Aggressive Branche birgt Potential für die nächsten Jahre

14.09.2000
Die Börsianer wittern mit Lichtwellenleitern, Glasfasern und damit verbundenen Technologien das große Geld.

Den Aufschwung hatte Level-3-Auslands-Chef Colin Williams schon im Oktober vorigen Jahres prophezeit: "Es wird einen enormen Bedarf an Bandbreite geben", er sehe "eine neue Industrie entstehen". Die Telekommunikation setzt zur Übertragung von Sprache und Daten weltweit auf die Geschwindigkeit des Lichts, am besten über Glasfasernetze. Die sind wichtige Bestandteile für die Bewältigung der weltweit riesigen Datenströme. Der einschlägige Markt soll bis 2003 auf 23 Milliarden Dollar wachsen, verglichen mit derzeit rund zehn Milliarden. Letztes Jahr betrug das Volumen an Fiber-Optic-Teilen 6,6 Milliarden, also eine kräftige Zunahme.

So lautet die neueste Investmentregel, je näher am Licht, desto höher dürfen Kurse und Bewertungen sein. Fast alles, was irgendwie mit den Begriffen Fiber Optics oder Glasfasertechnik zusammenhängt, steigt in schwindelnde Höhen, erklärt der Finanzdienst Thestreet.com.

Staatliche Gewinne in Aussicht

Die Aktien der Brocade Communications kamen im Mai letzten Jahres zu 4,75 Dollar heraus und stehen jetzt bei umgerechnet 261 Euro. Die Gewinne anderer Aktien wie Ciena, Corning Fiber, Nortel oder JDS Uniphase sind ebenfalls stattlich (siehe Tabelle). Jüngste Neuemissionen wie Corvis (Internet-Backbone-Equipment) oder Oni Systems versechsfachten ihren Wert in Zeitkürze. Ihre Börsenkapitalisierung (Anzahl der Aktien mal aktueller Börsenkurs) beträgt jeweils über zehn Milliarden Dollar, obgleich sie noch kaum größere Umsätze vorweisen können. Die am Neuen Markt gelisteten Adva AG Optical Networking brachte ihren Aktionären binnen Jahresfrist 2.200 Prozent Profit. Andere Neuemissionen wie Stratos Lightwave, Sycamore und Bookham waren ebenfalls erfolgreich. Dieses Jahr soll Sycamore-Konkurrent Tellium noch an die Börse kommen.

Nortel mit den besten Chancen in der Zukunft

Noch interessanter wird die ohnehin aggressive Branche und ihre Aktien durch die vielen Fusionen, Übernahmen und Ausgliederungen. Die amerikanische Firma SDL, deren Kurs Mitte 1998 bei zwei Dollar, ein Jahr später bei 32 und kürzlich über 400 Dollar stand und um die auch Corning Fiber mitbot, wird für 41 Milliarden Dollar von JDS Uniphase gekauft. Die Gesellschaften sind auf die Herstellung von Lasern und Verstärkern spezialisiert. Die Laser erzeugen einen Lichtstrahl für den Transport von Informationen, die Verstärker erhalten das Licht über längere Entfernungen.

Bei Glasfasernetzen ist die Nortel Networks, Kanada, (22 Milliarden Dollar Umsatz) der Konkurrenz weit voraus und hat die besten Chancen, Marktanteile hinzuzugewinnen und die Führung auszubauen, meinen Branchenbeobachter. Mit der Mobilfunktechnologie hat Nortel, wie die anderen großen Wettbewerber auch, ein zweites heißes Eisen im Feuer. Nortel-Chef John Roth glaubt trotz leiser Zweifel, dass der Glasfaser-Boom noch drei bis fünf Jahre dauert. Die Kapazitäten werden weiter ausgebaut.

Auch der weltweit größte Telekommunikations-Ausrüster Lucent (39 Milliarden Dollar Umsatz) will "die nächste Generation des Internet bauen, das breitbandig, mobil, zuverlässig und so schnell wie das Licht ist". Kurzfristig seien die Aussichten noch unklar, meinen die Analysten zur Aktie, doch habe das Unternehmen die Mehrzahl seiner aktuellen Probleme beseitigt. Außerdem wird der Börsengang der Sparte Microelektronics "signifikante Werte für Aktionäre erschließen", was bedeutet, dass der Kurs der Mutter Lucent klettern wird, wenn die Tochter teuer verkauft - was für das erste Quartal 2001 vorgesehen ist. Der Spinoff der Sparte Kommunikations-chips und optoelektronische Komponenten folgt dem bewährten Muster, profitable Geschäftsbereiche auszugliedern und damit viel Geld einzunehmen - in diesem Falle zwischen 40 und 50 Milliarden Dollar. Es ist das gleiche Muster, wie beispielsweise der Siemens-Konzern mit seiner Chiptochter Infineon sehr erfolgreich praktizierte. Nicht zu unterschätzen ist auch der französische Konzern Alcatel, der sein optisches Geschäft ebenfalls ausgliedern will. Die Interessen von Siemens sind unter anderem in der US-Tochter Unisphere gebündelt, über deren Börsengang in der Münchener Zentrale bereits nachgedacht wird.

US-Netzwerkkönig Cisco Systems, der aus der Computerbranche stammt, meint: Es gebe mehr Chancen denn je, auch mit neuen Produkten im Glasfaserbereich eine Menge Geld zu verdienen. Die anderen genannten Konzerne stammen überwiegend aus der Fernmeldetechnik. Weil im Internet immer vielfältigere und technisch anspruchsvollere Inhalte übertragen werden, investiere Cisco auch in Firmen, die dort tätig sind. Mit den jüngsten Akquisitionen ist die Op-totechnologie gebührend berücksichtigt.

Skeptiker: Aktien haben was von Lottoscheinen

Die Gesellschaften haben angekündigt, ihre Aktien erneut zu splitten, um deren Preise optisch zu verbilligen und damit für Käufer attraktiv zu halten. Dennoch sind alle Netzwerkeraktien mit ihren hohen Bewertungen zur Zeit enorm teuer - Ausnahme Lucent, Alcatel und Siemens. Skeptischere Beobachter meinen gar, die Papiere hätten etwas von Lotteriescheinen. Und somit besteht die Gefahr von größeren Kursabstürzen, sobald sich das Segment auch nur ein klein wenig abkühlt. Aber im Augenblick, meinen die Experten, sei es dumm, solche Fragen zu stellen, weil alles so schön läuft und weil noch so unheimlich viel mehr Internet aufgebaut werden muss. (kk)

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