Actebis geht nach USA - Merisel würde passen

01.03.2001

Actebis-Chef Michael Urban will spätestens im Jahr 2002 mit dem ostwestfälischen Distributor auf dem nordamerikanischen Markt sein (siehe das Interview auf Seite 12 dieser Ausgabe). Er glaubt, dass die Voraussetzungen für einen Einstieg derzeit günstig sind, weil er bei Ingram Micro eine Schwäche erkannt haben will. Viele Hersteller würden nach Alternativen suchen, meint er.

Die Entscheidung, auf den US-Markt zu gehen, ist mutig. Zumal sich dort schon einmal ein deutscher Distributor eine blutige Nase geholt hat: Computer 2000 mit Ameriquest. Entscheidend wird die Art und Weise sein, wie Actebis und seine Muttergesellschaft, der Hamburger Otto-Konzern, das Abenteuer USA angehen werden. Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie fangen klein an und bauen das Geschäft sukzessive aus. Das hat den Vorteil, dass der Geldeinsatz überschaubar ist und sie sich ohne große Verluste wieder zurückziehen können. Oder sie nehmen viel Geld in die Hand und kaufen einen der Marktführer.

Die erste Möglichkeit scheidet praktisch aus. Sie ist zum Misserfolg verdammt. Auf diese Art und Weise hat Anfang der 90er Jahre Ingram Micro versucht, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Eine mehrere Jahre dauernde Hängepartie. Erst die Übernahme von Macrotron brachte den Durchbruch. Zwar ist der Otto-Konzern in den USA mit der Spiegel-Gruppe vertreten (Umsatz im Geschäftsjahr 1999/2000: 3,4 Milliarden Dollar), doch aufgrund des völlig unterschiedlichen Geschäftsmodells sind aus diesem Bereich keine substanziellen Hilfestellungen zu erwarten.

Für Actebis gibt es auf dem amerikanischen Markt daher nur die "Urknall-Methode": die Übernahme eines Big Players. Eine Übernahme der beiden Marktführer Ingram Micro (Umsatz in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2000/01: 22,7 Milliarden Dollar, Überschuss: 168 Millionen Dollar) und Tech Data (Neun-Monats-Umsatz: rund 15 Milliarden Dollar, Profit: 128 Millionen Dollar) kann man ausschließen. Nicht weil der Otto-Konzern (Umsatz 99/00: 40 Milliarden Mark, Überschuss: 629 Millionen Mark) diese Akquisitionen nicht finanzieren könnte, sondern weil sie wenig Sinn machen würden.

Actebis braucht für das USA- und Kanada-Geschäft keinen weltweit vertretenen Distributor wie Ingram Micro oder Tech Data, sondern einen, der nur im nordamerikanischen Markt agiert. Ein Schnäppchen könnte derzeit Merisel sein (www.merisel.com). Der Distributor, der vor drei Jahren sämtliche Aktivitäten außerhalb Nordamerikas an CHS verkauft hatte, ist schwer angeschlagen. Er hat seit 1995 Verluste von insgesamt rund 280 Millionen Dollar eingefahren. Allein im Geschäftsjahr 1999 lag der Fehlbetrag bei mehr als 61 Millionen Dollar. Auch im ersten Halbjahr 2000 konnten die Blutungen nicht gestillt werden: 30 Millionen Dollar Verlust. Der Umsatz ging um 16 Prozent auf 2,1 Millionen Dollar zurück. Im Gesamtjahr 1999 lagen die Erlöse bei 5,2 Milliarden Dollar.

Merisel wäre sicherlich für vergleichsweise wenig Geld zu haben. Dafür stünde ein erheblicher Sanierungsaufwand an. Dennoch: Nur so, durch die Übernahme eines etablierten Distributors, hat der Einstieg von Actebis in den USA überhaupt Aussicht auf Erfolg.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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