Actebis goes West: Der Sprung in die USA ist geplant

01.03.2001
Broadliner Actebis hat große Pläne: Die Tochter des Otto-Versands bereitet ihren Einstieg in den US-Markt vor. Über Chancen und Risiken für das Unternehmen sowie aktuelle Trends in der deutschen und europäischen IT-Branche sprach Actebis-Chef Michael Urban mit den ComputerPartner-Redakteuren Damian Sicking und Cornelia Hefer.

Herr Urban, wie ist die IT-Branche ins neue Jahr gestartet?

Urban: Egal, ob in Europa oder Deutschland: Der Gesamtmarkt ist nicht so toll gestartet. Der Retail-Bereich lief beispielsweise ziemlich schlecht an. Die Lager waren definitiv voll: Gerade im Dezember hat es Überbestände gegeben, was auch den Januar negativ beeinflusst hat. Der Februar lief schon etwas besser.

Wie sieht Ihre Prognose für das Gesamtjahr aus?

Urban: Ich sehe die Entwicklung pessimistischer als diejenigen, die für den Gesamtmarkt von einem zehn-prozentigen Wachstum ausgehen. In Europa wird die Steigerung klar im einstelligen Bereich liegen: zwischen fünf und sieben Prozent. In Deutschland reden wir über eine Steigerung von sieben oder acht Prozent. Actebis und Peacock werden insgesamt mit 20 Prozent Zuwachs abschließen, da wir Marktanteile von kleineren Wettbewerbern, die sich mehr und mehr auf Nischen spezialisieren, übernehmen werden.

Und woran lag der schlechte Start am Jahresanfang?

Urban: Das IT-Gesamtgeschäft lief in Deutschland einfach schlecht: Der Corporate-Bereich ist kritisch, wie mir erst vor kurzem ein großer Hersteller bestätigt hat. Im B2B-Segment ist derzeit nur noch das Geschäft im Small-and-Medium-Business-Bereich erwähnenswert. Wir haben hier bereits im vergangenen Jahr einen Fokus gesetzt. Das war richtig, denn das SMB-Geschäft wächst weiter.

Wie hoch war denn die Steigerung bei Actebis im SMB-Bereich?

Urban: Knapp 20 Prozent sowohl bei Actebis als auch bei Peacock. Trotzdem steht die gesamte Branche - Hersteller, Distributor und Händler - unter Druck, was den Preis- und Margenverfall angeht.

Haben Sie als Broadliner überhaupt noch Möglichkeiten, die Kosten zu senken, um Ihre Ertragssituation zu verbessern?

Urban: Der größte Kostenblock in der Distribution ist und bleibt das Personal: Hierauf entfallen immerhin 50 Prozent der Gesamtausgaben. Das Problem ist aber, dass Einsparungen gerade in Deutschland schwierig sind. Denn E-Commerce ist hierzulande leider immer noch rückständig. In unserer polnischen Gesellschaft beispielsweise laufen bereits 60 Prozent aller Bestellungen über das Internet, weil die Kunden von Anfang an daran gewöhnt waren. Das ist in Deutschland unvorstellbar. Ein weiteres Thema ist, dass man sich überlegen muss, mit welchen Kunden wir in der Zukunft weiter zusammen arbeiten.

Wie meinen Sie das?

Urban: Im Vergleich zu Ingram Macrotron schneiden Actebis und Peacock bei Händlerbefragungen schlechter ab, weil Macrotron immer auf eine breitere Kundenbasis gesetzt hat, während wir uns auf spezifische Zielgruppen fokussiert haben. Und wir werden auch weiterhin Schwerpunkte bei unseren Kunden setzen. Es gibt einfach Grenzen: Wenn ein Händler sagt, er kauft im Jahr für 200.000 Mark in der Distribution ein - wahrscheinlich sind es im Endeffekt nur 100.000 Mark -, frage ich mich, ist das wirklich ein Fachhändler?

Also wollen Sie Ihren Kundenstamm reduzieren?

Urban: Ja, höchstwahrscheinlich. In Deutschland existieren zwischen 20.000 und 30.000 Händleradressen. Wenn wir aber von Händlern mit signifikanten Distributionsumsätzen reden, die auch wirklich langfristig im Markt bestehen werden, sind wir schnell bei nur 5.000 Wiederverkäufern. Es gibt bei uns Überlegungen, uns aus dem unteren Kundensegment zurück zu ziehen und diese Geschäfte dann über regional starke Sub-Distributoren abzuwickeln. Mit diesen regionalen Großhändlern streben wir Partnerschaften an.

