"Ab 100.000 Mark Investition rentiert sich Netzwerk-Management für den Händler"

02.02.1996
MÜNCHEN: Was ein Händler, der mit Netzwerk-Managementlösungen Geld verdienen will, tun und lassen sollte, erklärt Dr. Franz-Joachim Kauffels, unabhängiger Unternehmensberater in Euskirchen, im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.? Herr Kauffels, ab welcher Größenordnung rentiert sich Netzwerk-Management für den Händler?

MÜNCHEN: Was ein Händler, der mit Netzwerk-Managementlösungen Geld verdienen will, tun und lassen sollte, erklärt Dr. Franz-Joachim Kauffels, unabhängiger Unternehmensberater in Euskirchen, im Gespräch mit ComputerPartner-Redakteur Wolfgang Leierseder.? Herr Kauffels, ab welcher Größenordnung rentiert sich Netzwerk-Management für den Händler?

KAUFFELS Netzwerk-Management ist eine sehr betreuungsaufwendige Angelegenheit. Die Rolle des Händlers ist hier äußerst unglücklich, weil der Anwender selten weiß, was er will und braucht. Außerdem möchte er kein Geld ausgeben. Wenn der Händler Pech hat, bleibt es am Ende an ihm kleben, alles zu machen. Können die Anwender nicht mit den Tools umgehen, muß er ihnen das beibringen. Dann gibt es Probleme bei der Erfassung, und dann haben sie normalerweise kein Konzept. Also muß man generell folgendes unterscheiden: Kleine Anwendungen bis etwa 100 PCs kommen ohne extra Tools aus, es sei denn, man baut mit den 100 Roboter-PCs Autos. Bei 100 PCs muß im Normalfall und Wartungsvertrag das Unternehmen dafür sorgen, daß die laufen. Das heißt, es kann sich selbst ein Tool kaufen und installieren. Doch das Tool dem Kunden einfach in die Hand zu geben, ist sehr schwierig. Sie sehen, die Frage nach der reinen Größenordnung ist sehr schwierig zu beantworten. Es spielen da viele Faktoren rein: Was wollen die Anwender investieren, vor allen Dingen an Personal? Die Fähigkeiten des Kunden, technischer Wirkungsgrad des Kunden oder Kritikalität der Anwendungen. Aber auch: Ist es ein Mischnetz oder ein strukturiert aufgebautes Netz? Wenn man ein Ethernet auf kleine Hubs aufsetzt mit strukturierter Verkabelung, kann kaum mehr viel passieren.

? Gibt es also eine Investitionsgröße, unter der der Händler nicht rentabel arbeiten kann?

KAUFFELS Unter einem Investitionsvolumen von 100.000 Mark nur für Netzwerk-Management würde ich die Finger davon lassen. Das kostet im Grunde genommen die reine Arbeit, wenn man eine kleinere bis mittelgroße Umgebung ordentlich analysieren will, gucken, welche Möglichkeiten gibt es überhaupt? Man kann ja nicht mit irgendwelchen Standardtools arbeiten, sondern es muß einem jedes Mal die für den Kunden passende Lösung neu einfallen.

? Marktkenner behaupten, daß lediglich ein 50stel der Netzwerk-Investitionen für Netzwerk-Management ausgegeben werden. Andererseits beklagen sich Unternehmen über die Kosten, die durch Netzausfälle entstehen. Ist nicht ein Umdenken in Richtung Netzwerk-Managementlösungen gefragt?

KAUFFELS Man kann riesige SNA-Netze mit relativ wenigen Leuten betreiben. Aber wenn man PC-, Ethernet-Netze und dergleichen betreibt, wie sie in großen Unternehmen seit Downsizing und Client-Server meist anzutreffen sind, braucht man viel mehr Personal pro versorgtem Arbeitsplatz. Außerdem braucht man ein Konzept. Aber um wie üblich Geld zu sparen, streicht man die Liste der möglichen Funktionen zusammen, auch an den völlig falschen Stellen. Bei der Cost-of-Ownership für Client-Server-Lösungen sind 75 Prozent der Kosten über fünf Jahre Personalkosten. Aber das fällt in Deutschland kaum auf, weil den deutschen Unternehmen vielfach die Vollkostenrechnung abgeht. Sie haben den Eindruck, ein Netz kostet soviel, wie die Komponenten gekostet haben. Vielleicht zehn Prozent davon werden für Netzwerk-Management ausgegeben. Das ist aber völlig falsch. Im Grunde müßten Unternehmen jedes Jahr für Netzwerk-Management mindestens den gleichen Betrag auslegen, den sie für die Anschaffung des Netzes auslegen mußten.

? Wie sieht es angesichts dieser unklaren Voraussetzungen mit der Händlerberatungsfunktion aus?

