Agenten durchforsten den Datendschungel

27.06.2002
Der Software-Agent bucht die Teilnahme am Kongress, reserviert automatisch Flug und Hotel und trägt alles fein säuberlich in den elektronischen Terminkalender ein. Dies ist keine Szene aus einem Science-Fiction-Roman, sondern Realität mit der nächsten Generation des Internets. Denn das von Tim Berners-Lee geprägte Konzept des "Semantischen Webs" bringt Struktur und Bedeutung ins größte Informationsmedium. Der Agent kann dadurch die Inhalte von Webseiten lesen, interpretieren und entsprechend darauf reagieren. Wie das genau funktioniert, erklärt Jürgen Angele*.

Für Wirtschaft, Wissenschaft und den privaten Bereich gewinnt das Internet als Informationsmedium und elektronischer Marktplatz ständig an Bedeutung. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass die Inhalte der Websites nur für Menschen lesbar und auswertbar sind. Beim Semantischen Web - der nächsten Generation des Internets - werden Programme in der Lage sein, In- formationen automatisch zu suchen, zu verstehen, zu interpretieren und zu verarbeiten. Diese so genannten Software-Agenten liefern dann nicht mehr wie die heutigen Suchmaschinen Millionen von Links auf Dokumente, die der Anwender selbst mühsam durcharbeiten muss, sondern ganz konkrete Antworten. So kann das Programm beispielsweise auf der Suche nach einem Akku für ein Notebook die für den Nutzer relevanten Angebote aus verschiedenen Datenquellen finden. Es erzeugt eine Liste mit Anbietern, deren Telefonnummern und Preise, und ordert sogar auf Wunsch die benötigte Ware.

Semantische Technologien als Basis

Der einzige Weg, Wissen und Informationen zwischen Beteiligten auszutauschen, ist Kommunikation. Doch selbst wenn alle Teilnehmer über das gleiche Vokabular verfügen, ist nicht sichergestellt, dass die Beteiligten die Bedeutung der ausgetauschten Informationen auch verstehen. Dafür muss das Hintergrundwissen der Gesprächspartner beziehungsweise der Kontext, aus dem heraus eine Aussage getroffen wird, bekannt sein. Deutlich wird dies am Begriff "Bank", der im Gespräch mit einem Finanzdienstleister eine völlig andere Bedeutung hat als bei einer Unterhaltung mit einem Landschaftsgärtner.

Gängige Suchmaschinen sind jedoch nicht in der Lage, inhaltliche Unterscheidungen zu treffen, da sie sich an rein syntaktischen Mustern orientieren und lediglich nach bestimmten Zeichenfolgen suchen. Beim "Semantischen Web" geht es dagegen um die Bedeutung von Wörtern und Zeichenfolgen. Ontologien genannte Wissensmodelle definieren die dem Kontext entsprechenden Begriffe und ihre Beziehung zueinander. Das Ganze basiert auf einer Wissensstruktur, die durch ihre Formalisierung Mehrdeutigkeit vermeidet. Aus den strukturierten Informationen können automatisch Schlussfolgerungen gezogen und sogar neues Wissen generiert werden. Implizites Wissen wird damit explizit ausgedrückt. Für jeden, der sich in dieser Ontologie bewegt, wird dieses Wissen erfahrbar. Die formalisierte Struktur ist darüber hinaus die ideale Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Mensch und Maschine beziehungsweise von Maschine zu Maschine.

Unternehmen nutzen bereits heute semantische Technologien, um ihre Geschäftsprozesse neu zu ordnen - so etwa bei der Enterprise Application Integration (EAI). Hier verknüpfen semantische Technologien unterschiedlicher Systemwelten über heterogene und verteilte Datenquellen sowie über Unternehmensgrenzen hinweg. Dadurch können alle Informationen mittels eines zentralen und kontextbezogenen Zugriffs schnell und intuitiv abgefragt und die Antworten in Entscheidungsprozesse einbezogen werden.

Der nächste Schritt - die Agententechnologie

Einen Schritt weiter noch geht die Überlegung, einen Agenten mit einem persönlichen Profil im Internet "auszusetzen". Diese Software ist in der Lage, selbstständig Recherchen durchzuführen und Aufgaben zu erledigen. Basis dafür sind Metadaten, mit denen die maschinenlesbaren Webseiten angereichert werden. Sie vermitteln dem Agenten die konkrete Bedeutung der Inhalte. Die Einsatzgebiete dieser Software-Agenten sind vielfältig. Im E-Commerce und E-CRM bieten die von Computerprogrammen gesteuerten virtuellen Agenten dem Kunden einen erheblichen Mehrwert. So kann er sich beispielsweise auf die Suche nach einem Gebrauchtwagen - einem roten Golf für maximal 10.000 Euro - machen. Er durchforstet dafür selbstständig die Angebote anderer Software-Agenten, die von Autohäusern und/oder Gebrauchtwagenhändlern ins Internet geschickt wurden, nach einem entsprechenden Fahrzeug und informiert seinen "Auftraggeber" ebenso automatisch über die Treffer. Da Inhalte als Wissensmodelle dargestellt und nicht mehr programmiert werden, können semantische Systeme auch sehr flexibel auf Veränderungen reagie- ren.

Die Vorteile der Agententechnologie bei der täglichen Arbeit mit dem Internet macht auch das eingangs angedeutete Szenario deutlich. Während heute noch die Suche und Buchung des entsprechenden Kongresses, Fluges und Hotelzimmers in einzelnen, zeitaufwändigen Schritten "manuell" durchgeführt werden muss, erledigt der Software-Agent den kompletten Vorgang im semantischen Web selbstständig in logischer Reihenfolge. Zunächst vergleicht er die Kongresstermine mit den Daten im Terminplaner seines Auftraggebers. Sind noch keine Eintragungen vorhanden, bucht er den gewünschten Kongress, einen passenden Flug und ein Zimmer in einem nahe gelegenen Hotel. Anschließend überträgt er ebenso automatisch sämtliche Informationen, wie Tagungsinhalte, Flugnummer und die Reservierungsdaten des Hotels in den Planer.

www.w3.org/2001/sw

*Jürgen Angele ist Geschäftsführer der Ontoprise GmbH.

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