Im Actebis-Team haben Sie jetzt einen "Beauftragten für Sonderprojekte": Vertriebschef Torsten Dyck wechselt von der Peacock GmbH & Co. KG nach Soest. Die Position klingt nach Abstellgleis.

Urban: Die neue Position von Torsten Dyck ist definitiv kein Abstellgleis. Was der neue Job genau beinhaltet, kann ich Ihnen aber noch nicht verraten.

Der neue Peacock-Vertriebsgeschäftsführer Ernst Glaeser soll "die Neuausrichtung des Unternehmens vorantreiben", so lautet die offizielle Formulierung von Actebis. Heißt das, Peacock wird nur noch die Eigenmarken Targa und Peacock verkaufen, während Actebis komplett das Distributionsgeschäft übernimmt?

Urban: Nein. Neuausrichtung heißt, dass Peacock im vergangenen Jahr beim Umsatz mit den Eigenmarken unter 20 Prozent lag. Vor der Peacock-Übernahme lag der Eigenmarkenanteil zwischen 30 und 40 Prozent. Und dahin wollen wir wieder zurück. Langfristig soll Peacock 50 Prozent seines Umsatzes mit den Eigenmarken erwirtschaften und die anderen 50 Prozent weiter mit dem Distributionsgeschäft. Bei Actebis bleibt der Fokus auf der Distribution. In Soest war und bleibt der Eigenmarkenanteil am Umsatz bei zehn Prozent. Beide Unternehmen werden aber weiter Targa für den Consumer- und Peacock für den B2B-Bereich verkaufen.

Mit der radikalen Strategieänderung Ihrer beiden Eigenmarken haben Sie sich nicht nur Freunde gemacht: Der Fachhandel war verärgert, intern gab es bei Actebis heftige Diskussionen und Wettbewerber haben sich die Hände gerieben. Wie lautet Ihr Fazit von Oktober bis heute?

Urban: Insgesamt war es die richtige Entscheidung, obwohl es auch viel Stress gab. Mit den Absatzzahlen bei Peacock können wir bisher zufrieden sein. Im Consumer-Umfeld, also für Targa, sehen wir noch Potenzial, weil wir unsere Ziele bisher nicht realisieren konnten.

Welche Retailer wären denn für Targa als Absatzkanal interessant - Media-Markt-Saturn oder Karstadt?

Urban: Karstadt wäre der richtige Partner oder Promarkt, aber auch Electronic Partner und Expert sind für uns interessant. Media-Markt macht für Targa-Produkte keinen Sinn, weil hier unsere Lieferanten Compaq oder Fujitsu sehr stark sind.

Welchen Produktbereich werden Sie im laufenden Jahr für Targa besonders forcieren?

Urban: Mobile Computing. 2000 hatten wir zwar eine gute Produktpalette, die aber im Pricing zu hoch angesetzt war. Auf der Cebit kündigen wir eine komplett neue Produkt-Range an, die ab April verfügbar ist: mit neuem Design und attraktiven Preispunkten zwischen 2.999 und 4.999 Mark für den Endkunden.

Actebis ist sehr früh in den TK-Vertrieb eingestiegen. Wie läuft dieser Bereich?

Urban: Sehr erfolgreich, dort überspringen wir bald die 200-Millionen-Grenze und rechnen beim Umsatz für dieses Jahr mit einer Steigerung von 30 Prozent.

Sie suchen immer noch einen Geschäftsführer für die Actebis Computer Deutschland GmbH. Haben Sie bereits einen Kandidaten gefunden?

Urban: Wir haben einen Manager, der am 1. April bei uns anfangen soll. Es sind nur noch ein paar Formalien zu klären.

Kommt Ihr Kandidat von einem Hersteller oder aus der Distribution?

Urban: Er kommt aus Deutschland.

Actebis stellt im Laufe des Jahres auf SAP um. Können Sie nachts noch ruhig schlafen?