KAUFFELS Der Witz an der Sache ist folgender: Man kann heute Netze bauen, die relativ gutmütig sind. Die kann man sehr lange Zeit betreiben ohne jeden Ärger. Das sind die Netze mit strukturierter sternförmiger Verkabelung, auf einem vernünftigen Kabel, mit einem guten, nicht zu billigen Stecker und einem schönen Hub. Diese Hubs bieten die Möglichkeit, Netzwerk-Management zu machen, indem man da eine kleine Konsole daneben stellt. Man sieht den Hub, und wenn der Hub das Netz ist, reicht das ja. Es ist wie so oft: Ich muß vorher wissen, was ich will. Qualitätsprodukte haben ihren Preis. Und das muß der Händler sagen! Wenn aber an den falschen Stellen gespart wird, also zwar ein schöner Hub gekauft, aber auch so ein Klingeldraht mit irgendwelchen wackligen Steckern - dann braucht man sich über den permanenten Ärger nicht zu wundern. Das Geld, das man da investiert, das kriegt man zehnfach wieder.

? Bevor sich ein Händler auf die Installation eines Netzwerk-Managementtools einläßt, sollte er sich also bei dem Auftraggeber umsehen. Seine Beratungsfunktion beginnt schon in der Projektphase. Meist aber trifft er auf ein heterogenes Netz mit zwei oder drei Betriebssystemen, verschiedener Software, diversen Verkabelungen. alle historisch gewachsen ...?

KAUFFELS Ja, dann gilt der Spruch, daß in genauem Gegensatz zum realen Leben die Heterogenen für ihre Neigungen schwer bestraft werden. Das ist von der Industrie gemacht worden und als Slogan verbreitet worden, Es ist aber absoluter Unfug. Wenn ich mir den Bereich der großen Hubs oder ATM ansehe, dann sieht das im Moment so aus, daß Sie absolut den Freitod wählen, wenn Sie Geräte unterschiedlicher Hersteller kombinieren. Die Hersteller sagen Ihnen das mittlerweile auch ganz offen nach dem Motto: Wenn Du die kombinierst, gehen nur Standardfunktionen. Aber die schönen Funktionen, die Du gerne hättest, die gehen nur, wenn du alle Geräte von uns kaufst! Bei diesen Netzen gab es Spezialisten, die gesagt haben: Ethernet ist Standard, bei einem Netz mit 100 Anschlüssen und 37 Komponenten von 35 Lieferanten. Dieses Netz können Sie eigentlich nur noch bei der Produktion eines Actionfilms benutzen, indem Sie es nämlich hochjagen.

? Was macht der Händler? Zieht er sich angesichts dessen mit aschfahlem Gesicht zurück?

KAUFFELS Nein! Der Händler soll laut sagen, sie seien wahnsinnig! Manchmal werden die Unternehmen wach und kaufen was Vernünftiges. Das habe ich mehrfach erlebt., besonders bei Unternehmen, die bereits Probleme hatten. Man muß unterscheiden: Es gibt Anwender, die vor dieser ganzen Technik machtlos stehen und sich davon bedroht fühlen. Und es gibt die, die sie verstehen. Beide Gruppen sind im Grunde genommen sehr aufgeschlossen dafür, wenn man ihnen sachlich begründet sagt, was sie nehmen sollten. Prinzipiell: Der Händler sollte sich auf keinen Fall auf Netzflickerei einlassen! Das kann er sich sparen. Lieber verkauft er einen vernünftigen Hub, der kostet zwar ein bißchen mehr, verkabelt ordentlich - und es ist vollbracht. Außerdem sollte man immer daran erinnern, daß wir in Deutschland einen Investitionszyklus durch die Abschreibungsmöglichkeiten von üblicherweise fünf Jahren haben. Das sollte man auch bei der Planung der Netze berücksichtigen. Aber da sind die Anwender wirklich entsetzlich! Niemand würde seine Autoflotte aus irgendwelchen gebrauchten Schrottkarren von irgendeinem Händler zusammensetzen und einen dahinsetzen, der die immer wieder zusammenlötet. Bei Netzen wird es aber so gemacht! Das ist nicht zu fassen. Die Leute müssen im Grunde genommen alle fünf Jahre ein neues Netz haben, wenn sie auf dem Stand der Technik bleiben wollen. Die Verkabelung vielleicht nur mal alle zehn Jahre, denn die wird um so besser, wenn man sie einmal ordentlich macht. Aber bei allem anderen, bei den fallenden Preisen! Das wissen die Händler selber am allerbesten: Man kriegt eben nach fünf Jahren wesentlich verbesserte Komponenten. Die können, tun und machen viel mehr. Vor fünf Jahren hat irgendein Ethernet-Verteiler mit 16 oder 30 Anschlüsse zirka 20.000 Mark gekostet. Der galt als super Verteiler! Heute kriegen Sie einen Switch dafür, der auf jeden Anschluß 10 MB pro Sekunde setzen kann. Wer da noch am Verteiler rumbaut, sollte lieber die Mülltonne aufmachen und den Verteiler reinwerfen.

