Werte – Ziele – Verhalten

Achilles oder Odysseus – von wem sollen Manager lernen?



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Manager stehen bei ihrer Arbeit immer wieder vor der Frage: Ist es mit meinen Werten vereinbar, dass ich ein bestimmtes Verhalten zeige, um bestimmte Ziele zu erreichen? Das war schon immer so – das zeigen die antiken Beispiele Achilles und Odysseus. Von Dr. Georg Kraus.

Spätestens seit 1903 - als das Buch "Shop Management" von Frederick Taylor erschien, auf dem der Taylorimus basiert - kommen Jahr für Jahr mehr Bücher auf den Markt mit Rezepten für ein kluges Management. Doch die Philosophen und Denker beschäftigten sich schon früher mit den Prinzipien guter Führung. Denn der Begriff "Manager" mag neu sein, die mit dieser Rolle verbundenen Herausforderungen sind es jedoch nicht.

Die ersten Management-Handbücher wurden vor mehr als 2500 Jahren geschrieben. Damals heißen die Manager noch Helden. Und zwei Prototypen dieser schillernden Figuren begegnen uns schon in den ältesten Epen der Weltliteratur: in der Ilias und in der Odyssee, als deren Verfasser Homer gilt.

Früher galten gute Führer als Helden. Das ist auch heute zuweilen noch so.
Früher galten gute Führer als Helden. Das ist auch heute zuweilen noch so.
Foto: Natbleu, Fotolia.de

Liest man die darin enthaltenen Geschichten und vergleicht man ihre Hauptfiguren, dann stellen sich die Fragen:

  1. Welche von ihnen sind die wahren Helden? Und:

  2. Wodurch unterscheiden sie sich?

Achilles - der Aufrichtige

In der Ilias lernen wir Achilles kennen. Er ist ein nahezu unverwundbarer Krieger, ein schöner und mutiger Vertreter seiner Zunft mit einem hohen Ehrenkodex. Das heißt, sein Handeln orientiert sich an einem klaren Wertekonstrukt. Entsprechend eindeutig ist er in seiner Bewertung "richtig" oder "falsch". Achilles steht zudem für seine Überzeugungen ein und wird schnell zornig, wenn seine Werte in Frage gestellt werden. Außerdem misst er dem höheren Ziel eine größere Bedeutung als dem eigenen Leben bei.

Die Ilias schildert, wie es Achilles im Krieg um Troja immer wieder gelingt, das griechische Heer hinter sich zu scharen - weil er starke Werte verkörpert und bereit ist, für seine Überzeugung zu kämpfen. Selbst gegenüber Agamemnon, dem griechischen König, tritt er für seine Werte ein. Diese Begebenheit wird als "Zorn des Achilleus" in der Ilias besungen. Obrigkeitshörig ist Achilles nicht, sein Kompass ist seine innere Haltung. Und dafür lieben ihn seine Männer und folgen ihm.

Odysseus - der Listige

Und Odysseus? Er ist der Listige, bekannt für seinen scharfen Verstand und seine klugen Ideen. Ohne ihn hätte es das trojanische Pferd nicht gegeben. Und sogar die Götter spielt er gegeneinander aus, um seine Ziele zu erreichen. Für Odysseus gilt: Der Zweck heiligt die Mittel. Es geht nicht darum ehrenvoll, sondern erfolgreich zu sein. Und hierfür ist es in seiner (Werte-)Welt auch legitim, zu lügen, zu betrügen und zu tricksen.

Interessanterweise hat Odysseus seine Mannschaft nicht im Griff. Seine Männer stehen zwar zu ihm, doch sie gehorchen ihm nicht immer. Und auf ihrer Irrfahrt zurück nach Ithaka sterben sie alle. Odysseus überlebt als Einziger die Reise.

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