Acer: Distributoren fühlen sich vor den Kopf gestoßen

28.05.1998

AHRENSBURG: Statt IT-Händler weiterhin direkt zu betreuen, setzt Acer seit wenigen Monaten auf Distributoren. Doch die Broadliner genügen offenbar nicht den Ansprüchen des Hauses: Unter dem Namen "Acer Distribution Center" fanden sich neun Value Added Distributoren zusammen, um die Händlerschaft zu bedienen. Revierkämpfe mit den Broadlinern sind abzusehen.Acer Computer hat mit der Initiierung der Acer Distribution Centers seine Distributoren vor den Kopf gestoßen.

Sein Unternehmen, das stellte Geschäftsführer Klaus M. Muuß bereits im März auf der Cebit gegenüber ComputerPartner in Aussicht, kann auf Dauer nicht über 1.000 IT-Fachhandelspartner direkt betreuen. Deshalb wolle er verstärkt mit Distributoren zusammenarbeiten. Entsprechend der breitgefächerten Produktpalette seines Unternehmens kommen dabei vorrangig Broadliner in Frage. Seine Wahl fiel auf Ingram Micro, CHS, Macrotron und Frank& Walter.

Broadliner bieten kein Build-to-order

Damit, so sollte man meinen, sei der Fachhandelsmarkt gut bedient. Aber mitnichten: "Ein Broadliner braucht Produkte, die er möglichst ohne Veränderung vom Lager nehmen kann - das sind in erster Linie Notebooks und Monitore", glaubt Klaus Lübbers, Vertriebsleiter für Commercial Sales, Distribution, OEM und Fachhandel bei Acer in Ahrensburg. "Nach unserer Erfahrung tut er sich schwer mit individuellen Konfigurationen - das bedeutet einen Aufwand, den er nur ungern auf sich nimmt." Deshalb ini-tiierte das Acer-Management die Autorisierung von "Acer Distribution Centern", das sind derzeit neun bundesweit verstreute Value Added Distributoren. Die weiterhin unabhängig agierenden ADC-Mitglieder (siehe Facts & Figures) bieten die gesamte professionelle Acer-Produktpalette an, wie vorrangig die beratungsbedürftigen PC- und Server-Systeme - aber auch die Monitore und Notebooks, die doch seiner eigenen Definition zufolge das Revier der Broadliner sind. Und genau da liegt das Konfliktpotential. Doch Lübbers ist guten Mutes und sicher, daß sich die ADCs und die Broadline-Distributoren nicht in die Quere kommen werden. "Die ADCs haben für uns gegenüber den Broadline-Distributoren den Vorteil, daß sie über ein Build-to-order-Konzept verfügen", begeistert sich der Vertriebsmann. Die Broadliner dagegen hätten ihren Fokus auf Produkten, die sie fertig vom Lager nehmen können.

Alles nur zum Wohle der Händler

Durch die Kooperation mit den ADCs sollen Acer-Händler nun ihre freiwerdenden Kapazitäten für größere und komplexere Aufgaben nutzen können - so steht es in der Fachhandelsbroschüre geschrieben. "Die Vertriebspartner wollen einen Ansprechpartner vor Ort und die Möglichkeit, dort innerhalb kürzester Zeit einen individuellen Rechner zu bekommen. Während Acer selbst sehr sparsam in der Bevorratung ist, hat der Distributor das Equipment auf Lager liegen und kann darüber hinaus nach Wunsch ganz individuell ergänzen", preist Lübbers die ADCs, die nicht nur den Fachhandelspartnern, sondern auch dem Hause Acer ein lästiges Logistikproblem vom Hals schaffen.

Ein weiterer Punkt, der für die neuen Vertriebspartner spreche: In Sachen ergänzende Peripherie könnten die ADCs dem Fachhandel weit mehr bieten als der Hersteller. "Der Wiederverkäufer will doch soviel wie möglich von einem einzigen Lieferanten beziehen. Einen Epson- oder einen HP-Drucker haben wir natürlich nicht im Programm", erläutert Lübbers die Vorzüge der neuen Zentren.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn offenbar hat Acer es vor lauter Begeisterung verabsäumt, seine Distributionspartner von den ADCs zu unterrichten. Einige erfuhren gar erst durch ComputerPartner von dem neuen Konzept - und reagierten verärgert. Denn zum einen, so waren sich die Befragten einig, seien sie sehr wohl in der Lage, gute Beratung und Support auch für anspruchsvolle Serversysteme zu bieten. Zum anderen hätten sie eine mindestens so breitgefächerte Produktpalette verschiedener Hersteller wie die neuen kleineren Distis in der ADC. Und insgesamt sehen sie den besagten Nutzen für den Fachhändler nicht so wie Lübbers: "Wir halten dieses Vertriebskonzept - die Unterscheidung ADCs und Broadliner - für nicht ausgereift und für den Händler nicht nachvollziehbar", wettert denn auch einer der Befragten.

"Ich bin sicher, daß auch die Händler damit nicht einverstanden und glücklich sind." (taf, du)

"ADCs und die Broadliner kommen sich nicht in die Quere", ist Acer-Vertriebsmanager Klaus Lübbers zuversichtlich.

Zur Startseite