50-Stunden-Woche ist okay: DGB will in IT-Branche Fuß fassen

06.08.2000
Die Unternehmen des Neuen Marktes pfeifen auf die altenhergebrachten Konzepte der Gewerkschaften. Jetzt versucht es der DGB-Chef mit einer Annäherung.

Flexiblere Arbeitszeiten bis hin zur 50-Stunden-Woche will der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Dieter Schulte in der Informationstechnologie zulassen. Bei seinen Kollegen trifft er mit dieser Haltung auf Zu- und Widerspruch. Die einen sehen die längst existierende Realität jenseits der Gewerkschaftstoleranz, die anderen fürchten die Auslieferung der Beschäftigung an die Gesetze des Marktes, ohne einen Filter dazwischenschieben zu können. Doch die Diskussion dürfte an den meisten Betroffenen unerhört vorbeirauschen. So hat eine Studie der Deutschen Börse AG ergeben, dass von den 50 am Neuen Markt notierten Unternehmen nur acht einen Betriebsrat haben.

Selbst ist der Mitarbeiter

In diesen Firmen hat die Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen die traditionelle Form der Mitbestimmung abgelöst, berichtet die Studie weiter. Rund 90 Prozent der Neuen Märktler böten ihren Mitarbeitern Belegschaftsaktien, Optionen, Wandelanleihen oder virtuelle Optionsmodelle an. Fazit: Die Trennung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei in der neuen Wirtschaft weitgehend aufgehoben, die Angestellten fühlten sich verstärkt als Unternehmer und übernähmen mehr Eigenverantwortung.

Ein Beispiel: "Arbeitszeiten von 50 und mehr Wochenstunden sind in unserem Unternehmen die Regel", erklärt Simone Baader, Director Human Ressources der Intershop AG in Jena. Den mehr als 700 Mitarbeitern sei es dabei freigestellt, wie viel und wann sie arbeiten. Eine Zeiterfassung gebe es nicht. Beim Urlaub, der kürzlich von 25 auf 28 Tage erhöht wurde, hätten die Beschäftigten enorme Rückstände.

Den hohen Einsatz begründet Baader mit der Identifikation der Beschäftigten mit dem Job und ihrer Beteiligung am Unternehmen. Sie gibt aber auch zu, dass das hohe Arbeitspensum nur einige Jahre durchzuhalten ist. Nur fünf der Mitarbeiter sind über 40 Jahre alt. Probleme mit den Vorgesetzten regelten die Beschäftigten selbst, einen Betriebsrat gibt es nicht. (via)

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