99 Prozent sind nicht genug

07.06.2001
Ausfälle seiner IT kann sich kein Unternehmen leisten. Testverfahren versprechen Abhilfe: Sie decken mögliche Fehler auf und helfen bei der Bewältigung der Probleme. Nebenbei verheißen sie Herstellern und Dienstleistern Gewinne.

Systemausfälle sind teuer: Nach Angaben von Zona Research kosten Systemausfälle, die von Performance-Problemen verursacht werden, die US-Indus-trie 4,3 Milliarden Dollar im Jahr. Nach Recherchen des E-Commerce-Magazins schlägt jede Stunde Ausfallzeit mit 10.000 bis 20.000 Dollar zu Buche.

Systemausfälle gefährden zudem das Geschäft: Der Internet-Shopping-Report 2001 ermittelte, dass 50,5 Prozent der User bei bestimmten Web-Seiten wegen zu langer Ladezeiten nicht mehr einkaufen. Und Cognitiative fand im Rahmen einer Studie heraus, dass 36 Prozent der Probanden die Geschwindigkeit einer Site als wichtiger empfanden als Preise und Qualität der Inhalte. Eine betrübliche Tatsache ist, dass Systemausfälle die Regel sind und nicht die Ausnahme: Eine Zuverlässigkeitsrate von 99 Prozent bedeutet nämlich, dass die IT-Lösung im Jahr 3,5 Tage ausfällt.

Dabei lassen sich Systemausfälle ganz einfach vermeiden, indem die EDV-Anlage vor Inbetriebnahme gründlich geprüft wird. Neben manuellen Testverfahren bieten sich hierfür zahlreiche Softwarelösungen an. Anbieter wie Mercury, Segue Software, Rational und Compuware offerieren ein umfangreich Portfolio vom Lasttest über den Funktionstest bis hin zur Test-Management-Software.

So unterschiedlich die Programme sind, so einig sind sich die Hersteller bei ihren Zukunftsprognosen: Der Testmarkt wächst. Nach einer Untersuchung der Newport Group wird allein der Teilbereich der Lasttesttools und der damit verbundenen Serviceleistungen von 308 Millionen Dollar im Jahr 2000 auf 746 Millionen Dollar im Jahr 2003 ansteigen. Die Aussichten für Dienstleister, die sich in diesem Markt etablieren wollen, sind blendend. Vor allem Consulting-Unternehmen und Systemintegratoren, die auch Schulungen oder Beratungen anbieten, werden gesucht.

So baut etwa die Mercury Interactive GmbH seit geraumer Zeit verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Partnern. Der Anbieter von Testlösungen hat sich zum Ziel gesetzt, zu 70 Prozent aus dem Lizenzgeschäft zu bestehen. Die restlichen 30 Prozent der Einnahmen teilen sich in Schulung, Wartung und Consulting auf.

Mercurys Wunschpartner: Consultant mit Spezialwissen

Der Spezialist unterhält Allianzen mit Firewall-Herstellern wie Check- point, ERP/CRM/SCM-Anbietern wie SAP und Siebel sowie Datenbank-Produzenten wie Oracle und Informix. Und er baut auf Entwicklungs- und Vertriebspartnerschaften. Am liebsten mit Consultants wie der Emos Computer Consulting GmbH oder der Imbus AG, gerne auch mit Systemintegratoren. "Hauptsache, die Partner verfügen in der Infrastruktur, die getestet werden muss, über schlagkräftiges Wissen", fordert Uwe Flagmeyer, Technical Manager bei der Mercury Interactive GmbH. "Wir haben Partner, die sowohl Produkte als auch Dienstleistungen vermarkten, und Partner, die nur die Dienstleistung verkaufen und Mercury als Subkontraktor beschäftigen", ergänzt er. Letzteres sei der häufigere Fall. So habe der Kunde einen Ansprechpartner und der Partner einen besseren Zugriff auf die Ressourcen von Mercury. An der Zusammenarbeit mit dem Kanal führt für den Technical-Manager künftig kein Weg vorbei: "Wir haben keine Ambitionen, eine Consulting-Firma zu gründen oder zu werden. Unser Ziel ist es, mit Partnern zusammenzuarbeiten."

