zum Führen eines Verkehrsflugzeuges. Andererseits konkurrieren die hochentwickelten Spielekonsolen - etwa die von Sega, Nintendo oder Sony - mit PAL- beziehungsweise NTSC-konformen Auflösungen (etwa 700 x 500 Punkte). Sie beherrschen - bisweilen mit 64-Bit-Prozessor und 2 MB RAM ausgestattet - wovon der PC-Spieler noch träumt. Der scheinbare Preisvorteil täuscht jedoch ein wenig. In der berechtigten Hoffnung, das Geschäft mit den Spielen zu machen, legen die Hersteller bei den Konsolen drauf. Insider munkeln, daß die Hersteller-Subvention bis zu einem Drittel des Kaufpreises ausmachen könnte.

Rechnenaufwand ist rund viermal so hoch

Folgerichtig muß eine 3D-Karte mindestens 640 x 480 Bildpunkte bei 16 Bit Farbtiefe (65.535 Farben) beherrschen. Man zücke den Taschenrechner und errechne folgende Eckwerte: Der Rechenaufwand ist viermal höher gegenüber konventionellen PC-Spielen. Der nackte Bildspeicher muß mindestens 1 MB betragen und weil echte 3D-Beschleunigung einen Z-Buffer und Speicher für Texturen verlangt, muß auf 2 MB aufgerundet werden. Der Speicher auf der Grafikkarte ist damit aber in weit höherem Maße gefordert: Innerhalb des Grafikkarten-Speichers müssen weitaus größere Datenmengen bewegt werden. Die Daten werden nicht mehr nur geschrieben und für den Bildaufbau ausgelesen, sondern ausgewertet, berechnet, neu geschrieben und so fort. Die Bandbreite des zu installierenden Grafikspeichers muß deutlich höher sein als bisher mit DRAMs zu realisieren war. Gemessen an den bisher marktüblichen Grafikkarten sind das bereits erhebliche Hürden, wenn sich auch deren Überwindung durch neue Speichertechnologien beziehungsweise -bausteine abzeichnet.

Standards: Microsoft und das lange Warten

Das eigentliche Dilemma der Hersteller kommt erst noch und wieder mal ist Microsoft an allem Schuld. Die Gretchenfrage lautet: Wer unterstützt 3D-Beschleuniger und wie tut er das? Zum allgemeinen Verständnis folgende Szenarien: Will ein Hersteller einer Festplatte den EIDE-Standard unterstützen, muß er dafür sorgen, daß auf eine Lese-Anforderung von Daten ab einem bestimmten Sektor auch diese Daten am Bus abgeliefert werden. Da gibt es nicht so sehr viele Möglichkeiten und die Verfahren sind standardisiert. Ganz anders sieht die Lage aus, wenn ein beliebiges Spiele-Programm einen Teil einer Wand perspektivisch mit einer bestimmten Textur darstellen will. Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie die Parameter übergeben werden können oder die Textur auf die perspektivisch verzerrte Fläche projiziert werden kann. In einem Satz: Komplexe Daten erfordern komplexe Programmierschnittstellen (API). Derzeit sind mehrere APIs wie Argonauts Brender am Markt, die bislang unter DOS beziehungsweise den für DOS-Spiele typischen DOS-Extendern laufen. Spiele-Hersteller erfinden nicht jedesmal das Rad neu, sondern lizenzieren geeignete APIs. Und hier würden die Chip-Designer gerne ansetzen: Ideal wäre eine Schnittstelle, mit deren Hilfe die bisherigen Aufrufe an die API an den 3D-Prozessor umgeleitet werden können. Die Unterstützung mehrerer APIs scheidet hingegen aus, da jede der APIs spezifische Algorithmen erfordern würde, die nicht beliebig gegeneinander austauschbar sind. Nun setzen die Chip-Schmieden - allen voran natürlich S3 - ganz auf Microsoft. Bill Gates sähe Windows 95 ebenfalls gerne als universelle Plattform für jegliches Entertainment und versprach in Sachen 3D ebenfalls die Führung an sich zu reißen. Direct3D als Teil von DirectDraw beziehungsweise DirectX sollen die Standard-APIs schlechthin werden. Über die DirectX-APIs sollen Spiele direkt auf die vorhandene Hardware zugreifen können, ohne durch das Betriebssystem über die Maßen gestört zu werden - was etwa bei der Joystick-Abfrage zu eingeschränkter Funktionalität und damit Verdruß führen könnte. In Gegenrichtung soll Direkt3D für die schnellstmögliche Darstellung auf dem Schirm sorgen und bei fehlendem 3D-Prozessor die notwendigen Berechnungen ersatzweise durchführen. Unerfreulicherweise gibt es bislang nur Beta-Versionen der Direct-APIs für Entwickler. Und die sind - befürchten jene - noch nicht der endgültige Stand. Aus Entwickler-Kreisen ist zu vernehmen, daß die Direct3D in der jetzigen Form nicht das Maß der Dinge ist und mutmaßlich nochmal überarbeitet wird. Die Entwicklung eines 3D-Prozessors nach Microsoft-Vorgaben - an der nach Meinung der meisten Hersteller kein Weg vorbei führt - gleicht im Augenblick ein wenig dem Versuch, Pudding an die Wand zu nageln. Die Auslieferung der endgültigen DirectX-APIs soll im Laufe des zweiten Quartals erfolgen - im Paket mit einem kompletten SDK (Software Developers Kit).

