Actebis-Chef Urban: "Wir kämpfen nichtums Überleben"

12.12.2002
Noch vor wenigen Wochen hatte Actebis-Chef Michael Urban angekündigt, im kommenden Jahr an Ingram vorbeizuziehen. Doch die Umsätze wollen einfach nicht anziehen, was nun 200 Mitarbeitern den Arbeitsplatz kostet.

Die Kurzarbeit, die Actebis-Vorstand Michael Urban Anfang des Jahres seinem Unternehmen als Gegenmittel zu den anhaltend schwachen Umsätzen verordnete, hat anscheinend nicht den gewünschten Effekt gehabt. Nun geht der Disti-Chef zur Rosskur über: Er streicht insgesamt 200 Mitarbeiter bei Peacock und Actebis von der Gehaltsliste.

Für etwa 100 Leute bei Peacock wird derzeit gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Sozialplan ausgearbeitet. Besonders hart getroffen hat es den Einkauf in Wünnenberg-Haaren. Er wird nicht, wie ursprünglich geplant, mit dem Einkauf Actebis zusammengelegt, sondern komplett aufgelöst. Auch der Marketingbereich muss Federn lassen. Wie es aus branchennahen Kreisen heißt, habe Peacock im letzten Quartal nicht einmal 40 Prozent seiner Umsatzziele erreicht.

Zudem sollen die Niederlassungen in München und Hamburg aufgelöst werden. Dort treffe es vor allem frühere CHS-Leute, die Actebis seinerzeit für "teuer Geld" angeworben hat, erzählen Brancheninsider. Die Schließung der Niederlassungen scheint schon länger geplant gewesen zu sein, denn wie man hört, war Actebis-Vertriebsleiter "Kalle" Hoffmeyer schon länger unterwegs, um Kunden davon zu überzeugen, sich von Soest aus betreuen zu lassen. Der Stellenabbau soll bis Mitte 2003 dauern. Die Niederlassung Braunschweig bleibt erhalten. Den Mitarbeitern der zwei anderen Niederlassungen werde man eine Alternative anbieten, verspricht Michael Urban, Vorsitzender der Actebis Holding GmbH. Auch in Soest müssen in den nächsten Monaten 60 bis 70 Mitarbeiter ihren Hut nehmen."Das wird aber hauptsächlich durch natürliche Fluktuation geschehen. Wir werden zum Beispiel Zeitverträge nicht verlängern", so Urban.

Erwartungen an Q4 haben sich nicht erfüllt

Im September hatte Urban eingeräumt, dass Actebis die Ziele nicht erreicht habe: "Sowohl mit dem Umsatz als auch mit dem Ertrag sind wir unzufrieden", sagte er damals. Dennoch war er damals noch zuversichtlich, dass die Soester im nächsten Jahr Ingram in die Tasche stecken könnten. Doch die hohen Erwartungen, die er damals in das vierte Quartal gesetzt hat, haben sich anscheinend nicht erfüllt. Bis Oktober sei er noch recht zufrieden gewesen, erklärt der Holding-Chef, aber: "Deutschland ist im Moment der schlechteste Markt in Europa." Da die Marktprognosen gleich bleibend pessimistisch sind, hat die Kurzarbeit, die Actebis seit Anfang des Jahres fährt, nicht mehr ausgereicht. Urban: "Das ist von vornherein eine Maßnahme für eine begrenzte Zeit."

Doch nicht nur die schwache Nachfrage hat dem Actebis-Umsatz in den letzten Wochen zugesetzt. Die Einführung der neuen Logistik an Allerheiligen ist nicht ganz reibungslos vonstatten gegangen. "Wir hatten in den ersten Wochen nach der Einführung einige Probleme", zieht Urban Bilanz. Am Anfang habe es schon einen klaren Rückstand bei den Lieferungen gegeben, was dem Mitbewerb sicherlich geholfen habe. "Jetzt ist aber alles, was hier und da geklemmt hat, behoben und funktioniert." Dieser Meinung sind die Actebis-Kunden allerdings nicht."Die Lieferungen kommen immer noch nicht pünktlich. Vor allem die Kleinteile lassen auf sich warten", klagt ein Systemhaus-Chef und fügt hinzu: "Die Umstellung ist auch zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt geschehen. Das Jahresendgeschäft kann doch auch für Herrn Urban keine Überraschung sein."

Urban: Kein Grund zur Panik, wir haben Zeit

Trotz allem sieht Urban dennoch keinen Anlass für Panikmache. Actebis wird den anvisierten Gruppenumsatz von zwei Milliarden Euro nicht erreichen. "Wir müssen aber nicht ums Überleben kämpfen", beteuert er. Man habe noch genügend Zeit, um den Standort Deutschland für die Actebis-Gruppe wieder profitabel zu machen. In dieser Hinsicht hat er auch unter seinen Kunden einige, die an ihn glauben: "Bei Actebis läuft zwar alles zurzeit nicht so rund, weil die sich zu viel vorgenommen haben. Aber wir sind von Soest ja jahrelang gut bedient worden und wir gehen davon aus, dass die das packen", schätzt der Geschäftsführer eines anderen Systemhauses die Lage ein. Ihm würde etwas fehlen, wenn es den Disti nicht mehr gäbe. Der Vertriebler eines Fachhändlers hingegen zuckt nur mit den Schultern: "Wenn Actebis zumachen würde, dann würden wir halt wechseln. Wir brauchen Verfügbarkeit und gute Preise. Wo ich das bekomme, ist mir doch egal."

ComputerPartner-Meinung:

Actebis-Chef Urban läuft die Zeit davon. Es mag richtig sein, dass Maßnahmen wie die Umstellung auf SAP und die neue Logistik mittelfristig zu einem besseren Workflow führen, der sich wiederum günstig auf die Kosten auswirken könnte. Durch die Probleme, die durch die Umstellungen entstanden sind, hat Actebis jedoch erst einmal Umsätze eingebüßt. Und Urban braucht keine mittelfristigen sondern kurzfristige Ergebnisse. Branchenkenner wundern sich schon seit geraumer Zeit über die Geduld des Mutterkonzerns Otto. Er wird nicht ewig stillhalten, und wenn er reagiert, dann könnte das Resultat fatal für Soest sein.(mf/gn)

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