Neuzugänge sind daher jederzeit willkommen. Sie lockt Mercury mit Marketing-Unterstützung, einem zweistufigen Zertifizierungsprogramm und lukrativen Margen. Und nicht zuletzt mit der positiven Zukunftsprognose des Geschäftsfeld Testsoftware. "Zum größten Teil wird überhaupt nicht getes-tet", erklärt Flagmeyer. "Die Folgen sind übel: Etwa 20 Prozent der großen Projekte gehen, weil mit Fehlern behaftet, nie life. Bei anderen merkt man die Fehler erst nach Inbetriebnahme des Systems. Dabei wäre es wesentlich günstiger, sie im Vorfeld zu beheben. Ein Dienstleister, der seine Projekte mit Lasttests veredelt, wird daher in Zukunft die Nase vorn haben."

Mercury selbst ist seit 1989 als Prüfer aktiv. Der Hersteller bedient kleine und große Kunden, Konzerne wie BMW, Daimler-Chrysler, BASF und SAP ebenso wie Mittelständler mit drei Arbeitsplätzen.

Für diese vielseitige Klientel entwickelt die Gesellschaft Funktionstests wie den "Winrunner", den "Astra"-Quicktest für reine Web-Umgebungen und den "X-Runner" für X-Windows-Systeme. Mit diesen Lösungen können etwa Softwareanbieter die Lauffähigkeit ihrer Anwendungen eruieren. Da- neben vermarktet der in Kalifornien ansässige Anbieter Last- und Performancetests: Der "Loadrunner" sowie der "Astra-Loadtest" prüfen zum Beispiel, ob eine Applikation, die bei einem Benutzer funktioniert, auch der Belastung von 2.000 Anwendern standhält. Auch im Sektor Test-Management ist Mercury inzwischen vertreten. Der "Testdirector" ist ein komplett Web-basierendes Test-Management-Sys- tem, das Requirement-Management, Testplanung, Testausführ- ung und Fehlerverfolgung abdeckt.

Mit seinen Produkten ist der Spezialist für Testsoftware in vier kundenspezifischen Umgebungen zu Hause. Neben dem Client/Server-Umfeld bedient er den Mainframe-Bereich und deckt damit etwa die Jahr-2000 und Euro-Thematik ab. Er testet Standardsoftware wie ERP-Lösungen und CRM-Software und ist auch im Sektor Web-Business samt den zugehörigen B2B- und B2C-Lösungen aktiv.

"Mittlerweile kann man diese vier Bereiche jedoch nicht mehr als einzelne Inseln ansehen", erläutert der Spezialist. "Heute spielen die Umgebungen zusammen. Wenn große Kunden auf neue Architekturen umsteigen, sind immer Altsys-teme im Spiel."

Dass da ohne Test nichts mehr läuft, ist klar. Trotzdem steht die Testerszene erst am Anfang. Im Funktionstestbereich testet heute fast jeder, wobei viele noch manuell arbeiten. Allerdings, so Flagmeyer, zeichne sich durch die Jahr-2000-Thematik inzwischen der Trend zur Automatisierung ab. "Natürlich macht auch die althergebrachte Methode Sinn, etwa im Bereich der Usability-Tests", räumt er ein. Doch verschiedene Kriterien sprächen gegen ausschließlich manuelle Tests. Neben dem ungeheuren Zeitaufwand, den ein großer Test benötigt, spielt vor allem die Psyche eine Rolle. "Testen macht keinen Spaß. Je öfter man einen Test durchführt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einem Fehler unterlaufen."

Wird im Funktionstestbereich oftmals nur manuell und damit lückenhafter getestet, herrscht im Sektor Test-Management häufig Testflaute. Zwar haben schon viele Gesellschaften Tools zur Fehlerverfolgung implementiert. Doch Testläufe protokolliere kaum noch jemand, bekennt der Technical-Manager.

