Acer streckt die Waffen

28.06.2001

Die Ankündigung von Acer, die Fertigung von PCs einstellen zu wollen, ist eine Sensation. Denn bei Acer handelt es sich um den drittgrößten PC-Hersteller der Welt mit einer Jahresproduktion von etwa acht Millionen Stück. Daher noch einmal zum Mitschreiben: Der drittgrößte PC-Hersteller will kein PC-Hersteller mehr sein.

Bei dieser Entscheidung handelt es sich nicht einfach um die Aufgabe eines Geschäftsfeldes, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Sondern was Acer plant, ist nichts anderes als die Aufgabe des - bisherigen - Kerngeschäfts. Diese Entscheidung ist eine Kapitulation. Eine Kapitulation vor dem Markt. Es wird zwar weiterhin PCs mit dem Acer-Logo geben, aber es handelt sich dabei um fremdproduzierte OEM-Ware. Stan Shih, Firmengründer und reaktivierter Vorstandschef, will das Unternehmen zum "reinen Service-Unternehmen" transformieren. Um welche Art von Dienstleistungen es sich handelt, steht derzeit noch in den Sternen.

Völlig offenkundig ist aber, dass dieser Radikalschnitt eine völlig andere Firma enstehen lässt. Das Risiko, dass am Ende nur noch eine Ruine übrig bleibt, ist immens hoch. Das ist Shih offenkundig selbst klar. Denn, so stellt er fest, "entscheidend über Erfolg oder Misserfolg wird in unserem neuen Geschäftsmodell allein die Qualität der Leute im entsprechenden Markt sein". Diese Leute hat er aber nicht. Eine Produktions-Firma in eine Service-Firma umzuwandeln ist eine ähnliche Herausforderung, wie aus einer Fußballmannschaft eine Wasserballmannschaft zu machen. Die Gefahr, dass man dabei absäuft, ist groß.

Dennoch will Shih dieses Risiko eingehen. Warum? Weil Acer nach seiner Überzeugung "keine Wahl" hat. Hat Acer keine Wahl? Es ist schwer zu begreifen, dass Acer mit seiner Erfahrung in der PC-Auftragsfertigung keine andere Lösung der gegenwärtigen Krise sieht, als das Kind mit dem Bade auszuschütten. Selbst wenn Taiwan als Produktionsort aus Kostengründen ins Hintertreffen geraten ist, sollte es doch möglich sein, billigere Standorte zu erschließen.

Wird Acer, wenn die PCs nicht mehr aus der eigenen Fertigung stammen, als Anbieter noch eine Rolle spielen? Sicher lässt sich argumentieren, dass es heute zweitrangig ist, wer die Kisten produziert, da es ohnehin kaum wahrnehmbare technische Unterschiede gibt. Das ist zwar richtig, aber es gibt zum einen noch immer qualitative Unterschiede. Und was noch mehr zählt, ist der Zugriff auf die Produktionsstätten. Wie will das taiwanische Unternehmen sicherstellen, dass es zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Produkte in ausreichender Menge zu Verfügung hat? Flexibilität und schnelle Reaktion auf Marktanforderungen sind hier die Stichworte. Ein Unternehmen, das nicht selbst über entsprechende Fabriken verfügt, hat in dieser Hinsicht einen durchaus entscheidenden Nachteil.

Es lässt sich schlussendlich auch fragen, ob es anders gekommen wäre, wenn die Fusion von Acer und Siemens Nixdorf vor drei Jahren nicht im letzten Moment gescheitert wäre. Sicher ist, dass es heute zu spät ist, eine derartige Allianz zu versuchen. Denn dafür wird sich wohl kein Partner mehr finden.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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