Acer gibt offiziellen Startschuss für die Produktionstochter Wistron

19.07.2001
Die Verluste der ersten drei Monate dieses Jahres wogen schwer und bestärkten Acer-Chef Stan Shih in dem Vorhabenich langfristig aus der PC-Produktion zurückzuziehen, um wie andere Branchenriesen künftig nur noch als reines Marketing- und Service-Unternehmen aufzutreten. Fundamentiert werden soll der Abkopplungsprozess vom einstigen Kerngeschäft durch die soeben erst gegründete Produktionsgesellschaft Wistron.

Mit der Gründung der Wis-tron Corporation hat die Acer Group am 9. Juli 2001 offiziell den ersten Schritt getan, Design, Produktion und Services (DMS) vom Brand-Business abzukoppeln, um aus der Verlustzone zu kommen (siehe ComputerPartner Ausgabe 25/01, Seite 10). Anderslautende Gerüchten, dass der Ende Juni auf der Hauptversammlung abgesegnete Rückzug aus der PC-Produktion ein selbst gelegtes Kuckucksei sein könnte, entkräftet David Tsai, PR Associate Director bei Acer Inc. weltweit, auf Anfrage von ComputerPartner: "An dem Vorhaben wird sich nichts ändern. Wistron wird bis spätestens Anfang 2002 auf eigenen Füßen stehen und völlig unabhängig wirtschaften." President und CEO der neuen Produktionsgesellschaft wird Simon Lin, der bis dato auch die Leitung der DMS-Division des Konzerns innehat.

Zunächst wird sich Wistron auf die Produktion von PCs und Information Appliances (IAs) konzentrieren, im Laufe der nächsten zwei Jahre aber auch die Herstellung von Storage-, Netzwerk- und Kommunikationsprodukten übernehmen, um somit das ganze Spektrum der Informations- und Kommunikationsindustrie abzudecken. Acer selbst will sich künftig mehr als Marketing- und Service-Organisation denn als Hersteller verstehen.

Mit einem Startkapital von 30 Millionen Dollar soll Wistron in drei Jahren bereits einen Umsatz von sechs Milliarden Dollar erwirtschaften und somit zur weltgrößten Design- und OEM-Produktionsschmiede für die Informations- und Kommunikationsindustrie heranwachsen. Im vergangenen Jahr hat die Acer-DMS-Division mit 8.400 Mitarbeitern und acht internationalen Operationsbasen durch Auftragsfertigung einen Umsatz von drei Milliarden Dollar erzielt.

Als Nachfolgeorganisation gilt Wistron somit nach eigenen Angaben heute schon als weltweit führender OEM- und ODM-Lieferant (Original Equipment Manufacturing und Original Design Manufacturing).

Acer erwartet, dass die neue Produktionsgesellschaft nach der schrittweisen Übertragung der Vermögenswerte bis Ende 2001, spätestens aber bis Anfang 2002 auf eigenen Füßen gestellt sein wird. Nach der Trennung wird Acer Hauptkunde von Wistron bleiben. Ebenfalls mit Wistron eng zusammenarbeiten sollen weiterhin die Konzerntöchter Acer Nextus, Acer Neweb, Aopen, Acer Pivotal und Anextek.

Im Anfangsstadium wird Wistron zu 100 Prozent im Besitz von Acer Inc. bleiben. Geplant ist aber, künftig auch andere Investoren ins Boot zu holen und sich gegebenenfalls sogar ganz aus der Produktionsgesellschaft zurückzuziehen. Eine Corporate Identity hat das neue Acer-Kind auch schon: Wie Lin erklärt, setzt sich der Name Wistron aus "Wisdom" (Weisheit) und "Electronics" zusammen. Das blau und grün abgesetzte "i" steht für Innovation und Integrity, zwei Schlüsselelemente in Acers Un-ternehmensphilosophie, die auch in dem chinesischen Wistron-Namen "Wei-Chuang" (Chuang = Innovation) zum Ausdruck kommen sollen.

Unternehmensphilosophie hin,Un- ternehmensphilosophie her: Das zweite Zeichen in Acers chinesischem Namen "Hong-Ji" taucht in den meisten Konzerntöchtern auf, nicht aber in dem von Wistron, was als weiteres Indiz gewertet werden könnte, wie ernst es dem Unternehmen ist, sich von der Produktion völlig zu verabschieden.

www.acer.com; www.wistron.com

ComputerPartner-Meinung:

Wenn ein Unternehmen wie Acer, immerhin drittgrößter PC-Hersteller der Welt, sich aus der Produktion zurückziehen will, dann kann man dies nur als Verzweiflungstat werten. Erschwerend kommt hinzu, dass Acer, was das Brand-Business, sprich das reine Marketing angeht, noch einiges dazulernen muss. Andere Hersteller wie Compaq sind in dieser Hinsicht wesentlich weiter. (kh)

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