Auch Lasttests sind in der IT-Szene noch wenig vertreten. Hier unterscheidet Flagmeyer drei Varianten: Die Verantwortlichen testen gar nicht, sondern halten sich an Empfehlungen von Kollegen, die ähnliche Software- oder Internet-Strukturen nutzen. Alternativ fahren Tester manuelle Lasttests und lassen etwa alle Anwender eines Unternehmens gleichzeitig auf die zu prüfende Website zugreifen. "Diese Methode ist mit sehr viel administrativem Aufwand verbunden, schlecht nachvollziehbar und ungenau, da Testvarianten oftmals gar nicht gesehen werden", ist sich der Spezialist sicher. Und schließlich gibt es den automatisierten Lasttest: Mit seiner Hilfe versuchen Prüfer, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele User nachzuahmen.

So hat Mercury im Jahr 2000 mehr als 1.000 Lasttests für Kunden gefahren, den größten - mit 1,2 Millionen parallelen Usern - im Zuge der letzten Präsidentschaftswahlen in den USA. Das Ergebnis war düster: 70 Prozent der Anwendungen, die der Hersteller lastgetestet hat, hielten nur 30 Prozent der vom Kunden erwarteten Last stand.

Ursache für die Funktionsmisere der geprüften IT-Architekturen sei die zunehmende Komplexität der Systeme. Die Komponenten, die zum Aufbau von Websites genutzt werden - beispielsweise Anwendungs-Server, Web-Server, Datenbanken und Caching-Applikationen -, können zwar für sich ge- nommen robust und skalierbar sein. Aber in ihrer Kombination bringen sie unter Umständen dennoch nicht die erwartete Leistung, die für den Betrieb komplexer, individualisierter Web-Anwendungen erforderlich ist. So treten laut Mercury 98 Prozent der Performance-Probleme schlichtweg deshalb auf, weil die Infrastrukturkomponenten für eine bestimmte Anwendung nicht optimiert oder richtig konfiguriert sind.

Im Einzelnen sind Datenbank-Tuning, Netzwerk-Bottlenecks und die Konfiguration von Anwendungs-Servern beziehungsweise Web-Servern die Hauptschuldigen an der Mehrheit der Website-Performance-Probleme. 35 Prozent der Performance-Engpässe sind außerhalb der Firewall zu suchen. Vor allem Abstimmungs- und Konfigurationsprobleme bei Routern, Gateways und Switches sowie Bandbreiteneinschränkungen und ISP-Peering-Point-Probleme treten häufig auf. "Zur Sicherung einer maximalen Performance muss deshalb das Gesamtsystem getestet und abgestimmt werden, bevor es online geht oder bevor größere Änderungen eingeführt werden", rät Flagmeyer.

Interessierten Kunden bietet Mercury aber noch mehr als nur Tests: Der Hersteller garantiert Anwendern, die sechs Lasttestläufe ordern, eine Verdoppelung der Performance. "Meist gelingt es uns sogar, diese zu vervier- und zu verfünffachen." Und dabei sei, so der Technical-Manager, "in 98 Prozent aller Fälle zum Optimieren nicht einmal zusätzliche Hardware erforderlich."

Code-Analyse-Werkzeuge braucht jeder Entwickler

Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Stefan Roche, Senior-Account-Manager der Rational Software GmbH. Sein Arbeitgeber ist als Anbieter für Entwicklungswerkzeuge rund um die Softwareentwicklung ebenfalls im Testbereich vertreten. Mit den Produkten "Purify", "Quantify" und "Purecoverage" deckt er die Code-Analyse ab und ermöglicht Entwicklern, etwa Memory-Leeks zu analysieren und eine Performance-Analyse auf Code-Basis zu vollziehen. Er offeriert funktionale Tests - so genannte Blackbox- und Whitebox-Tests - und ist mit "Rational Suite Teststudio" zudem im Sektor Lasttests vertreten. Weiterhin bietet der Hersteller neben den Testtools auch Werkzeuge zur Fehlerverfolgung und für das Anforderungs-Management an.

