Acer startet mit CE-Offensive durch

23.09.2004
In Maltas Hauptstadt La Valetta bekräftigte Acer-Gründer Stan Shih seine Rücktrittspläne. Im Januar 2005 gibt er an ein stark europäisiertes Top-Management ab. Neue Produkte im CE-Umfeld sollen der "Marketing-Company" zu weiterem Wachstum verhelfen. Von ComputerPartner-Redakteur Klaus Hauptfleisch

Als Gewinnformel heute und für die Zukunft bezeichnet Acer-Chairman und CEO Stan Shih das stark europäisch geprägte neue Channel Business Model, das nun auch in Nordamerika bereits stolze Früchte trage. Auch das Abstoßen der Produktion vor und die "Mega-Transformation" zur reinen Vertriebs-, Marketing- und Service-Company vor vier Jahren habe sich bezahlt gemacht. Shih, der das Unternehmen vor 28 Jahren gründete, bekräftigte anlässlich der diesjährigen EMEA-Pressekonferenz seine Pläne, sich zum Jahresende aus den Acer-Amtsgeschäften zurückzuziehen und präsentierte das neue Top-Management mit J.T. Wang (Zhentang Wang) als sein Nachfolger sowie den italienischen Europa-Chef Gianfranco Lanci als neuen Präsidenten der Acer Inc. ab Januar 2005.

Walter Deppeler, neben Emanuele Accola EMEA-Vize, rückt Anfang Januar 2005 als Senior Corporate Vice President von Acer Inc. ebenfalls ins Top-Management auf, ist aber anders als vom Deutschland-Team erwartet, auf der Pressekonferenz nicht zum Nachfolger Lancis gekürt worden. Mit der Entscheidung, die Unternehmensführung mit europäischen Spitzenkräften zu besetzen, ändere sich auch die Vorstandssprache von Mandarin zu Englisch, so Shih.

Digitalkameras und LCD-Fernseher

Große Hoffnungen setzen Shih und der designierte neue Acer-Chef Wang in die Bereiche Digital Home und Unterhaltungselektronik. Um die Pläne zu unterstreichen, sollen zum Jahresende mit Digitalkameras und LCD-Fernsehern neue Produktlinien auf den Markt gebracht werden und zu weiterem Wachstum beitragen. Ziel für das laufende Geschäftsjahr ist ein weltweiter Umsatz von 5,9 bis 6 Milliarden Dollar nach 4,6 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr und 2,9 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2004.

Ziel für den EMEA-Umsatz sind 3,2 Milliarden Dollar, wovon rund 700 Millionen auf Deutschland entfallen sollen. Bis 2010 soll die 10-Milliarden-Hürde genommen werden, kündigte Shih an und erklärte gegenüber der FAZ, dass es womöglich auch 20 Milliarden Dollar werden könnten. Verluste bei Tochterunternehmen wie bei der Produktionsfirma Wistron haben im zweiten Quartal trotz starker operativer Zuwächse das Konzernergebnis gedrückt. Wang zufolge liege die Wistron-Beteiligung bei 42 Prozent und soll bis Jahresende auf 34 bis 36 Prozent gesenkt werden. Auch der Anteil der Pan Acer Group an Benq (derzeit etwa 12 Prozent) und anderen Konzerntöchtern soll weiter nach unten gehen. Der Verkauf gestalte sich angesichts der derzeitigen Börsenlage in Taiwan aber nicht ganz einfach, gab Wang in einem in der nächsten Ausgabe erscheinenden ComputerPartner-Interview zu. Der Rückgang des Amerika-Geschäfts war ihm zufolge wegen negativer Ergebnisse bewusst gesteuert worden.

Mit neuem europäischem Top-Management unter der Führung von Lanci kam Ende 2003 der Neustart. Der US-Umsatz soll in diesem und im kommenden Jahr auf 500 Millionen und eine Milliarde Dollar jeweils verdoppelt werden. Nächstes großes Angriffsziel sei der chinesische Markt, wo sich ähnlich wie in Europa bereits eine gesunde Distributions- und Handelslandschaft bilde. Und die zu beackern, sei nun mal Acers Stärke. Gut aufgestellt sieht Wang Acer für das Ziel, vom Platz fünf nach Dell und HP auf Platz drei im weltweiten PC-Markt aufzurücken. Im europäischen Notebook-Markt schon Nummer eins, soll mit neuen Modellen wie dem aktuellen Consumer-Flaggschiff Aspire RC950 auch das Desktop-PC-Geschäft vorangetrieben werden.

Deutschland-Chef Oliver Ahrens räumt ein, dass das Ziel Nummer drei bei Desktops noch nicht erreicht sei, aber mit Preissenkungen und aktivem Direktmarketing habe man die Zahl der Händler bereits um 40 Prozent steigern können. Trotz der Spitzenstellung im deutschen Notebook-Markt liegt der deutsche Marktanteil mit 15,4 Prozent unter dem in vielen anderen europäischen Ländern. Als Grund dafür sieht Acer-Vize Deppeler das Phänomen der lokalen Anbieter wie Maxdata oder Medion, die in anderen Ländern kaum eine Rolle spielen.

Ahrens, der zudem EMEA-Verantwortlicher für das erfolgreiche Monitor- und Projektorengeschäft ist, nimmt den Einstieg in den LCD-TV-Markt sehr ernst. "Hier geht es um Sourcing und Integrieren, beides kann Acer", sagte er. Ob Digitalkameras auch nach Deutschland kommen, stehe noch nicht fest. Sinnvoller sei das in Italien und Spanien, wo der Name Acer mehr gelte, so Ahrens.

Meinung des Redakteurs

Anders als Dell und HP in den USA hat sich Acer ganz klar für das indirekte Vertriebsmodell entschieden und die Produktion ausgelagert, um im Sinne des Time to Market flexibler zu sein. Der Erfolg in Europa scheint dem Unternehmen Recht zu geben und springt von hier als Funke auch schon auf Amerika über. Insofern kann man Acer für die Entscheidung, das Top-Management zu europäisieren, offenbar nur gratulieren.

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