Akcent-Diskussion: Öffentliche Ausschreibungen sind für die Katz´

10.01.2002
Im Diskussionsforum der IT-Fachhandelskooperation Akcent fand kürzlich ein Meinungsaustausch über die Vor- und Nachteile von öffentlichen Ausschreibungen statt. Bei Geschäftsführern von kleinen und mittleren Handelsunternehmen herrscht zu diesem Thema Einigkeit: Aufwand und Kosten färben die Marge rot. Die Namen der Teilnehmer wurden durch Buchstaben ersetzt.

Guten Tag,

ich und mein kleines Unternehmen suchen in der großen Computerwelt nach neuen Geschäftsfeldern. Dabei bin ich auf die öffentlichen Ausschreibungen gestoßen. Nun stellen sich da für mich einige Fragen, die ich, in der Hoffnung auf Klärung, hier ins Forum stelle. Da wäre beispielsweise die Frage, ob sich der ganze Aufwand lohnt, beziehungsweise ob Ausschreibungen nur dazu da sind, um den langen Dienstweg einzuhalten, obwohl ein Lieferant eventuell schon den Zuschlag hat. Und welche Möglichkeiten habe ich bei langen Bindungsfristen, um hier ein verbindliches Angebot abgeben zu können, ohne das ich den Artikel später nicht mehr liefern kann? Wäre schön, wenn einige Erfahrene mal aus dem Nähkästchen plaudern würden.

K.

Einzig Preisdumping und Kontakte zählen

Hallo Herr K., hallo Forum,

wir haben mehr oder weniger intensiv an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen. Erfolg insgesamt: 55 Teilnahmen und neun Treffer. Davon ein Treffer wegen mathematischer Unfähigkeit meines Verkaufsleiters (er hatte 40 Prozent auf die Einkaufspreise aufgeschlagen, um dann 30 Prozent Rabatt geben zu können. Oder wie mache ich 100 Mark zu 98 Mark? Das war 1994 bei einer 370.000-Mark-Ausschreibung). Damit haben wir die Ausschreibung dann auch gewonnen, weil das Angebot unter dem Einkaufspreis lag.

Sechs Ausschreibungen haben wir gewonnen, weil wir aufgrund persönlicher Beziehungen in den Vorbereitungsprozess der Ausschreibungen einbezogen waren, und zwei durch ein gutes Konzept, das sozusagen kostenfrei neben Hard- und Software gefordert war.

Das heißt: Bei den "normalen" Ausschreibungen (ohne Preisdumping und persönliche Beziehungen) hatten wir keine Chance.

Eine interessante Alternative hat sich durch diese Erfahrungen allerdings gezeigt: Bei der Vorbereitung von Ausschreibungen haben insbesondere öffentliche Einrichtungen inhaltlich große Probleme. Hier bietet sich an, Know-how bei der Erarbeitung und Formulierung anzubieten - allerdings auf Kosten der Teilnahme. Wenn Sie einen guten Leumund in den betreffenden Einrichtungen haben, können diese Ihnen den Auftrag zur Erarbeitung von Ausschreibungsunter-lagen inklusive Mitarbeit an der Entscheidungsfindung als Gutachter geben, und das auf der Basis der VOF, der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen. Hierbei sind Erarbeitungskosten von unter 10.000 Mark kein Problem - und nur die Personalkosten sind gegenzurechnen (gute Marge).

Es lohnt sich also, gute Beziehungen zu ausgewählten Verwaltungen aufzubauen, da Sie somit automatisch einen Überblick über die "Verwaltungsdenke" und Kontakt zu Kämmereien sowie Rechnungsprüfungsämtern kriegen. Dann funktionieren auch mal große Hard- und Softwareausschreibungen (durch Empfehlung).

Mein Tipp: Bauen Sie zu einer Verwaltung zuerst hervorragende persönliche Beziehungen auf, nutzen Sie diese, um sich als Experte zu etablieren, und bauen Sie dort eine Referenz auf. Das hat meist mehr (empfehlende) Wirkung als Preiskampf und Preisdumping bei üblichen Ausschreibungen.

D.