Die Kunden von Rational stammen vorwiegend aus den Bereichen Finanzwesen, Telekommunikation, Automotiv, Luft- und Raumfahrttechnik sowie aus Softwarehäusern. Im Testgeschäft setzt auch Rational auf die Zusammenarbeit mit Partnern, jedoch nicht im Vertrieb. Den übernimmt der Hersteller selbst. Beratungs- und Implementierungsleistungen gibt die Gesellschaft andererseits gerne an Beratungsunternehmen oder an Sys- temhäuser wie Debis weiter. "Im Technologiebereich und als Beratungshäuser suchen wir auch noch weitere Partner", sagt Sandra Putz, zuständig für die Partnerbetreuung bei der Rational Software GmbH.

Diese müssen jedoch mindestens zehn Mitarbeiter haben, von denen sich wenigstens drei von Rational zertifizieren lassen müssen. Technologiepartner - in der Regel andere Hersteller - sind für den Testspezialisten nur dann interessant, wenn sie zu dessen Produkten Add-Ins schaffen können. "Nicht zuletzt haben und suchen wir aber auch noch Dienstleister, die etwa Schulungen für uns durchführen können oder Serviceleistungen wie Body-Leasing übernehmen", ergänzt Putz. Auch die Implementierung der Systeme erledigt der Hersteller bei großen Projekten gelegentlich gemeinsam mit Partnern. Die Bedingungen? "Unser Hauptfokus liegt darin, die Projekte so schnell wie möglich erfolgreich zu machen. Dieses Ziel sollten auch die Partner verfolgen."

Wie Rational ist auch Segue Software zum einen im Performance- oder Lasttestbereich tätig. Hier setzt er auf das Highend-Tool "Silkperformer". Zum anderen hat der Hersteller mit "Silkvision" und "Silktest" ein Standbein im Sektor Application Monitoring.

Zur Zielgruppe dieser Gesellschaft gehören - wie bei der Konkurrenz - Banken und Versicherungen, aber auch E-Retailer. So beliefert Segue sowohl Großbetriebe als auch mittelständische Unternehmen - zum einen mit Hilfe der eigenen Vertriebsmitarbeiter, zum anderen über Partner aus dem Sektor Consulting oder über Wiederverkäufer.

In Deutschland arbeitet der Hersteller bis dato mit der Siemens AG, Modulo 3 und Isardata zusammen. In den USA hat er gerade einen Fünfjahresvertrag mit IBM-Consulting abgeschlossen. "Wir hoffen, dass wir diesen Vertrag auf Europa ausdehnen können", kommentiert Darko Dragicevic, Marketing-Manager Central Europe des Unternehmens. Daneben sucht Segue weitere Partner, vor allem Distributoren aus Regionen, in denen der Hersteller selbst nicht vertreten ist, etwa in Osteuropa. Und auch hier ist das Interesse an Beratern groß, so der Marketing-Manager: "Natürlich sind wir immer an der Zusammenarbeit mit Consulting-Services interessiert." (cry)

www.segue.com

www.rational-software.de

www.compuware.com

www.mercuryinteractive.de

ComputerPartner-Meinung:

Testsoftware? Wie langweilig. Bis vor kurzem galten Lösungen, die nur dazu dienten, die Funktionsfähigkeit oder Belastbarkeit eines IT-Systems zu kontrollieren, als völlig unspektakulär. Wenn etwas nicht lief, wartete man eben auf die neue Version. Doch mit der jüngs- ten Konjunkturschwäche in den USA schwappt ein neuer Trend zur Sparsamkeit nach Europa: Was ich kaufe, soll auch funktionieren. Und was funktionieren soll, muss geprüft werden. Die Folge: Der Testmarkt floriert. Und mit ihm das Geschäft der Dienstleister, die auf den neuen Umsatzzweig setzen. Das wird auch so bleiben - zumindest so lange, bis mit einem erneuten Wirtschaftsaufschwung die Sparwelle wieder vom Leichtsinn abgelöst wird. (cry)

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