6,7 Milliarden Euro Schaden durch Wirtschaftskriminalität

18.09.2003
Wirtschaftskriminalität umweht immer noch ein Hauch von Kavaliersdelikt. Dabei ist die Schadenssumme wesentlich höher als die bei gemeinem Diebstahl oder den meisten anderen Delikten. Die häufigsten Wirtschaftsverbrechen sind laut einer jüngsten PwC-Studie Untreue, Betrug und Cybercrime.

Nur weniger als zwei Prozent der registrierten Verbrechen in Deutschland sind Wirtschaftsdelikte. Doch ihre finanzielle Auswirkung auf die betroffenen Unternehmen ist immens. So wird der Gesamtschaden auf 6,7 Milliarden Euro oder einen Anteil von über 50 Prozent geschätzt. Dabei dürfte das noch geschönt sein, denn die Dunkelziffer ist hoch. Abgesehen davon dürften in den von Pricewaterhouse Coopers(PwC) vergangene Woche vorgelegten Zahlen Steuerbetrügereien und andere kleine Wirtschaftsvergehen noch nicht mal erfasst sein. Denn die Studie bezieht sich auf Umfragen bei Unternehmen in Deutschland, Europa und weltweit. Nach spektakulären Gerichtsfällen wie die gegen die EM.TV-Brüder Haffa oder den Comroad-Gründer Bodo Schnabel sind aber verstärkt Staatsanwaltschaften eingesetzt worden, die auf Wirtschaftsverbrechen spezialisiert sind. Denn abgesehen von Verlusten für das eigene Unternehmen, den Fiskus oder die Anleger geht von Wirtschaftsdelikten im großen Stil auch eine enorm schädliche Wirkung auf die Moral in der Bevölkerung aus. Da muss man sich nicht wundern, wenn Mitarbeiter von Unternehmen eine ähnliche Selbstbedienungsmentalität an den Tag legen.

Auf Platz eins der Wirtschaftsdelikte sind demnach mit einem Anteil von 33 Prozent Fälle von Betrug und Untreue, gefolgt von Cybercrime, Produktpiraterie, Korruption und Falschbilanzierung. In der Einschätzung der Befragten kommen aber die beiden Letzten nach Beruf und Untreue gleich an zweiter und dritter Stelle, während Computerkriminalität und Geldwäsche offenbar bei weitem unterschätzt werden.

39 Prozent der deutschen Unternehmen bekannten sich dazu, in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität geworden zu sein. 2001 lag die Zahl mit 47 Prozent sogar noch wesentlich höher. Mit 34 von ursprünglich 28 Prozent stark zugenommen hat aber die Zahl der Fälle in Westeuropa. "Lange nicht mehr alle Delikte kommen ans Licht, es ist unwahrscheinlich, dass die Bedrohung in Deutschland abgenommen hat", erklärt PwC-Analyst Karl-Heinz Maul und weist darauf hin, dass Deutschland im europäischen Vergleich in puncto Wirtschaftskriminalität noch immer ziemlich traurig dastehe.

Hauptopfer von Wirtschaftskriminalität sind der Studie zufolge große Unternehmen, wo Maul bei den Mitarbeitern eine "geringere ethische Hemmschwelle" feststellt, weil der Eigentümer für sie weit entfernt sei. Am meisten betroffen seien Banken, Versicherungsunternehmen und IT-Firmen. Weltweit gehen die Unternehmen im Schnitt von einer Schadenssumme von knapp zwei Millionen Euro aus. Acht Unternehmen sprechen sogar von einem Verlust von über 100 Millionen Dollar in den vergangenen zwei Jahren.

Drei Viertel der deutschen Unternehmen gaben an, dass sie bereits Maßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität eingeleitet haben und prüfen, wo Risiken auftreten könnten. Die Zahl der Unternehmen, die eine Vertrauensschadensversicherung abgeschlossen haben, ist mit 34 Prozent nach 56 Prozent vor zwei Jahren rückläufig. Ein Grund dafür ist laut PwC sicherlich die geringe Erstattungssumme im Schadensfall. Nur elf Prozent der deutschen Unternehmen konnten über die Versicherung über 60 Prozent des Schadens zurückführen; in Europa lag der Anteil mit 22 Prozent deutlich höher.

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Die Folgen von Wirtschaftskriminalität, etwa die Verschlechterung der Mitarbeitermoral, Geschäftsbeziehungen und Reputation, wiegen sogar oft noch schwerer als der anfängliche finanzielle Schaden. Aber solange einige Big Bosse oder Politiker mit schlechtem Beispiel vorangehen, muss man sich über gar nichts wundern. Die schlechte deutsche Bilanz im europäischen Vergleich wirft Fragen auf: Warum hat sich die Wachsamkeit, die wir bei der Mülltrennung an den Tag legen, nicht auch auf Wirtschaftsverbrechen ausgeweitet? (kh)

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