Auf dem Ärger und der Arbeit sitzen geblieben

Guten Tag,

öffentliche Ausschreibungen können sehr gefährlich sein. Oft sind Dienstleistungen gefordert, wie 24-Stunden-Vor-Ort-Service, oder betriebsbereite Lieferung. Die Arbeitszeit und das Risiko sollte sorgfältig kalkuliert werden. Bei Markenprodukten wie Compaq ist das weniger ein Problem, wenn die Support-Packs mit verkauft werden. Dann trägt der Hersteller das Risiko. Wir waren beziehungsweise sind noch mit X in einer Sache zugange, die nicht sehr erfreulich ist: Eine Verwaltung schrieb Anfang des Jahres 50 PCs mit AMD-CPUs aus. Aufgrund der günstigen Preise gewannen wir mit X. Leider ging ein Rechner nach dem anderen kaputt: Es waren falsche Kühler eingebaut. X war nicht in der Lage, Material für den Vor-Ort-Austausch bereitzustellen. Wir sollten jeweils vier PCs an X schicken, die dann repariert werden sollten. Auf dem Aufwand und nicht zuletzt dem Ärger werden wir wohl sitzen bleiben. Das zweite Problem ist die Marge. So genannte Distributoren wie Y oder andere bieten bei entsprechendem Volumen direkt an. Das dritte Problem ist die Finanzierung. Das bereitgestellte Kreditlimit ist durch größere Aufträge schnell überzogen, und es entsteht zusätzlicher Aufwand. Geld verdienen lässt sich, wie Herr D. schon darstellte, wenn man selbst bei der Projektierung mitarbeiten kann und Dienstleistungspositionen selbst definiert werden können, die für "Dritte" etwas undurchsichtig sind. Manchmal hat man durch die verhältnismäßig langen Laufzeiten etwas Glück und kann durch zwischenzeitliche Preissenkungen die Marge etwas erhöhen.

U.

Erfolg bei Ausschreibungen geht auf Kosten der Marge

Hallo, liebe Kollegen,

unsere Erfolgsquoten bei Ausschreibungen haben uns schon seit langem dazu bewogen, nicht mehr an solchen teilzunehmen. Wir haben testweise von Ausschreibung zu Ausschreibung unsere Marge immer etwas nach unten gedrückt, um zu sehen, an welchem Punkt ein Zuschlag erfolgt. Nachdem wir immer noch keine Zuschläge bekommen haben, obwohl die Marge schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht unvertretbar war, haben wir unsere Schlüsse daraus gezogen. In der Regel bekommen - zumindest hier in der Region - die Bieter den Zuschlag, die die Aufträge anscheinend entweder mehr als dringend benötigen oder nur für Gotteslohn arbeiten.

Besonders katastrophal sind Schulausschreibungen, die nebenbei auch technisch so weit daneben sind, dass meine Kollegen aus der Technik sich weigern würden, die geforderten Konfigurationen überhaupt zu installieren! Was wir da teilweise an Anforderungen bekommen haben, ist ein Kapitel für sich.

Bessere Erfahrungen haben wir mit beschränkten Ausschreibungen der lokalen Verwaltungen gemacht, die den Bieterkreis von vornherein auf (lokale) Bieter reduzieren, die nach deren Ermessen auch leistungsfähig genug sind (Reaktionszeit, Qualifizierung, Personalstärke, keine Nebenerwerbs-ITler). Da kommen wir öfter zum Zuge, da hier die meisten Bieter nach "vernünftigen" Kriterien bieten.

Schlussendlich fokussiere ich mich lieber auf die Gewinnung der kleinen und mittelständischen Betriebe, bei denen ich den Auftrag mit dem Verantwortlichen direkt unter Dach und Fach bringen kann, ohne zwischengeschaltete Instanzen, ohne ewige Entscheidungslaufzeiten. Da verdiene ich bei niedrigerem Volumen teilweise mehr! Man bedenke die Verteilung des Umsatzes an unabhängige Kreditoren, was die Ausfallquote respektive die Zahlungsfristen positiv beeinflusst.

O.

Auftragsvergabe: ein Riesenschwindel

Hallo Kollegen,

das Thema Ausschreibung ist bei uns abgehakt. Wir haben aus unserer Erfahrung den Eindruck gewonnen, dass die Auftragsvergabe schon meist vor der Ausschreibung feststeht. Wir hatten auch schon selbst erlebt, dass wir von der ausschreibenden Stelle angerufen wurden, um unseren angeboten Preis nochmals zu senken, damit wir die günstigsten Anbieter sind, um dann den Auftrag zu bekommen.

Die Preissenkung sollten wir dann im abgesegneten Stundenzettel wieder zurückbekommen. Leider hatte sich der Anrufer in der Telefonnummer geirrt. Er wollte eigentlich eine andere Firma anrufen, damit die unser Angebot unterbietet. War echt spaßig. Wir hatten damals zirka drei Manntage in die Ausschreibung gesteckt.

Von wegen gerechte Auftragsvergabe - alles ein Riesenschwindel! Wer bei öffentlichen Aufträgen den Zuschlag erhält, schmiert entweder die richtigen Leute oder verdient nichts dabei.

Wir hatten einmal zur Gaudi bei einer Ausschreibung genau die angeforderten Positionen angeboten (keine bessere Hardware). Alle Dienstleistungen waren mit 40 Mark Stundenlohn gerechnet, und die Hardware hatten wir mit fünf Prozent Verlust angeboten. Ergebnis war: Wir haben den Auftrag zum Glück nicht bekommen. Begründung der Vergabestelle: Wir waren um etwa zehn Prozent zu teuer! Seitdem wandert jede Ausschreibung bei uns sofort in die Ablage, sprich: Restmüll.

Drum machen wir es genauso wie Herr O.: Ein neugewonnener kleiner oder mittelständischer Betrieb bringt mehr als 100 Ausschreibungen.

E.

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