Ab 1. Januar greift die Ikea-Klausel

13.12.2001
Am 1.1.2002 tritt das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, von Juristen auch als Ikea-Klausel bezeichnet, in Kraft. Neben einer Gewährleistungsverlängerung auf zwei Jahre stehen nun auch Handbücher und Werbeprospekte auf dem Prüfstand. Was das für den Handel bedeutet, hat ComputerPartner recherchiert.

Samstagnachmittag 17 Uhr: Endlich zu Hause. Die Wochenendeinkäufe sind geschafft, und der gestresste Käufer auch. Unter den Neuerwerbungen befindet sich ein großes, schweres Paket eines bekannten schwedischen Möbelhauses. "Problemloser Aufbau! Auspacken, zusammenstecken und leimen. Werkzeug und Leim liegen bei", verspricht der Aufkleber. Vor der wohlverdienten Wochenendpause kommt der Aufbau des neuen Regals. "Das sollte in einer halben Stunde erledigt sein", denkt sich der Käufer.

Doch nach einer halben Stunde ist der Wohnzimmerboden übersät mit Brettern, Schrauben, undefinierbaren Kleinteilen, einer kleinen Tüte Leim, und der Käufer dreht ratlos einen DIN-A3-großen Beipackzettel hin und her. Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor?

Das ist wohl jedem von uns schon einmal passiert, aber nicht nur uns, sondern auch vielen Juristen. Kein Wunder also, dass ein Paragraph des neuen Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes auch als Ikea-Klausel bezeichnet wird. Der genaue Wortlaut: "Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, die Sache ist fehlerfrei montiert worden." Paragraph 434 Absatz 2 Satz BGB neue Fassung.

Ähnlich wie im amerikanischen Recht müssen ab Anfang Januar Gebrauchsanweisungen und Hand- bücher nicht nur sachlich richtig, sondern auch für den Durchschnittsbürger leicht verständlich sein. Das gilt nicht nur für Aufbauanleitungen für Möbel, sondern allgemein. Demnach muss ab sofort Schluss sein mit Anleitungen aus Fernost, die von Koreanisch über Japanisch und Englisch schließlich ins Deutsche übersetzt wurden. Die klingen zwar meist lustig, helfen aber kaum, das jeweilige Gerät in Betrieb zu nehmen.

Werbung muss ehrlich werden

Kernige Marketingsprüche wer-den in Zukunft aus Beipackzetteln, Handbüchern und der Werbung allgemein zugunsten eher nüchterner, aber sachlich richtiger Aussagen weichen müssen. Als Definition gilt: Eine verkaufte Ware ist dann mangelbehaftet, wenn sie nicht die - regelmäßig vertraglich vereinbarte - Sollbeschaffenheit aufweist.

Und zur Beschaffenheit von Waren gehören neuerdings auch Eigenschaften, die in öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, Herstellers, eines beauftragten Dritten oder in der Kennzeichnung oder Produktbeschreibung der Ware genannt werden. Bislang waren solche allgemeinen Werbeaussagen für die vertraglich zugesicherten Eigenschaften eines Produkts nahezu ohne Bedeutung. Jetzt können vollmundige Äußerungen über bestimmte technische Eigenschaften eines Produktes, etwa auf der Webseite, in der Werbung oder in Prospekten dazu führen, dass sie Bestandteil des Kaufvertrags werden und dementsprechend auch eingehalten werden müssen.

Verspricht ein Laser-Druckerhersteller beispielsweise 20 Seiten pro Minute, muss das Gerät diese Seitenanzahl in der angegebenen Zeit auch drucken können, sonst hat der Kunde Anspruch auf Minderung des Kaufpreises. Dass bei der Angabe der Seitenleistung bislang die Aufwärmzeit des Druckers "vergessen" wurde und auch die Tatsache, dass sich der Drucker im Kopiermodus befindet (er druckt in einer Minute 20 Mal dieselbe Seite), war bislang nur ein Schönheitsfehler. Ab Januar hat dieser Schönheitsfehler aber auch rechtliche Konsequenzen.

Auch Werbe-Aussagen über den Tinten- oder Tonerverbrauch sind nun rechtlich bindend. In vielen Handbüchern ist zwar die maximale Seitenanzahl, für die eine Tonerkartusche oder eine Tintenpatrone ausreicht, angegeben, leider wird oft dabei der Zusatz "bei fünf Prozent Deckung" schlichtweg vergessen. Und dass ein Tintenstrahler bei jedem Einschalten sowie auch mal zwischendurch seine Düsen säubert und dabei jede Menge Tinte verbraucht, steht ebenfalls nicht im Handbuch.

Von der Gewährleistung ausgenommen ist bisher das Verschleißmaterial, das durch Abnutzung nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden muss. Gibt ein Hersteller aber beispielsweise im Handbuch die Lebensdauer eines Verschleißteiles an, muss er jetzt dafür auch geradestehen. Bei Videobeamern geben die Hersteller in der Regel zwischen 2.000 und 3.000 Stunden (Economy-Modus) als Lebensdauer an. Für die Lampe im Beamer stellt aber, wie bei jeder anderen Glühbirne auch, das Einschalten den größten Stressfaktor dar. Wer nun seinen Beamer öfters ein und ausschaltet, wird deren Lebensdauer drastisch verkürzen. Nach dem neuen Gesetz haftet der Hersteller aber sechs Monate für alle Teile. Da die Lampe eines Beamers mit rund 700 bis 1.000 Mark ordentlich zu Buche schlägt, ist in vielen Fällen eine Reklamation vorprogrammiert.

Der Handel als Glied in der Kette zwischen Hersteller und Verbraucher kann die Forderungen des Käufers weitergeben. Das gilt auch für schlechte Handbücher. Der Kunde kann eine Minderung des Kaufpreises verlangen. Der Handel darf diese Margenminderung von seinem Großhändler zurückfordern. Und der wiederum darf sich beim Hersteller schadlos halten. Die Verjährungsfrist für Forderungen, die auf Mängel beruhen, wurde auf fünf Jahre verlängert. Schwierig wird es nur, wenn der Hersteller zum Beispiel in Fernost angesiedelt ist und plötzlich nicht mehr greifbar ist. Dann bleibt der Handel auf dem Schaden sitzen.

Nun bleibt zu hoffen, dass Ikea seine Montageanleitungen verbessert, sonst rollt auf den schwedischen Möbelgiganten eine Preislawine ohnegleichen zu. (jh)

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