Roadmap: Wann kommen die 3D-Beschleuniger?

Mit eindeutigen Absichten schieben hier allerdings auch die großen Konsolen-Hersteller an. Deren Interesse ist logischerweise die Zweitverwertung ihres Materials. Schon wenn eine geschützte Spielidee auf einer weiteren Plattform vermarktet werden kann, klingeln die Lizenz-Kassen.

Anhand dieser Daten läßt sich nun der Weg ein wenig vorzeichnen. Die bisher auf dem Markt befindlichen Produkte wie Creative Labs 3DBlaster muß eine sehr begrenzte Lebensdauer bescheinigt werden. Sie verfügen allesamt über proprietäre 3D-Schnittstellen, die auf die dezidierte Unterstützung durch Spiele angewiesen sind. Und warum sollte ein logisch denkender Spieledesigner derartige Schnittstellen noch unterstützen, wenn er durch Unterstützung einer API den Großteil des Marktes abdecken kann? Die Unterstützung dieser Produkte beschränkt sich bislang auf die gebundelten Spiele.

Für die Jahresmitte sind neue 3D-Prozessoren angekündigt wie der ViRGE von S3, die dann Direct3D unterstützen.

Vage Abschätzungen des Marktes gehen davon aus, daß von etwa 40 Millionen Grafikboards weltweit noch im Jahre 1996 möglicherweise bis zu einer Million Einheiten 3D-beschleunigt sein werden. Das damit noch kein Staat zu machen ist, leuchtet ein und läßt die Vermutung zu, daß der 3D-Markt erst 1997 ins Rollen kommt - vielleicht leistet die CeBIT Home im August diesen Jahres hier noch gute Dienste.

Preise sind doppelt so hoch wie bei einer 2D-Grafikkarte

Bis hierher ging es allerdings um Grafikboards, die nicht nur 3D-beschleunigt sind, sondern so nebenbei auch hochwertige 2D-Grafikkarten sind. Vor allem die Anforderungen an den Grafikspeicher haben zur Folge, daß der Kunde in der Regel auch eine schnelle, ergonomische und hochauflösende 2D-Grafikkarte bekommt. Dabei liegen die Endverbraucher-Preise zwischen 500 und 800 Mark und sind damit in etwa doppelt so hoch wie eine qualitativ gleichwertige 2D-Grafikkarte. Zäumt man das Pferd von hinten auf, dann liegt der Aufpreis für ein 3D-System bei etwa 300 bis 400 Mark. Eine weitere Gattung wird jedoch voraussichtlich im Herbst die Bühne betreten: 3D-Beschleuniger-Boards, die als reine Add-on-Lösungen ohne eigenen Grafikteil fungieren. Diese Boards setzen voll auf PCI-Busmastering, das ausreichende Datentransferraten bietet. Sofern diese reinen Zahlenfresser deutlich billiger sind als die kompletten 3D-/2D-Grafikboards, liegen die Vorteile auf der Hand. In diesem Segment mischt im übrigen dann auch ein deutscher Chip-Designer mit. Die Starnberger SP3D (eine Philips/Diamond-Tochter) wird hier mit dem Chip 3D-Master ins Rennen gehen.

Nur eine Frage des Geldes: Wer will, kann sofort starten

An der Tatsache, daß heute erworbene Spiele von keiner dieser Lösungen profitieren werden, führt indes kein Weg vorbei. Auch wenn sich alle Parameter wunschgemäß entwickeln, steht und fällt der Erfolg der 3D-Beschleuniger mit dem guten Willen der Spiele-Programmierer. In Anbetracht der Widrigkeiten haben die jetzt schon verfügbaren proprietären Lösungen durchaus ihre Berechtigung. Im Bundle mit meist mehreren angepaßten Spielen stellen sie eine Möglichkeit dar, auch jetzt schon in den Genuß beschleunigter 3D-Grafik zu kommen - sofern der Kunde eine Affinität zu den Bundle-Spielen hat.

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