Urban: Aber sicher. Ich habe da volles Vertrauen in unsere Vorbereitung. Wir haben jetzt einen Rollout-Plan für die Ländergesellschaften erarbeitet. Actebis Deutschland ist am 1. Juli dran, wenn nichts Großartiges mehr dazwischen kommt. Wir bereiten das Ganze seit eineinhalb Jahren vor. Im Gegensatz zu Wettbewerbern, die sich für die Umstellung gerade mal zwischen drei und sechs Monaten Zeit genommen haben.

Was sehen Sie als Ihre wichtigste Aufgabe 2001?

Urban: Veränderung. Wir müssen die Leistung, die ein Distributor heute bringt, einfach besser darstellen. Distribution besteht eben nicht nur aus reiner Logistik, auch wenn unsere Mitbewerber es immer wieder gerne darauf reduzieren. Wir leisten mehr: Sales, Marketing, Service, Finanzdienstleistung oder Projektfinanzierung. Am 1. Juli starten wir dann auch unser A-Change-Projekt.

A-Change? Was ist das?

Urban: Actebis im Wandel: Stellen Sie sich Actebis als großes Schiff vor, dass künftig in eine neue Richtung fahren soll. Und für diesen Wechsel nehmen wir jetzt schon die Kurskorrektur vor.

Man hört, dass Actebis den US-Markt sehr genau beobachtet.

Urban: In Europa gibt es noch drei Themen für uns: Nordeuropa, die Türkei und unseren Auftritt in UK zu intensivieren. Über die europäischen Grenzen hinaus ist Asien, zum Beispiel China, ein hochinteressanter Markt: allein die PC-Absatzzahlen sprechen für sich. Im letzten Jahr wurden in China sieben Millionen Stück verkauft, in diesem Jahr werden es 14 Millionen Rechner sein. Und als nächs-tes muss man sich die USA/Kanada genau ansehen, gerade dort hat es ja ein massives Distributorensterben gegeben.

Wirklich?

Urban: Na, klar. Denken Sie, an Pinacor oder die Ex-CHS-Tochter Merisel. Sie hatten dort in der Vergangenheit folgendes Ranking: Nummer eins war Ingram, dann Tech Data und auf dem dritten Platz Merisel. Und von Nummer drei bis zehn sind alle Distributoren raus aus dem Geschäft.

Und in in diesen Markt wollen Sie einsteigen?

Urban: Der US-Markt ist einfach sehr spannend, was aber nicht heißt, dass wir dort ein Distributionsunternehmen kaufen wollen.

Wenn wir jetzt in die Zukunft sehen, wird es dann in einem Jahr eine Actebis USA geben?

Urban: Davon gehe ich fest aus: in 2002.

Schreckt Sie denn nicht das Beispiel Computer 2000, die genau damit vor ein paar Jahren scheiterten?

Urban: Doch, deswegen zögern wir ja auch noch, aber wir beobachten diesen Markt bereits seit drei Jahren sehr genau. Außerdem ist Computer 2000 damals einfach blauäugig in diesen Markt eingetreten: Sie haben ein Unternehmen gekauft, dem es schlecht ging und das auch nicht zum Computer-2000-Portfolio passte. Die Synergien haben dort gefehlt.

Im Broadline-Geschäft hätten Sie in den USA bereits zwei sehr starke Wettbewerber. Ist der Markt damit nicht besetzt?

Urban: Kein Markt ist besetzt: Er ist immer nur gemietet. Bei Ingram fehlt beispielsweise seit Jahren das Profil, weil die Familie Ingram kein Interesse mehr an dem Geschäft hat. Ingram muss man derzeit mit einem Fragezeichen betrachten. Der Gewinner im Moment heißt klar Tech Data, den wir auch als künftigen Wettbewerber in den USA definieren würden. Tech Data hat es verstanden, wie auch Actebis in Europa, mit den Herstellern Partnerschaften aufzubauen. Ingram hat eher eine Hassliebe aufgebaut: große Volumina bewegt und damit Druck auf Lieferanten oder Hersteller ausgeübt. Die Partnerschaft ist dabei auf der Strecke geblieben.

Werden Sie Ende des Jahres immer noch von der reinen Broadline-Distribution leben können?

Urban: Ein guter Broadliner macht in Europa mindestens ein Prozent Profit vor Steuern, das ist aber von Land zu Land unterschiedlich. 2000 waren wir schon nah dran. Dieses Jahr wollen wir mindestens ein Prozent schaffen. Das wird zwar schwer, ist aber machbar.

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