? Aber das kommt in der Branche doch oft vor. Das firmiert beispielsweise unter Investitionsschutz, ganz gleich, welches Alter das DV-Equipment hat.

KAUFFELS Dann sind es Bastelläden, im Grunde genommen LAN-Antiquariate. Ja gut, es gibt ja auch etwas wider besseren Wissens. Die Leute gehen in die Wirtschaft und saufen wider besseren Wissens. Es ist nicht verboten, denen Bier zu verkaufen. Auf den Händler übertragen: Wenn er merkt, dem Kunden ist nicht zu helfen, dann muß er überlegen, ob er auf das Geschäft verzichtet oder dem Kunden doch irgendwas verkauft. Ich würde die erste Lösung vorziehen. Sie ist korrekt.

? Wenn aber doch die zweite Lösung von dem Händler verlangt wird?

KAUFFELS ... Dann muß der arme Händler dafür sorgen, daß er da ohne Schaden rauskommt. Aber hier gibt es genügend Fälle, in denen der Anwender hinterher seine eigene Dummheit in Service-Leistung des Herstellers ummünzen will. Aus Schaden klug zu werden, kann sehr teuer sein. Ich würde die erste Lösung vorziehen.

? Laut einer Umfrage bei deutschen Unternehmen wird, wenn überhaupt, in sogenanntes Sicherheits-Management investiert. Ist das bei Netzwerk-Mangementtools bereits die halbe Miete? Wie soll der Händler reagieren?

KAUFFELS Nein. Das sagen Unternehmen nur, um sich nicht bis auf die Knochen zu blamieren. Die meisten haben nicht mal ein grobes Sicherheitskonzept. Sie wissen nicht, wer wann was warum wieso soll und wie man das durchsetzt. Wenn man sie fragt, heißt es: "Das können wir nicht, unser Netz ist zu groß!" Viele haben keine Ahnung von möglichen Konzepten. Das ist das Problem. Sie haben aber insofern recht, daß, wenn ein Unternehmen darauf besteht, man eine modulare Plattform anbieten muß, am besten von einem Marktführer. Damit kann nichts passieren. Aber zu dem Kleinkram muß ich sagen, ich persönlich empfehle dem Kunden, die Finger davon zu lassen. Entweder kauft man was Vernünftiges, oder man läßt es!

? Ich habe in einem Buch über Netzwerke folgendes gefunden: "Auch kleine Anbieter können sich dem Markt für Netzwerk-Management widmen." Glauben Sie, daß das zum Beispiel für kleine Systemhäuser realistisch ist?

KAUFFELS Unsinn! Kleine Firmen haben normalerweise weder Geld noch Durchhaltevermögen, Netzwerk-Management-Anwendungen in einer hinreichenden Bandbreite zu entwickeln. Die können zwar ein nützliches Spezialtool entwickeln, das in eine große Lösung integriert werden kann, aber in Deutschland sehe ich überhaupt keine Firmen, die damit sinnvoll Geld verdienen könnten. So riesig ist der Markt auch nicht!

Ich würde meine Mittel also nur im Hinblick auf sehr lange etablierte Plattformen investieren und jeder Art von Experiment aus dem Weg gehen. Sogar die großen Plattformen haben alle einen etwas anderen Einsatzschwerpunkt. Aber generell: Die Händler sollten darauf achten, Netze zu installieren, die nicht kaputt gehen. Dann kann sich der Anwender so dumm anstellen, wie er will, trotzdem funktioniert es und beide haben den größten Gewinn. An Komponenten verdienen zu wollen, ist völlig verfehlt.

? Trotzdem steigen Händler in Netzwerke ein und muten sich Installationen zu, bei denen sie sich nur Ärger einhandeln. Warum?

KAUFFELS Weil immer nur über den Preis gekauft wird. Ich hatte letztens eine riesige Installation mit über 20.000 Rechnern. In einem Riesengebäude. Dort sollte ich ShepperNet installieren, einfach weil es so schön billig ist. Und da fällt mir nichts mehr ein.

? Der Händler sollte also die Ausschreibung genau lesen. In ihr findet er bereits genaue Angaben über die Vorstellungen, die ein Unternehmen an sein Netz stellt?

KAUFFELS An der Ausschreibung können Händler vor allem sehen, woher die abgeschrieben ist. Und normalerweise stehen in Ausschreibungen absurde Dinge drin, gerade beim Netzwerk-Management. Das wissen die Händler selber. Im Grunde muß man den Leuten klarmachen, daß alles Geld kostet, was sie wollen. Auch auf die Gefahr hin, daß dann alles zusammenschmilzt.

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